Eich, Christian

Er tritt als erste der Romanfiguren in Erscheinung, er ist die Hauptperson, in sein Inneres gewinnen die Leser am meisten Einblick (21 ff.). Er ist 36, wohnt in der Wohnung einer früheren Freundin in der Eberswalder Straße, einer lauten, neonerleuchteten Gegend.

Christian führt seinem Freund aus der Schulzeit, Jakob Schüssler, ein Video von 1978 vor, das den toten italienischen Politiker Aldo Moro zeigt, von den Roten Brigaden erschossen. Viele Angehörige der Brigaden seien später nach Frankreich geflohen und hätten dort unter der Präsidentschaft Mitterands Asyl gefunden. Christian, der von kleinen journalistischen und Werbe-Aufträgen lebt, sucht Kontakt zu einem dieser ›Zeitzeugen‹, um ein großes Interview mit ihm zu machen (34). Er hofft darauf, dass Jakobs Universitätskollege Brenner ihm den Kontakt vermitteln kann (35 ff.).

Christian und Jakob sind zusammen in der rheinischen Provinz zur Schule gegangen und beide haben dann in den 80er Jahren ihr Rebellentum mit harter Musik, Drogen und Alkohol ausgelebt (40, 133). Trotzdem haben sie ihr Studium beendet, Christian mit Jakobs Hilfe. Christian schreibt an einem Roman, lebt ziemlich chaotisch und desorientiert, verdient wenig, teilt ein schäbiges Büro mit zwei anderen, raucht zuviel. Laut Jakob kann er sich nirgends etablieren, beendet nichts (92). Der Umgangston der Freunde ist vertraut, kritisch, oft heftig. Zu Jakobs Geburtstag bringt Christian ihm eine alte Konzertkarte für die »Clash« mit, für die sie sich mit 15 in Düsseldorf begeisterten (172 ff.).

Am zweiten Tag rast er mit dem Rad durch die Stadt, u.a. zu einer Galerie, in der Constanze arbeitet (76). Dann fährt er zu Jakob, um ihn dazu zu bewegen, ihm über seinen Kollegen Brenner Kontakt zu den Roten Brigaden zu verschaffen. Dabei stößt er buchstäblich mit Jakobs Studentin Nele zusammen (83 f.).

Er trifft verschiedene Freunde in der Stadt, abends sieht er sich wieder Videos von den Roten Brigaden im Internet an, die Dokumentation der Prozesse geht bis 1986. Er nennt die ›Kämpfer‹ »Genossen der Zeit«, »Irrläufer der Geschichte. Die auf ihrer erdabgewandten Seite gelandet sind« (127).

Jakob hat zur Geburtstagsparty geladen. Unter den ihm durchaus bekannten Gästen bleibt Christian allein, sucht aber den Augenkontakt mit Nele, die auch allein herumsteht (169). Später trifft er sie in einer Ecke und sie tauschen abstrakte gesellschaftskritische Sätze, auch Blicke (180 ff.). Christian ist getroffen, aber sie werden gestört, und dann ist Nele nach Hause gefahren (189). Enttäuscht sucht er zuhause im Internet wieder die Spuren der Roten Brigaden und findet in einer italienischen Zeitung die Darstellung eines Polizistenmords im Zug, der anscheinend erst kürzlich geschah (200).

Zufällig sieht er Nele bald darauf in Kreuzberg, als sie mit dem Rad vom Schwimmen kommt. Sie ist abwechselnd kratzbürstig und freundlich, trinkt aber einen Kaffee mit ihm und begleitet ihn zur U-Bahn (219 ff.). Er bittet sie um eine Übersetzung aus einer italienischen Zeitung, sie erledigt das sofort und zeigt sich interessiert an seinem Projekt, mit den jetzt bürgerlich etablierten alten Kämpfern der Roten Brigaden zu reden (238). Es folgt eine Verabredung an der Skalitzer Straße, sie verbringen den Tag dann auf einer vertrockneten Wiese mit Reden bis Mitternacht (246, 256 ff.). Christian erscheint sie »überirdisch« (265).

Kurz darauf gehen sie abends ins Kino, dann nach Kreuzberg. Auf einer Bank nachts im einsamen Park werden sie sehr irdisch von ihrem Verlangen überwältigt (282 ff.). Das wiederholt sich in seiner Wohnung und in ihrer (306). Inzwischen hat Christians frühere Freundin Carolin ihm die Wohnung zum 1. August gekündigt (290 ff.).

Nele ist dann für ein paar Tage weggefahren und unerreichbar. Christian sieht im Internet schwere Krawalle in Zürich mit Verletzten (322), ahnt nichts von Neles Beteiligung, auch nicht nach ihrer Rückkehr (365).

Ein von Brenner vermittelter Kontaktmann zu den ehemaligen Roten Brigaden meldet sich telefonisch, und Christian wird wie im Indianerspiel kreuz und quer durch Berlin geschickt, zum Ostkreuz, dann zur Stralauer Insel, bis er schließlich einen Mann trifft, der ihm weitere Informationen zusagt (312 ff.).

Später wird er wieder von Kontaktleuten durch Berlin gehetzt, trifft auf einen durchaus bürgerlichen Typ, der ihn anweist, am 26. Juni in einem Hotel am Boulevard Garibaldi in Paris zu sein, dann das Internet zu beobachten (360 ff.). Mit Jakob wird er von Brenner eingeladen, das alte Haus bei Küstrin anzusehen, das Brenner kaufen will (392 ff.). In Berlin wird ihm eine Wohnung in der Metzer Straße angeboten, er hat auch einen Kredit aufgenommen (409).

Nach der Beerdigung seines Jugendfreundes Martin im Ruhrgebiet fährt Christian in Begleitung Neles nach Paris, wo er auf den versprochenen Kontakt zu jemandem von den Roten Brigaden hofft (422 ff.). Man schickt ihn herum, fährt ihn mit einem Auto irgendwohin, er trifft niemanden (441). Nele hat inzwischen von der Verhaftung Holgers gehört und geht weg (444). Aber am Ende kommt sie wieder zu ihm zurück (456).