Hradscheck, Ursula Vincentia (Ursel)
Ehefrau von Abel Hradscheck, eine »zum Vornehmthun geneigte« Frau Anfang Vierzig (1/6). Sie stammt aus der Nähe von Hildesheim und war als junge Frau einige Jahre, wohl als Schauspielerin oder Seiltänzerin, durchs Land gezogen. Dabei hatte sie Armut und Not kennengelernt, aus der Abel Hradschecks Heiratsantrag sie befreite (vgl. 9/53). Sie folgte ihm nach Tschechin, wo das Paar, nachdem sie ihren katholischen Glauben abgelegt hatte, von Pastor Eccelius evangelisch getraut wurde. Ihre Kinder starben im siebenten Ehejahr.
Vornehme Möbel und Kleider, für die Hradscheck sich stark verschuldete, sollten ihr, wie es scheint, den Verlust der Kinder ersetzen (vgl. 3/20). Das Bewusstsein, vornehmer zu sein als die übrigen Dorfbewohner, und eine tiefsitzende Furcht vor erneuter Armut bestimmen fortan ihr Dasein. Diese Furcht ist ein wesentliches Motiv für Abel Hradschecks Tat wie auch für ihre eigene Mitwirkung an der Vorbereitung und Vertuschung seines Verbrechens, zu der sie sich recht schnell überreden lässt (vgl. 3/22 f.).
Die böse Tat aber setzt ihr zu. Schon als Hradscheck aus der Untersuchungshaft heimkehrt, tritt sie ihm »gealtert, die Augen tief eingesunken und die Haut wie Pergament« entgegen (12/75). In den folgenden Monaten nimmt sie immer mehr ab und verfällt in Schwermut. Sie entsagt ihrem Hang zum »Vornehmthun«, beklagt vielmehr jede Geldausgabe und legt heimlich Geld zurück. Das ihr zugedachte Zimmer im neu aufgesetzten Stock des Hauses lehnt sie ab – es liegt an der Stelle der ehemaligen Giebelstube, in der Szulski übernachtet hatte (vgl. 14/524). Sie stirbt in der Nacht zum 1. Oktober 1832, kein Jahr nach Hradschecks Mordtat (vgl. 15/95). Auf dem Sterbebett bittet sie ihren Mann, von dem heimlich ersparten Geld in Krakau Seelenmessen für Szulski lesen zu lassen. Hradscheck beerdigt sie nicht bei ihren Kindern, sondern in einem Einzelgrab und kauft von dem für die Seelenmessen bestimmten Geld ein aufwendiges Grabkreuz.