Rollo

Innstettens Hund, über dessen Wesen Innstetten seine Frau bei der Rückkehr von der Hochzeitsreise mit einer für ihn ungewöhnlichen Wärme ins Bild setzt: »Du denkst dabei, vorausgesetzt, daß Du bei Niemeyer oder Jahnke von dergleichen gehört hast, an den Normannenherzog, und unserer hat auch so ‘was. Es ist aber bloß ein Neufundländer, ein wunderschönes Tier, das mich liebt und Dich auch lieben wird. Denn Rollo ist ein Kenner. Und so lange Du den um Dich hast, so lange bist Du sicher und kann nichts an Dich heran, kein Lebendiger und kein Toter.« (6/53) Bei der Ankunft legt Rollo seinem Herrn mit einem »Freudenblaff« die Pfoten auf die Schultern und umschmeichelt die Hand der ihm noch fremden Effi (6/56).

Innstettens Vorhersage über Rollos Verhältnis zu Effi bewahrheitet sich schon bald. In der Nacht, die Effi erstmals allein im Haus verbringen muss, ist Rollo, als sie mit einem Angstschrei erwacht, zur Stelle und sucht mit dem Kopf nach ihrer Hand (vgl. 9/86 f.). An den langweiligen Winterabenden, an denen Innstetten seine junge Frau sich selbst überlässt, leistet Rollo ihr Gesellschaft »als ob er sagen wolle: ›Muß nur ‘mal wieder nach Dir sehen; ein anderer thut's doch nicht‹« (13/120). Auch bei ihren Spaziergängen begleitet er sie an Innstettens Stelle (vgl. 15/139 f.), was den alten Briest, halb im Scherz, halb im Ernst, zu der Bemerkung veranlasst, man könne »beinah‘ glauben, Rollo sei Dir mehr ans Herz gewachsen als Mann und Kind«. Und als Effi schwach abwehrt – Rollo sei ja »bloß ein Hund« und zuerst kämen natürlich die Menschen – äußert er Zweifel: »Das mit der Kreatur, damit hat's doch seine eigene Bewandtnis, und was da das Richtige ist, darüber sind die Akten noch nicht geschlossen. Glaube mir, Effi, das ist auch ein weites Feld.« (15/140)

Zu Roswitha fasst Rollo gleich bei der ersten Begegnung Vertrauen und Sympathie, blickt ihr aufmerksam ins Gesicht und legt ihr schließlich zu ihrer Freude den Kopf auf die Knie, während sie über ihrer beider »sonderbaren Namen« spricht: Rollo, Roswitha (13/131).

Für Effi ist das freundliche Tier seit der Schreckensnacht im ersten Kessiner Winter »mein guter Freund und mein ganz besonderer Verlaß« (15/140). Und auch Rollo schließt sich ihr mehr und mehr an, verhält sich gegen Innstetten zurückhaltender und legt ihm bei der Begrüßung nicht mehr die Pfoten auf die Schultern (vgl. 21/211).

Als er zuletzt, dank Roswithas Eingreifen (vgl. 35/339), nach fast vierjähriger Trennung in Hohen-Cremmen eintrifft, nimmt er das Wiedersehen mit Effi ganz ruhig auf, »weil er entweder kein Organ für Zeitmaß hatte oder die Trennung als eine Unordnung ansah, die nun einfach wieder behoben sei«. Alt und in seinen Zärtlichkeiten und Freudenbezeugungen »sparsam« geworden, ist er »in seiner Treue […] womöglich noch gewachsen«. Er weicht Effi nicht von der Seite, behandelt den Jagdhund des Hauses »wohlwollend, aber doch als ein Wesen auf niederer Stufe«, schläft nachts auf einer Binsenmatte vor Effis Schlafzimmertür und begleitet sie bei ihren Spaziergängen, bei denen er, wieder jung werdend, ausgelassen vorausjagt (36/343).

Nach Effis Tod liegt er, »den Kopf in die Pfoten gesteckt«, an ihrem Grab auf dem Rondell. »Sieh‘, Briest, Rollo liegt wieder vor dem Stein. Es ist ihm doch noch tiefer gegangen als uns. Er frißt auch nicht mehr.« Und Briest nimmt seine Reflexionen über die »eigene Bewandtnis«, die es mit der »Kreatur« hat, noch einmal auf: »Ja, Luise, die Kreatur. Das ist ja, was ich immer sage. Es ist nicht so viel mit uns, wie wir glauben. Da reden wir immer von Instinkt. Am Ende ist es doch das beste.« (36/349)

Der »Normannenherzog«, auf den Innstetten anspielt, ist Rollo, der Wikinger (ca. 846-932). – Die identischen Anlaute der Namen Rollo und Roswitha sind wohl kein Zufall: Roswitha verkörpert in ihrer schlichten, gesellschaftliche Normen unterlaufenden Treue zu Effi das, was Fontane den »natürliche[n] Mensch[en]« nennt (Brief an Georg Friedländer vom 1. Mai 1890), Rollo die (als sittliche Qualität gedachte) Natur selbst.