Vitzewitz, Renate von
Tochter von Berndt von Vitzewitz, Schwester von Lewin von Vitzewitz. Wie ihr Bruder hat sie »Augen, aus denen Phantasie, Klugheit und Treue sprachen« (I, 3/28). Mit Marie Kniehase, ihrer »Spiel- und Schulgenossin«, verbindet sie von Kindheit an eine innige Freunschaft, beide »liebten sich wie Schwestern« (I, 10/93 f.). Gewöhnt an das bescheidene gesellschaftliche Leben auf Hohen-Vietz und Schloss Guse, erscheint ihr das Berliner Gesellschaftsleben, um das sie ihre Cousine Kathinka beneidet, nur umso glänzender (vgl. II, 14/268 f.). Nach Neujahr berichtet sie Lewin in einem langen Brief von dem Brand des Saalanbaus, bei dessen Anblick ihr das Herz unerklärlicherweise »wie vor Freude« höher geschlagen habe (III, 9/129). Sie pflegt Lewin nach seinem Zusammenbruch im Bohlsdorfer Krug. Nach dem Tod von Tante Amelie Ende Januar 1813 eröffnet ihr Vater ihr die Aussicht, Erbtochter auf Schloss Guse zu werden, sobald sie heiratet.
Der »Familienplan« Tante Amelies, die sie mit Tubal von Ladalinski (und deren Schwester Kathinka mit Lewin) verheiratet sehen möchte (vgl. II, 4/191), kommt ihrem Herzen entgegen, sie liebt Tubal, aber es ist eine »Liebe ohne Vertrauen« (IV, 7/299). Kathinkas Flucht wirft zusätzliche Schatten auf ihr Verhältnis zu Tubal. Was ihr »ahnungsvoll das eigene Herz bedrückte«, als er Anfang Februar nach Hohen-Vietz kommt, spricht Marie aus: »Er liebt dich und ist doch seiner eigenen Liebe nicht sicher. Voller Mißtrauen gegen sich selbst, begegnet er dir mit Scheu. Vielleicht, daß er es dir offen bekennen wird, um wenigstens vor sich selbst einen Halt und etwas, das einer Rechtfertigung ähnlich sieht, gewonnen zu haben.« (IV, 9/321 f.) Schon am nächsten Tag trifft Maries Prophezeiung ein (vgl. IV, 10/329 f.), und Renate versichert ihn zwar ihrer Gebundenheit, bittet ihn aber, sich seinerseits jetzt nicht zu binden, sondern abzuwarten: »Und hast du dann das eigene Herz geprüft und das meine vertrauen gelehrt, dann, ja dann!« (IV, 10/330) Sein Liebesgeständnis macht sie gleichwohl glücklich: »Er liebte sie. Was bedeutete daneben die Frage nach der Dauer oder nach der Treue seines Gefühls?« (IV, 11/332). An seinem Sterbebett spricht sie auf seinen Wunsch die 9. Strophe des Passionsliedes »O Haupt voll Blut und Wunden« (IV, 24/466). Tubals Tod trifft sie tief.
Wie man am Ende des Romans aus ihrem Tagebuch erfährt, lebt sie bis zum Tod ihres Vaters auf Hohen-Vietz, das danach von Lewin und Marie übernommen wird, während sie, weil sie »nicht die Tante Schorlemmer ihres Hauses« sein möchte, in das adelige Damenstift Kloster Lindow zieht. Dort ist sie auch gestorben und beerdigt, wie der Grabstein erzählt, den der Erzähler bei einer Besichtigung des inzwischen in Trümmern liegenden Klosters entdeckt (IV, 28/498).