Schorlemmer, Brigitte (Tante Schorlemmer)
Haushälterin auf Hohen-Vietz, die Berndt von Vitzewitz nach dem Tod seiner Frau 1806 eingestellt hatte und der besonders die Betreuung der damals 12-jährigen Renate oblag. Inzwischen hat sie den Status einer Familienangehörigen und ist, wie der Erzähler betont, »keine Nebenfigur in diesem Buche« (I, 6/ 53). Sie ist Herrnhuterin und hatte vor dreißig Jahren auf Wunsch der Brüdergemeinde einen Missionar auf Grönland geheiratet, Jonathan Schorlemmer, mit dem sie gut zehn Jahre auf Grönland gelebt hatte. Nach dessen Tod war sie nach Preußen zurückgekehrt und hatte bis zu ihrer Übersiedelung nach Hohen-Vietz in einer bescheidenen Wohnung in der Berliner Wilhelmstraße gelebt (vgl. I, 6/54). Sie ist in den Fünfzigern, meist »grau gekleidet mit weißem Tuch und kleiner Tüllhaube« (I, 3/30) und in freien Stunden mit dem Stricken von Schals für ›meine Grönländer‹ beschäftigt (I, 6/53).
Freude zu verbreiten und »einen öden Tag minder öde zu machen«, ist ihr nicht gegeben (I, 3/29), »aber Ruhe und Friede waren in ihrem Geleit« (I, 6/54 f.). Alle Familienmitglieder schätzen sie sehr, nur über ihr Christentum gehen die Meinungen auseinander: Während Berndt »tiefen Respekt vor ihrem Herrnhuterthume« hat und ihre Leidenschaftslosigkeit als Wohltat empfindet, ist es gerade diese Leidenschaftslosigkeit, die die Geschwister stört, weil sie in glücklichen wie unglücklichen Stunden anstelle von Worten der Teilnahme und des Mitgefühls christliche Sprüche bereithält. In Lewins und Renates Augen »gebrauchte sie ihr Christenthum wie eine Hausapotheke«, und der Erzähler, der die »treffliche Dame« sichtlich schätzt, kann nicht umhin zuzugestehen, dass darin »etwas Wahres« liegt (I, 6/55).
Sie beruhigt die fiebernde Renate mit der Geschichte von Kajarnak, dem ersten getauften Grönländer (vgl. II, 16/304-311). Als Lewin krank im Bohlsdorfer Krug liegt, quartiert sie sich mit Renate dort ein und pflegt ihn. Sie sympathisiert mit dem Konventikler Uhlenhorst und seinen Anhängern. Generalmajor von Bamme verabscheut sie; als er sich auf Hohen-Vietz einquartiert, weist sie alle weiblichen Dienstboten des Hauses »aufs schärfste« an, sein Zimmer »auch bei heftigem Klingeln« nicht zu betreten (IV, 9/320). Von Marie verlangt sie, sein Erbe zurückzuweisen (vgl. IV, 28/497).