Rostow, Nikolai Iljitsch (Nikolenka, Nikoluschka, Nicolas, Kolja, Koko)
Ältester Sohn von Graf Ilja Rostow und Gräfin Rostowa, Bruder von Vera, Natascha und Petja, Cousin von Sonja; später (1814) Ehemann von Prinzessin Marja. Zu Beginn der Geschichte ist er ungefähr 19 Jahre alt (vgl. 1/III,VI,413) und Student, aber schon im Begriff, in das Pawlograder Husarenregiment einzutreten (1/I,IX,72). Er ist ein hübscher, »nicht sehr großer, kraushaariger junger Mann mit offenem Gesicht«, das »Ungestüm und Begeisterung« ausdrückt (1/I,VIII,70). Er hat ein aufbrausendes Temperament, das zu beherrschen ihm auch noch im fortgeschrittenen Alter Mühe macht (vgl. E/I,VIII,959f.), und kennt »in seinem Urteil und seinen Gefühlen kein Mittelmaß« (2/IV,VI,884).
Zunächst Junker unter dem Befehl Denissows, mit dem er sich rasch anfreundet, brennt er darauf, sich als mutiger Soldat zu beweisen. Während der Schlacht bei Schöngrabern im November 1805 wird er am Arm verletzt und rettet sich mit knapper Not vor der Gefangennahme (1/II,XIX,328-330). Er wird zum Offizier befördert (1/III,VI,407). Anders als sein Jugendfreund Boris Drubezkoi verschmäht er es, durch Beziehungen voranzukommen, und wirft ein Empfehlungsschreiben fort, das ihm die Mutter beschafft hat (1/III,VII,420). Er hegt eine schwärmerische Liebe und Begeisterung für seinen Kaiser Alexander (1/III,VIII,430) und möchte für ihn sterben (1/III,VIII,431; X,445 und 448f.). Als er ihm nach der Schlacht bei Austerlitz abseits der Schlachtfelder nur in Begleitung eines Offiziers begegnet, wagt er nicht, ihn anzusprechen (1/III,XVIII,504f.).
Anfang 1806 reist er auf Urlaub nach Moskau, freundet sich mit Dolochow an, dem er beim Duell gegen Pierre sekundiert (2/I,IV,548) und der es ihn wenig später hart entgelten lässt, dass er bei Sonja keine Chancen hat, weil sie ihren Vetter abgöttisch liebt: Er nimmt Rostow beim Kartenspiel 43.000 Rubel ab (2/I,XIV,594). Rostows Verhältnis zu Sonja ist ambivalent. Ihre Liebe und die Absage an Dolochow schmeicheln ihm (2/I,XI,581), auch erklärt er ihr seine Liebe, gibt ihr aber kein Heiratsversprechen (2/I,XI,582), wozu wohl auch der Wunsch der Mutter beiträgt, dass er reich heiratet, um die Familie vor dem Ruin zu bewahren.
Die Rückkehr zum Regiment Anfang 1807 enthebt ihn aller Gefühlskomplikationen, die Welt des Militärs, die ihm keine eigenständigen Entscheidungen abverlangt, kommt seinem Naturell entgegen (2/II,XV,692f.; vgl. auch 2/IV,I,855f.). Er besucht den von einem Kriegsgerichtsverfahren bedrohten Denissow im Hospital und überbringt dessen Bittgesuch an den Kaiser, das jedoch abschlägig beschieden wird (2/II,XX,724). Bei dieser Gelegenheit trifft er Boris Drubezkoi, den Freund aus Kindertagen, dessen Verhalten ihn befremdet und mit dem für ihn »alles aus« ist, als deutlich wird, dass Boris ihm in Denissows Sache nicht zu helfen bereit ist (2/II,XX,720).
Im Frühjahr 1810 nimmt er für fast ein Jahr Urlaub und reist nach Hause, um der Bitte der Mutter nachzukommen, die zerrütteten Finanzen der Familie zu ordnen (2/IV,I,857). Außer einem folgenlosen Zusammenstoß mit dem Verwalter Mitenka (2/IV,II,861f.) unternimmt er aber nichts und widmet sich stattdessen der Jagd (2/IV,II,863). Beim weihnachtlichen Mummenschanz mit den Geschwistern verliebt er sich erneut in Sonja (2/IV,XI,926), hat ein heimliches Tête-à-Tête mit ihr (2/IV,XI,927f.) und erklärt seiner entsetzten Mutter, dass er sie zu heiraten beabsichtige (2/IV,XIII,932f.).
Im Januar 1811 kehrt er zu seinem Regiment zurück in der festen Absicht, seinen Abschied zu nehmen und Sonja zu heiraten (2/IV,XIII,935), setzt diesen Plan aber nicht um, nimmt vielmehr auch noch am Vaterländischen Krieg 1812 teil und verspricht Sonja, nach dessen Beendigung seinen Abschied zu nehmen und sie zu heiraten (3/I,XII,81). In der Schlacht bei Ostrowo im Juli 1812 unternimmt er ohne Befehl einen erfolgreichen Angriff auf französische Dragoner und wird wider Erwarten nicht bestraft, sondern belobigt und mit dem Georgskreuz ausgezeichnet (3/I,XV,97f.).
Im August 1812 kommt er bei einem Ausritt mit Iljin und Lawruschka zufällig nach Bogutscharowo, wo die Bauern Prinzessin Marja an der Abreise hindern, und schüchtert die Bauern mit einem jähzornigen Auftritt so sehr ein, dass sie klein beigeben. Die Begegnung mit der Prinzessin berührt ihn, er denkt schon hier an eine Heirat (3/II,XIV,245). In Woronesch, wohin er bald darauf zur Rekrutierung von Pferden reist, sieht er sie wieder, ist erneut von ihr beeindruckt (4/I,VI,617f.), verwirft aber den Gedanken an eine Ehe, weil er sich an sein Sonja gegebenes Heiratsversprechen gebunden fühlt (4/I,VII,623). In dieser Situation erreicht ihn ein Brief Sonjas, in dem sie ihn von diesem Versprechen entbindet (4/I,VII,624f.).
Nach dem Krieg und dem Tod des Vaters im Frühjahr 1813 hält ihn der vollkommene Ruin der Familie davon ab, um Prinzessin Marja zu werben (E/I,VI,949), ein Hemmnis, das die Prinzessin beherzt aus dem Weg räumt (E/I,VI,953f.). Beide heiraten im Herbst 1814 (E/I,VII,954) und ziehen nach Lyssyje Gory, wo sie mit der Mutter, Sonja, Marjas Neffen Nikolai und bald auch drei Kindern leben. Rostow ist nun Landwirt mit Leib und Seele, begleicht die väterlichen Schulden innerhalb von drei Jahren, ohne etwas von dem Besitz seiner Frau zu verkaufen, und kann nach weiteren drei Jahren in Verhandlungen über einen Rückkauf des elterlichen Guts Otradnoje eintreten (E/I,VII,954).