Gieshübler, Dr. Alonzo
Inhaber der »Mohrenapotheke« in Kessin, »ein kleiner, schiefschultriger und fast schon so gut wie verwachsener Herr« (8/70), »unsere beste Nummer hier«, wie Innstetten bemerkt, »Schöngeist und Original und vor allem Seele von Mensch« (6/58). Er macht Effi gleich an ihrem ersten Tag in Kessin seine Aufwartung und erliegt ihr augenblicklich (vgl. 8/71-74). Fortan ist er ihr ergebener Freund, lässt ihr durch seinen Diener, den er nach einem afrikanischen »Räuberhauptmann« Mirambo nennt, fast täglich kleine Aufmerksamkeiten – Blumen, Konfekt, Zeitungsausschnitte, Modejournale – bringen und ist für sie der einzige Lichtblick in der ansonsten wenig attraktiven Kessiner Gesellschaft: »Ich steh‘ und falle mit Gieshübler. Es klingt etwas komisch, aber er ist wirklich der einzige mit dem sich ein Wort reden läßt, der einzige richtige Mensch hier.« (9/78)
Gieshübler ist Junggeselle, sein »romantischer Name« (8/73), Alonzo, widerspricht seinem prosaischen Nachnamen wie seinem verwachsenen Körper, der ihm von Jugend an Entsagung zugedacht hat. Er sei »eigentlich nie jung gewesen«, lässt er Effi wissen, und das sei »das traurigste« an seinem Los. »Man hat keinen rechten Mut, man hat kein Vertrauen zu sich selbst, man wagt kaum, eine Dame zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegenheit ersparen will, und so gehen die Jahre hin, und man wird alt, und das Leben war arm und leer.« (vgl. 8/72)
Dennoch geht ihm jede Neigung zu Bitterkeit ab. Gieshübler, ein Menschenfreund, kompensiert sein Defizit mit kultivierten Umgangsformen (vgl. 11/105), einem ausgeprägten Sinn für die gute Küche (vgl. 11/106) und mit einer sorgfältig gepflegten Liebe zum Schönen, zum Naturschönen – er zieht Blumen in seinem Treibhaus – wie zum Kunstschönen. Sein ganzer Stolz ist Marietta Trippelli, seine »enthusiastisch« geliebte »Künstlerfreundin« (11/105), deren Gesangstalent er früh erkannt und gefördert hat (vgl. 10/100) und die er auch weiterhin unterstützt (vgl. 15/141 f.). Er ist Stadtrat und Magistratsmitglied und Mitglied der städtischen Ressource.
Effis Schicksal erschüttert ihn tief. »Er konnte sich nicht beruhigen, und zuletzt brach der kleine Mann in Tränen aus«, berichtet Wüllersdorf nach dem Duell (29/289). »Der liebenswürdigste Pucklige, den ich je gesehen. […] Es wäre zu wünschen, daß es mehr Gieshübler gäbe. Es giebt aber mehr andere.« (Ebd.)