Minde, Gerdt
Sohn des alten Jakob Minde aus dessen erster Ehe, Halbbruder von Grete Minde und Ehemann von Trud Minde. Seine Mutter, eine reiche, gleichwohl geizige und habsüchtige Brauherrntochter aus Stendal (vgl. 4/26), starb früh. Anders als sein Vater, der auch noch im hohen Alter Selbstdisziplin übt (vgl. 3/20), hat er ein schlaffes, nachlässiges Auftreten, das mit der Trägheit seines Herzens korrespondiert. Seine Schwester ist ihm bestenfalls gleichgültig, seine Frau erfährt von ihm keine Liebe. Seine einzige Leidenschaft sind Geiz und Habsucht, »wenn an seinem Besitz gerüttelt« wird, gerät er augenblicklich in Zorn (18/106). Das Unglück seiner Schwester lässt ihn kalt, ihren vor dem Rat der Stadt eingeforderten Erbanspruch weist er mit der eidlich bekräftigten Behauptung zurück, dass ihre Mutter keinerlei Gut in die Ehe gebracht und der Vater durch ungeschicktes Wirtschaften das Vermögen seiner ersten Frau dezimiert habe, so dass dem Kind aus zweiter Ehe nach geltendem Recht kein Erbe zustehe. Die Frage des Bürgermeisters Peter Guntz, ob er sein »Recht brauchen und behaupten, oder nicht aus christlicher Barmherzigkeit von ihm ablassen« wolle, verneint er ohne Zögern (19/111). Erst als er seinen kleinen Sohn mit Grete in einer Luke des brennenden Kirchturms stehen sieht, gerät das stumpfe Gemüt des Mannes in Bewegung, er »brach in die Knie und schrie um Hülfe«, freilich vergebens (20/117).
Die Feststellung im Kommentar, dass Fontane die Frage, ob Gerdt Minde vor dem Rat der Stadt einen Meineid schwört, »letztlich« offenlasse (Kommentar, 207), ist nicht nachvollziehbar. Zumindest die zweite Behauptung, wonach der Vater das Vermögen seiner ersten Frau dezimiert habe, wird eindeutig als Lüge, mithin der Eid, den Minde darauf schwört, als Meineid markiert: Trud Minde erinnert ihren Mann am Abend zuvor daran, dass der Vater, als Gretes Mutter ins Haus kam, das Vermögen seiner ersten Frau verdoppelt hatte. »Und so Du’s anders sagst, so lügst Du. Sie hat ein Erbe.« (18/106) Diese Äußerung qualifiziert nicht nur Mindes Aussage am nächsten Tag als Lüge, sondern stellt mit der gleich anschließenden Schlussfolgerung (»Sie hat ein Erbe«) auch unmissverständlich klar, dass dem Vermögensstand des Vaters zum Zeitpunkt der zweiten Eheschließung nach »Tangermündisch Recht« erbrechtliche Relevanz zukommt. Ob dies der historischen Rechtslage entspricht oder nicht (vgl. Kommentar, ebd.), ist demgegenüber ohne Belang.