Ptach
Ptach, »der Gewickelte«, ist Hauptgott von Menfe und bildet mit seiner löwenköpfigen Gemahlin Sachmet und beider Sohn Nefertêm die »Dreiheit von Menfe« (IV, 750). Sein Tempel wurde schon vom ›Urkönig‹ Meni (Menes) erbaut »und stand hier also viel länger schon als draußen die Pyramiden, seit Tagen, hinter die kein Mensch zu blicken vermochte« (IV, 746).
Auf Ptachs Bedeutung als Ur- und Schöpfergott (vgl. Erman, 25 f.; ErmanAeRe, 20) wird im Roman nicht explizit Bezug genommen, wohl aber auf seine Rolle als »Schutzherr der Bildmetzen und Handwerker«, als Künstlergott. Ptach selbst ist Künstler, von ihm heißt es, »daß seines Herzens Pläne verwirklicht und seine Gedanken ausgeführt würden« (IV, 750). Kunstwerke sind die »ausgeführten Gedanken« des Gottes (V, 1097; vgl. auch Erman/Ranke, 83).
Entsprechend ist Ptachs »große Wohnung« in Menfe »lauter Bild«, sind die Hallen und Höfe des Tempels von Ptachs Bild gewordenen Gedanken nur so »bevölkert«, und Joseph, dem es nach seinem Glauben verboten ist, sich ein Bildnis zu machen, war noch nie »so sehr im Verbotenen gewandelt wie hier« (IV, 750). Ptach selbst ist »an den lückenlos überzauberten Wänden hundertmal dargestellt in seinem Kapellenschrein: von Menschengestalt allerdings, aber sonderbar puppenhaft und von gleichsam abstrakter Form, in einbeiniger Seitenansicht mit langem Auge, den Kopf mit einer eng anliegenden Kappe bedeckt, am Kinn den künstlich befestigten Keil eines Königsbartes.« Seine Gestalt »schien in einem Futteral, einem engen, entformenden Überzuge zu stecken, schien, offen gestanden, gewickelt und balsamiert ...« (IV, 751). Das lässt Joseph darüber mutmaßen, ob die Stadt Menfe »ihren Grabesnamen nicht nur um der Pyramide willen (verdiente), nach der sie hieß, und nicht nur ihrer Gewesenheit halber, sondern besonders noch und eigentlich erst als Haus ihres Herrn« (IV, 752).
Allem Bilderreichtum des Künstlergottes zum Trotz darf das Volk kein Bildnis des Ptach sehen, und selbst »wenn er Prozession hielt in seiner Barke und bei einer anderen hier ansässigen Gottheit Besuch ablegte, war sein Standbildchen hinter goldenen Vorhängen verborgen und nur die Priester, die seinen Dienst taten, kannten sein Angesicht« (IV, 749).
Anschauung des Gottes bietet dagegen Chapi (Apis), der große Stier von Menfe. Er ist »Ptachs lebende Wiederholung« (IV, 755), und die kann Ptach, meint Joseph, »wohl brauchen, da er selber offenkundig gewickelt ist und ist eine Leiche« (IV, 760). Chapi bringt seine Tage im Ptach-Tempel zu, im »Lampendämmer seines Kapellenstalles« (IV, 752). Nach seinem Tod wird er einbalsamiert und im »ewigen Hause der Gottesstiere« beigesetzt (IV, 757). Dem Volk wird er beim Apis-Opfer regelmäßig vorgeführt, »daß es leben sähe den Gott und man ihm Opfer brächte« (IV, 752). Joseph wird bei seinem ersten Aufenthalt in Menfe Zeuge einer solchen Veranstaltung und lernt dabei den Bäckermeister Bata kennen, den er über Glauben und Gebräuche der Ägypter ausfragt (IV, 752-760).
Besonders interessiert ihn das Verhältnis zwischen dem gewickelten Gott in seiner Kapelle und seiner ›lebenden Wiederholung‹ im Kapellenstall, mehr noch die Frage, wie sich denn Chapi nach seinem Tod zu dem gewickelten Gott verhalte, der doch augenscheinlich auch eine Leiche sei, so dass also beide, der Gott wie auch seine ›lebende Wiederholung‹, tot und zu Usir geworden seien. Bata weiß so verwickelte Fragen nicht recht zu beantworten, berichtet stattdessen vom Ritual der Mundöffnung, das täglich an Ptachs Statue vollzogen werde, was wiederum Josephs Nachfrage provoziert, wie denn der Dienst an den menschlichen Toten aussehe. Bata erzählt ihm treulich dasselbe Ritual noch einmal, und Joseph, der mit seinen Fragen auf die Einheit von Göttern und Menschen hinaus will, bedankt sich mit (unbemerkter) Ironie: »Darin besteht also der Unterschied zwischen dem Dienst der Götter und dem der Toten« (IV, 758 f.).
Als »Stummer Diener« für Potiphars Eltern muss Joseph »wie eine Figur des Ptach« sein, starr wie eine Statue (IV, 846).
Der frisch verliebten Mut-em-enet scheint Josephs schöner Jünglingskörper »nicht der Fleischeswelt, sondern der reineren Welt von Ptachs ausgeführten Gedanken anzugehören« (V, 1097). Doch im zweiten Jahr ihrer Leidenschaft gilt ihr diese ›reinere Welt‹ der Kunst nichts mehr und sie hält Joseph Vortrag über die Vorzüge der lebenden Gestalt: »Unvergleichlich blühender ist unsere Neigung zu der schönen Lebensgestalt denn zu der Dauerschönheit der Bilder aus den Werkstätten des Ptach, und wie willst du das Herz wohl lehren, daß der Stoff des Lebens geringer und schnöder sei als der Dauerstoff seiner Nachbilder?« (V, 1131).
Echnatôn lebt mit Ptach, wie auch »mit den übrigen uralten und urverehrten Landesgottheiten, ausgenommen höchstens das Sonnenhaus zu On, [...] in hoffnungslosem Zerwürfnis« (V, 1813).
Über Ptah (und Chapi) fand TM Informationen bei Erman/Ranke, S. 31, 83, 294, 299, 312, 331 f., 484, 504; vgl. auch Erman, 25 f., 58, 91-93; 333, 385-387; ErmanAeRe, S. 20, 29, 33, 43 f., 46-48, 67 f., 91, 190-192, 196 f. – Abb.: (1) Ptah auf einem Relief an der südlichen Außenwand des Karnak-Tempels. – (2) Ptah auf einem Blatt des Papyrus Harris.