Niemeyer
Pastor in Hohen-Cremmen, Vater von Hulda, zu Beginn der Geschichte 56 oder 57 Jahre alt (vgl. 13/128), ein allseits beliebter Seelenhirte, der mit seinem Patronatsherrn Briest auf freundschaftlichem Fuß steht (vgl. 4/28). Er hat Effi schon getauft und konfirmiert und vollzieht auch ihre Trauung mit Innstetten. Seine Traupredigt wird allseits bewundert. Er habe gesprochen wie ein Hofprediger, heißt es nachher (vgl. 5/40), und das wohl nicht zum ersten Mal, denn auch vorher schon hat es »bei jeder größeren Feierlichkeit« geheißen, dass der alte Dorfpastor »das Zeug [habe], an den ›Dom‹ berufen zu werden« (13/118). Dass er gleichwohl »immer zurückhaltend und anspruchslos« auftritt, kommt Effi mit Wehmut in den Sinn beim Anblick einiger Pastoren auf den Adelsgütern im Kessiner Umland, die sich »wie kleine Päpste« benehmen (ebd.).
Dass er orthodoxen Lehren fern- und dem Leben nahesteht, lässt seine Bemerkung über Frauen, die Effi zu Innstettens Erheiterung referiert (vgl. 15/144), ebenso vermuten wie der von Frau von Briest – zuletzt, bei der Suche nach Mitschuldigen – beklagte Umstand, dass er »alles in Zweifel läßt« (36/350). Dem Zweifel korrespondiert der moralische Grundsatz, den er Effi gelehrt hat: dass es auf ein »richtiges Gefühl« ankomme (24/259). Und das feste »Ja, Effi, du wirst«, mit dem er, göttliches Urteil vorwegnehmend, ihre Frage beantwortet, ob sie in den Himmel kommen werde, offenbart vollends den unorthodoxen Theologen. Die zahlreichen Spaziergänge und Plaudereien mit dem alten Pastor helfen Effi, ihre einsamen Tage zu bestehen (vgl. 34/332).