Ulrichs Vater
Ein Mann »mit Eigenschaften« (3., 13). Er hat vor 47 Jahren eine Arbeit über »Die Zurechnungslehre des Samuel Pufendorf und die moderne Jurisprudenz« geschrieben (19., 77). Er sorgt dafür, dass der Sohn zu den Grafen Stallburg und Leinsdorf geht und sich mit seiner »Kusine« Diotima bekanntmacht.
In einem langen Brief (Kap. 74) teilt er Ulrich mit, dass er sich anlässlich der geplanten Neufassung des Strafrechts wieder mit der Frage der Zurechnungsfähigkeit, verminderten Zurechnungsfähigkeit und Unzurechnungsfähigkeit bei Straftätern beschäftigt habe und durch seinen Paragraphenentwurf mit dem Kollegen und alten Freund Professor Schwung heftig aneinandergeraten sei (beide waren sich ursprünglich einig gewesen, dass der modernen Verweichlichung bei der Beurteilung von Straftätern Einhalt zu gebieten sei). Er bittet den Sohn, bei den entscheidenden Herren Einfluss in seinem Sinne zu nehmen, was Ulrich aber nicht möglich ist.
Kapitel 111 kommt darauf zurück: »Es gibt für Juristen keine halbverrückten Menschen« (534). Keine der von Ulrichs Vater bzw. Professor Schwung vertretenen Ansichten hat eine Mehrheit im Ausschuss gewonnen. Der Vater hat dem Brief an Ulrich die Streitschriften zu der Auseinandersetzung mit seinem Kollegen beigelegt, und Ulrich liest sie erst jetzt. In einem verzwickten Gedankengang argumentiert der Vater, geisteskranke Verbrecher müssten härter bestraft werden als andere, und nennt das eine »soziale« Wendung (538).
Den »schnurrig-unheimlichen Text« des Telegramms, durch das Ulrich vom Tod seines Vaters erfährt, hat der Vater wohl noch selbst aufgesetzt (123., 655). Zum Begräbnis reist Ulrich in die große Provinzstadt, in der sein Elternhaus steht. Zum Tod des Vaters und den nachfolgenden Zeremonien hat er ebenso viel Distanz wie seine Schwester Agathe.
Zur Trauerfeier erscheint auch Professor Schwung, mit mehr Schwung als Trauer: nun kann er seine Formulierung des Paragraphen 318 ohne Widerstand durchsetzen (III, 4., 696 f.).