Kürenberg, Ilse
Frau des berühmten Dirigenten Kürenberg. Sie stammt aus derselben Stadt, in der Friedrich Wilhelm Pfaffrath in den dreißiger Jahren mit seiner Familie als Oberpräsident der Provinz lebte und deren Oberbürgermeister er jetzt ist; sie ist die Tochter des jüdischen Warenhausbesitzers Aufhäuser, für den ihr Mann bei Pfaffrath vergeblich um Hilfe nachgesucht hatte und der später von den Nationalsozialisten ermordet wurde (II, 420, 434). Dass Siegfried ein Sohn Pfaffraths ist, erfährt sie erst in Rom (II, 434). Kürenberg war um ihretwillen emigriert, beide lebten lange in England und führen jetzt ein Nomadenleben, das sie rund um die Welt, von Konzert zu Konzert, führt.
Siegfrieds Musik, die Kürenberg in Rom zur Uraufführung bringen will, gefällt ihr nicht, sie beunruhigt sie, es »war ein Ton da, der sie wehmütig machte. […] Sie wollte nicht leiden. Nicht mehr. Sie hatte genug gelitten« (II, 403). Nachdem sie beim gemeinsamen Kochen mit Siegfried erfahren hat, dass Siegfried der Sohn jenes Friedrich Wilhelm Pfaffrath ist, der sich geweigert hatte, ihren Vater vor der Verfolgung zu retten (II, 433-435), fällt es ihr schwer, ihn unvoreingenommen zu betrachten. »Dieser junge Mann aus meiner Stadt schreibt Symphonien, und sein Großvater hat vielleicht am Spinett gesessen oder die Flöte gespielt, aber sein Vater hat meinen Vater erschlagen« (II, 439). Später macht sie sich deswegen Vorwürfe, nimmt sich ihre innere Abwehr gegen Siegfried übel und fragt sich, ob sie damit nicht ihrerseits demselben Ressentiment, derselben »Simplizität des in Gruppen Denkens« aufsitzt wie einst ihre Verfolger (II, 567).
Beim Konzert sitzt sie in der Loge neben Adolf Judejahn, den sie zwar als katholischen Geistlichen erkennt, der ihr aber trotzdem »wie der rebellierende Luther« vorkommt (II, 535). Erneut kann sie Siegfrieds Musik wenig abgewinnen und weiß jetzt, warum: »Es war zu viel Tod in diesen Klängen« (II, 535), sogar »eine perverse Hingabe an den Tod« (II, 536). Am Ende applaudiert sie nicht, sondern hält »die Hände ruhig im Schoß« (II, 540). Sie geht zu ihrem Mann ins Dirigentenzimmer und gratuliert Siegfried mit kalter Hand (II, 542). Als die Pfaffraths und Gottlieb Judejahn den Raum betreten, fühlt sie sich, als »bräche eine Mauer auf, hinter der man Gespenster eingemauert hatte« (II, 543). Besonders Judejahn fällt ihr auf, »der Mann der Endlösung, der sie mit entkleidenden Blicken ansah« (II, 543). Sie bittet ihren Mann, mit ihr fortzugehen.
Zurück im Hotelzimmer badet sie und stellt sich nackt ans offene Fenster, spürt den Wind und hat das Gefühl, standgehalten zu haben: »Sie hatte dem Sturm widerstanden« (II, 567). Am nächsten Tag steht sie erneut, eingehüllt in einen weißen Frisiermantel, am Fenster, wo Judejahn sie von einem Hotelfenster gegenüber aus zufällig entdeckt und erschießt (II, 576).