Pittelkow, Pauline (geb. Rehbein)
Ältere Schwester von Stine Rehbein, wohnhaft in der Invalidenstraße 98e in Berlin, eine »schöne, schwarze Frauensperson mit einem koketten und wohlgepflegten Wellenscheitel« (1/5) und mit »jener enrhümierten [d.i. rauen] Altstimme, wie sie den unteren Volksklassen unserer Hauptstadt nicht gerade zum Vorteil eigen ist« (1/6 f.). Sie ist dreißig Jahre alt, Witwe und seit gut zwei Jahren Geliebte des alten Grafen Haldern, der sie aushält und von dem sie ein Kind hat. Ihr älteres Kind, die zehnjährige Olga, die zur Welt kam, als sie »kaum zwanzig« war, entstammt einer »gewöhnliche[n] Verführungsgeschichte«. Pauline wurde mit einer »hübschen Geldsumme« abgefunden, heiratete den »kreuzbraven« Pittelkow, der bald krank wurde und den sie »mit allem, was sie hatte, treu bis zum Tode« pflegte. Danach hatte sie nicht einmal mehr einen »Notgroschen«, und der alte Graf bot einen Ausweg aus der Notlage (8/47). Diesen Ausweg zu nehmen, fiel ihr recht schwer, allerdings, so Stine über ihre Schwester, »nicht schwer von Tugend wegen (davon will sie nichts wissen) sondern nur deshalb, weil ihr, von Natur, an einem Leben nichts liegt, wie sie's zu führen gezwungen ist« (8/46).
Pauline Pittelkow ist eine selbstbewusste, nüchtern denkende Frau und eine robustere Natur als ihre Schwester. Sie hat ein klares Bewusstsein ihrer Lebenssituation, auch der Geringschätzung, die manche ihr entgegenbringen, ist darüber aber mit sich selbst im Reinen: Sie ist das Verhältnis mit dem Grafen eingegangen, um der »Sorge […] um das tägliche Brot« enthoben zu sein, und betrachtet es als einen »Dienst, drin sich Gutes und Schlimmes die Wage hält« (8/47) und dessen Verpflichtungen sie verlässlich zu erfüllen hat (vgl. 8/46). Sie kann Ziererei nicht leiden (vgl. 4/28; 5/37), verbittet sich aber herabsetzende Anzüglichkeiten von seiten des alten Grafen mit Bestimmtheit (vgl. 4/28). Sie ist überaus geradlinig (bei ihr muss »alles immer biegen und brechen«), sagt unumwunden, was sie denkt, und ihre Temperamentsausbrüche sind gefürchtet, besonders vom alten Grafen, der sie aus »allerpersönlichsten Erfahrungen« kennt und nach Möglichkeiten zu umschiffen sucht (5/37).
Stines Beziehung zu dem jungen Grafen Haldern sieht sie mit Sorge. Dass es keine Liebschaft ist, wie Stine ihr versichert, kann sie nicht beruhigen, steigert vielmehr ihre Sorge, denn »wenn’s hier sitzt (und sie wies aufs Herz), dann wird es was, dann wird es eklig«. Bei ihr selbst habe es »nie hier gesessen«, was sie für ein Glück hält, weil sie überzeugt ist, dass eine standesungleiche Liebe nur unglücklich enden kann. »Es hat nu mal jeder seinen Platz, un daran kannst Du nichts ändern, un daran kann auch das Grafchen nichts ändern.« Adelige seien »anders aufgepäppelt wie wir« und könnten »aus ihrer Haut nicht ‘raus« (10/57). Deshalb habe Stine, wenn sie die Beziehung nicht beende, nur die Wahl zwischen einer unglücklichen Liebe und einem unglücklichen Leben. Denn entweder werde Waldemar über kurz oder lang dem Druck seiner Familie erliegen, sie verlassen und eine standesgemäße Verbindung eingehen oder sie habe, wenn er »partout mit’n Kopp durch die Wand« wolle und sie heirate, »den Kladderadatsch erst recht«, nämlich das Leben an der Seite eines Unglücklichen. »Glaube mir Kind, von ’ne unglückliche Liebe kann sich einer noch wieder erholen und ganz gut ’rausmausern, aber von’s unglückliche Leben nich.« (10/58)
Deshalb ist sie auch sofort mit den Maßnahmen einverstanden, die der alte Graf plant, um Waldemar und Stine auseinanderzubringen, und sagt ihm ihre Unterstützung zu (vgl. 13/88), die dann allerdings nicht mehr nötig ist, weil Stine die Trennung inzwischen selbst vollzogen hat.