Humboldts Mutter
Mutter von Alexander und Wilhelm von Humboldt. Da ihr Mann schon früh verstarb, hat sie sich »bei niemand anderem als Goethe erkundigt, wie sie ihre Söhne ausbilden solle.« (19) Doch Goethes nebulöse Antwort versteht sie genau so wenig zu deuten wie alle anderen auch.
Während Alexander von Humboldts Zeit in Freiberg, kurz nachdem er die Respirationsmaschine entwickelt hat, wird er an das Sterbebett seiner Mutter gerufen: »Wie es sich gehörte, ritt er auf dem schnellsten Pferde, das zu bekommen war.« (34) Bei seiner Ankunft, sein Bruder kommt nicht, ist ihr Zustand sehr schlecht: »Die Auszehrung hatte sie innerlich verbrannt, ihre Wangen waren eingefallen, ihr Kinn war lang und ihre Nase plötzlich krumm, an den Aderlässen war sie beinahe verblutet.« (35) In der Nacht schreit sie zwei Stunden lang. Am nächsten Vormittag sagt sie ihrem Sohn, »er solle sich gerade halten, so zu lümmeln sei doch keine Art«, und stirbt. (35)
Jahre später, während seiner Südamerikaexpedition, bei der Erkundung einer Höhle der Nachtvögel, in der die Toten leben sollen, sieht Alexander plötzlich die Gestalt seiner Mutter neben sich: »Er blinzelte, doch sie blieb länger sichtbar, als es sich für eine Sinnestäuschung gehörte. Den Umhang unter dem Hals festgeknotet, den Kopf schief gelegt, geistesabwesend lächelnd, Kinn und Nase so dünn wie an ihrem letzten Tag, in den Händen einen verbogenen Regenschirm.« (74) Erst nachdem er die Augen schließt und bis zehn zählt, verschwindet sie.
Im September 1828, bei der Séance, die Gauß und Humboldt besuchen, erscheint sie ihrem jüngsten Sohn erneut: »Sie sei sehr enttäuscht. Sein Werk werde ohne Bedeutung sein, sie wisse jetzt, daß er nur auf ihren Tod gewartet habe, um sich davonzumachen wie ein Herumtreiber, und in der Höhle damals habe er getan, als sehe er sie nicht.« (255)
Marie-Elisabeth von Humboldt, geb. Colomb, verw. von Hollwede (1741-1796)