Napoleon (Bonaparte, Buonaparte)

Der französische Kaiser und Feldherr, für die Russen ein »Usurpator und Feind des Menschengeschlechts« (1/III,IX439), findet auch in den Augen des Erzählers kaum Gnade. Wohl stellt er seine Fähigkeiten als Feldherr nicht in Frage, bescheinigt ihm etwa mit Blick auf die Schlacht bei Borodino ausdrücklich, dass er in ihr »seine Aufgabe eines Repräsentanten der Macht ebensogut und noch besser erfüllt als in anderen Schlachten« (3/II,XXVIII,328). Aber an seiner Persönlichkeit lässt er kein gutes Haar, charakterisiert ihn als eitlen, selbstverliebten Menschen, der einer »künstliche[n] Schimäre von Leben« dient (3/II,XXXVIII,379), der »das Gute, die Schönheit, die Wahrheit« nicht versteht und deshalb auch die Bedeutung seiner Taten nicht ermisst, »die dem Guten und der Wahrheit viel zu sehr entgegengesetzt waren, allem Menschlichen viel zu fern, als dass er ihre Bedeutung hätte verstehen können« (3/II,XXXVIII,381).

Der abstoßenden Persönlichkeit korrespondiert ihre wenig anziehende äußere Erscheinung: Balaschow, der ihm im Juni 1812 ein Schreiben Alexanders I. überbringt, sieht eine »gedrungene Figur mit breiten dicken Schultern und Bauch und Brust«, kurzen Beinen und feisten Schenkeln, einer breiten Stirn, in die eine Strähne fällt, und mit einem »weiße[n], gedrungenen Hals«, das Ganze umgeben vom Duft des Eau de Cologne (3/I,VI,36), mit dem ihn seine Kammerdiener jeden Morgen besprühen müssen (3/II,XXVI,314).

Die Russen nennen Napoleon zum Zeichen, dass sie sein Kaisertum nicht anerkennen, Buonaparte, Bonaparte oder Bonaparti (vgl. z.B. 1/II,XV,306). Bei Hof und in Offizierskreisen ist die Adressierung kaiserlicher Noten an Napoleon Gegenstand von Witzeleien (vgl. 1/III,IX,439f.). Nach dem Frieden von Tilsit (1807) erkennt Russland den Status Napoleons an, was niemand schneller begreift als Boris Drubezkoi (vgl. 2/II,XIX,714), während Nikolai Rostow an seinem geliebten Zaren zu zweifeln beginnt und sich fragt, welchen Sinn die in den zurückliegenden Schlachten gebrachten Opfer nun noch haben (2/II,XXI,730). Im Haus des alten Fürsten Bolkonski spricht man weiterhin von Buonaparte (vgl. 2/III,XXV,848), wie Napoleon nach Beginn des Vaterländischen Krieges 1812 auch allgemein wieder genannt wird (vgl. 3/I,IX,63).

Die Freunde Andrej Bolkonski und Pierre Besuchow halten Napoleon anfangs für ein Genie und bewundern ihn. Das ändert sich 1812 nach dem Einmarsch der napoleonischen Armee in Russland.

Napoleon Bonaparte (1769-1821), seit 1799 Konsul, seit Dezember 1804 Kaiser der Franzosen, nach dem Ende der Befreiungskriege im April 1814 abgesetzt und nach Elba verbracht, im März 1815 Rückkehr nach Paris, nach der Niederlage bei Waterloo im Juni 1815 endgültiger Rücktritt und Verbannung nach St. Helena.