Bonadea
Sie wird zu Beginn des Romans Ulrichs Geliebte, er nennt sie »Bonadea«. Als er nach einem Überfall auf der Straße lag, kam sie zufällig mit einem Taxi des Weges und konnte ihn retten. »Zwei Wochen später war sie schon seit vierzehn Tagen seine Geliebte« (7., 30). Bonadea »ist die Gattin eines angesehenen Mannes und die zärtliche Mutter zweier schöner Knaben« (12., 42), ihr Mann ist ein hoher Richter. Die Liebessüchtige hat in Ulrich ein neues Opfer gefunden.
Bonadea ist sehr eifersüchtig. Als Ulrich sich zurückzuziehen beginnt, sucht sie ihn von sich aus auf und macht ihm eine Szene, die zur Liebesszene wird. Aber Ulrich langweilt sich dabei (29., 115 ff.), und nach weiterem Streit mit ihm geht sie (33.,128).
Mehrere Monate später besucht sie ihn unangemeldet an einem Winter-Vormittag. Sie hat beschlossen, nur noch Ulrich als Geliebten zu haben, um gegen andere Versuchungen gefeit zu sein (62., 259). Aber Ulrich erweist sich gegen die Versuchung seinerseits gefeit (266).
Auf einer Polizeiausstellung trifft sie ihn nicht zufällig wieder. Immer noch besteht ihr Bedürfnis, »die flatterhafte Fahne ihrer Lust [...] auch am freien Ende festzubinden«, nämlich an Ulrich (98., 446). Im Unterschied zur kakanischen (k. und k. = kaiserlich-königlichen) Politik lebt Bonadea ihr Doppelleben als System. »Bonadea, die gute Göttin, [...] besaß ein System, und die Politik in Kakanien besaß keines.« (109., 522): Man muss, so der Erzähler, sein Lebenssystem so ausbilden, dass der Lusthaushalt mit einem kleinen »Glücksüberschuss« abschließt (109., 523). Wie bei andern, so dienen auch bei Bonadea die wichtigsten geistigen Vorkehrungen »der Erhaltung eines beständigen Gemütszustands« (527). Dabei »ist es doch ein äußerst künstlicher Bewußtseinszustand, der dem Menschen den aufrechten Gang zwischen kreisenden Gestirnen verleiht und ihm erlaubt, inmitten der fast unendlichen Unbekanntheit der Welt würdevoll die Hand zwischen den zweiten und dritten Rockknopf zu stecken« (527).
Im Spätwinter, d.h. im Januar/ Februar 1914, hält Bonadea ihre Sehnsucht nach Ulrich nicht mehr aus und sucht ihn nach einigem Zögern in Diotimas Haus auf, als eine Sitzung des »Konzils« stattfindet. Ulrich zeigt sich gerührt von ihrer Liebe zu ihm und spricht ohne Ironie mit ihr. Sie sehen gemeinsam aus dem Fenster von Diotimas Zimmer in die dunkle Winternacht. Dann verabschiedet er sie für lange Zeit (115.).
Nach dem Begräbnis seines Vaters im März (1914) erfährt Ulrich, dass Bonadea inzwischen mehrmals bei Diotima war. In einem Gespräch mit Diotima bezeichnet er Bonadea als Nymphomanin (III, 17., 820). Aber dann trifft er die schöne Freundin auf der Straße und sie besucht ihn. »Bonadea oder der Rückfall« heißt das Kapitel 23 des »Zweiten Buches«. Sie erklärt ihm die neuesten Sexualtheorien, mit denen sich Diotima beschäftigt. Der Zeitgeist verlange, die Ehe zu beleben, und viele Ratschläge dazu kommen von Sexual-»Turnlehrern« (882). Ulrich amüsiert sich und der Abend endet in seinem Bett. Dann zieht seine Schwester Agathe zu ihm, und er trifft Bonadea bei Diotimas großer Gesellschaft (III, 36., 1013).