Wolfgang Koeppen: Das Treibhaus (1953)

Besucher des Bundeshauses

Einer der Teilnehmer an einer Führung durch das Bundeshaus, der das Parlament als »Quasselbude« bezeichnet (II, 266). Keetenheuve, der sich der Besuchergruppe unerkannt angeschlossen hat, weist ihn scharf zurecht, worauf der Mann rot anläuft. »Er drückte sich von Keetenheuve weg. Wenn er den Abgeordneten Keetenheuve erkannt hätte, würde er denken: Ich merk' Sie mir, Sie stehen auf der Liste, am Tage X, im Sumpf und auf der Heide« (II, 267).

Bierbohm

Bundestagsabgeordneter für Keetenheuves Partei. Als Ausschussroutinier reagiert er missbilligend, als Keetenheuve zu spät zur Sitzung kommt, auf der der Neubau von Bergarbeitersiedlungen besprochen werden soll. Wie sein Kollege Heineweg befürwortet Bierbohm die »Mindestkosten, die Mindestquadratmeter, die Mindestwohnung«, er ist »für das Schrebergartenglück« (II, 313). Für Keetenheuve sehen Heineweg und Bierbohm »wie kleine Spieler aus, die mit geringem Einsatz […] vom Glück das Tagegeld erpressen wollten. Dabei ging das Spiel um Menschen, um große Summen und um die Zukunft« (II, 311). In der Plenarsitzung beschränkt sich Bierbohms politisches Wirken auf einen Zwischenruf.

Dana, Philip

Der »Nestor der Korrespondenten«, der »seit vierzig Jahren bei allen Kriegen und allen Konferenzen, die den Schlachten folgten und den neuen Angriffen vorangingen, dabeigewesen« ist (II, 279). Bei ihm kann man nicht sicher sein, ob er selbst eine so imposante Persönlichkeit ist oder ob nur die Wirkung von den wichtigen Leuten, mit denen er spricht, auf ihn abfärbt. Nach seinem Exil in London hat Dana ein Buch über Hitler geschrieben, »das er als Bestseller plante und als Bestseller absetzte« (II, 281). Nun arbeitet er in Bonn, das sein »Altenteil; vielleicht sein Grab« (II, 281) ist. 

Keetenheuve, der ihn schon aus seinen Zeiten beim »Volksblatt« kennt, trifft ihn nach seinem Gespräch mit Mergentheim in den Pressebaracken. Dana führt ihn in sein Büro und gibt ihm die brisante Information über ein Interview der Generale des Conseil Supérieur des Forces Armées, in dem sich englische und französische »Siegergeneräle« für eine »Verewigung der deutschen Teilung« aussprechen (II, 281). Allerdings ist Keetenheuve offensichtlich nicht der einzige, dem er diese ›vertrauliche‹ Mitteilung macht, denn bevor Keetenheuve den Fall für seine Bundestagsrede nutzen kann, steht er schon in der Zeitung, in einem von Mergentheim verfassten Artikel.

Dörflich

Fraktionsloser Bundestagsabgeordneter. Er ist wegen einer Affäre aus seiner Fraktion ausgeschlossen worden, nimmt aber sein Mandat weiterhin wahr (II, 356 f.). Gleich nach dem Fraktionsausschluss hat er im Wohnghetto der Abgeordneten ein Milchgeschäft eröffnet, um sich ein zweites Standbein zu schaffen und für den Fall, dass er nicht wiedergewählt wird, eine Existenz zu sichern (II, 357). Keetenheuve hält für einen verkappten Alt-Nazi.

Dörflich marschiert gern »mit den stärkeren Bataillonen«, aber seit seinem Ausschluss aus der Fraktion biedert er sich bei »den Unzufriedenen im Lande« an, um seine Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Keetenheuve befürchtet deshalb, dass er bei der Debatte über den Sicherheitspakt mit der Opposition stimmen könnte und »schämte sich eines solchen nach altem Nazismus riechenden und neuem Nazitum zustrebenden Verbündeten (II, 358).

Erich

Bekannter Keetenheuves aus seiner Jugend, ein Kommunist, der den jugendlichen Keetenheuve mit einer Einladung in das Gewerkschaftshaus seiner Heimatstadt zu politisieren und für seine revolutionären Ideen zu begeistern versucht hatte. Keetenheuve hatte sich nach dieser Begegnung als ein Revolutionär gefühlt, aber »nie kam es zu der Erhebung, von der die Knaben träumten« (II, 245). 

Erich war ein »kleiner verhärmter Mann mit einem großen Schnauzbart, der für sein eingefallenes Gesicht zu gewaltig war, um Respekt einzuflößen« (II, 245). Er »war umgekommen. In der kleinen Stadt hatte man später eine Straße nach ihm genannt; aber die Leute, stumpfsinnig, engherzig, vergeßlich wie eh und je, nannten die Gasse weiter die Kurze Reihe« (II, 245). Keetenheuve hat Zweifel, ob Erich bei seinem Tod den »Glauben der Jugend« noch hatte, glaubt eher, dass es der »Ekel war […], der ihn tötete« (II, 245).

Forelle, Doktor

Kassenarzt im Berliner Wedding, an den Keetenheuve sich während der Zugfahrt nach Bonn erinnert. »Er ekelte sich vor den Körpern, arbeitete seit Jahrzehnten an einer psychoanalytischen Studie über Swift und legte am Abend Watte um seine Türschelle, um ja nicht zu einer Geburt geholt zu werden. Nun lag er mit all den verabscheuten Leibern zusammen unter den Trümmern der Mietskaserne« (II, 252).

Frost-Forestier

Geheimdienstmann, Mitglied der Regierungspartei und Verehrer Friedrichs des Großen. Er hat »keinen amtlichen Titel« (II, 295). Er erscheint stets wie eine hocheffiziente, »von starken Spannungen bewegte Maschine« (II, 357), deren Abläufe bis ins kleinste Detail programmiert sind. In seiner Härte und Disziplin haftet ihm zusätzlich ein gewisser Militarismus an. So herrscht Frost-Forestier »über ein Heer; doch war es ein Heer von Sekretärinnen, das er in Atem hielt« (II, 294). Im Krieg hatte er eine Funktion im Oberkommando des Heeres inne (OKH). 

Nach seiner Morgenroutine (II, 241-244) begibt sich Frost-Forestier an seinen mit mehreren Tonbandgeräten und Kameras ausgestatteten Schreibtisch und »begann zu denken, er begann zu arbeiten. Drei Stunden lagen vor ihm, drei ungestörte Stunden, die wichtigsten des Tages, er konzentrierte sich, er bewältigte viel« (II, 244).

Mittags bestellt er Keetenheuve zu sich und lädt ihn in das für seine schlechte Küche berüchtigte Casino ein. »Es war Taktik von Frost-Forestier (eine billige Taktik), den Abgeordneten, dessen gourmandise Neigungen bekannt waren, in das Casino zu bitten. Er wollte Keetenheuve an die dürftigen Schüsseln erinnern, zu denen man hinabsinken konnte« (II, 295). Er bietet Keetenheuve den Posten als Botschafter in Guatemala an. »Was für Aussichten! Wenn Keetenheuves Partei bei den Wahlen siegte, war Keetenheuve Außenminister. ›Und wenn die Regierung wieder wechselt, werden Sie unser Botschafter in Moskau!‹ Frost-Forestier glaubte nicht an den Wahlsieg der Opposition« (II, 299). 

Am Abend wird die »Fabrik Frost-Forestier […] stillgelegt. Er turnte am Reck. Er stellte sich unter die Brause. Er frottierte den trainierten, den proportionierten Leib« (II, 348). Nachdem er den Wecker auf fünf Uhr dreißig gestellt hat, schläft er »wie auf Kommando ein« (II, 348).

Gerda

Soldatin der Heilsarmee, die zusammen mit der 16-jährigen Lena die zweite der beiden Weinstuben betritt, in denen Keetenheuve am Abend nach seiner Rückkehr nach Bonn einkehrt. Keetenheuve schätzt sie auf 25 Jahre und hält sie für lesbisch, was ihn sogleich gegen sie einnimmt. Sie hat ein »blasses, von Heimsuchungen gezeichnetes Gesicht«, in dem »streng ein fast lippenloser Mund verschlossen ruhte«, und eine androgyne Kurzhaarfrisur (II, 339 f). Keetenheuve wirft ein Fünfmarkstück in ihre Sammelbüchse und schämt sich. »Es war zuviel, und es war zuwenig« (II, 341).

Kurz darauf trifft er die beiden Mädchen auf der Straße wieder und begrüßt sie »wie alte Bekannte«. Gerda, die schon ahnt, dass er an Lena Gefallen gefunden hat, »zerbiß ihre schmalen blutlosen Lippen. Sie war wütend. Wie haßte sie die Männer, die in ihrer Vorstellung durch das unverdiente Geschenk des Penis toll gewordene Dummköpfe waren« (II, 345). Sie steht »verkniffenen Mundes« da, während Lena dem Fremden ihre Lebensgeschichte erzählt und er sich mit ihr für den nächsten Abend in der Weinstube verabredet, um ihr ein Empfehlungsschreiben zu geben.

Bei diesem zweiten Treffen in der Weinstube lässt die eifersüchtige Gerda Keetenheuve und Lena nicht aus den Augen. Keetenheuve fühlt sich trotz seiner Abneigung mit ihr verwandt und denkt: »Du bist meine Schwester, wir gehören beide zur selben armen Hundefamilie. Aber er haßte sein Spiegelbild« (II, 384). Gerda folgt ihnen zu einer Ruine, in der sie den Liebesakt der Beiden auf ihrer Gitarre mit dem »Lied vom himmlischen Bräutigam« begleitet (II, 386).

Hausbeamter (›Kanzler-Kanzlist‹)

Angestellter im Bundeshaus, der am Morgen von Keetenheuves Ankunft in Bonn eine Besuchergruppe durch das Parlamentsgebäude führt. Er trägt dunkle Dienstkleidung und sieht wie der Kanzler aus, »hatte ein etwas verkniffenes Gesicht, trocken, listig, mit Falten der Humorigkeit, er sah wie ein kluger Fuchs aus, und er sprach mit dem Dialektanklang des bedeutenden Staatsmannes« (II, 265). Er erklärt den Besuchern die Geschichte des Gebäudes und schlägt eine Brücke von der pädagogischen Akademie, die sich einst im Gebäude befand, zu der pädagogischen Wirkung des Parlaments. Aber die Besuchergruppe schenkt ihm wenig Beachtung.

Heineweg

Bundestagsabgeordneter für Keetenheuves Partei, sitzt gemeinsam mit Keetenheuve in dem Bauausschuss, der über den Neubau von Bergarbeitersiedlungen berät. Wie sein Kollege Bierbohm befürwortet Heineweg die »Mindestkosten, die Mindestquadratmeter, die Mindestwohnung«, er ist »für das Schrebergartenglück« (II, 313). Für Keetenheuve sehen Heineweg und Bierbohm »wie kleine Spieler aus, die mit geringem Einsatz […] vom Glück das Tagegeld erpressen wollten. Dabei ging das Spiel um Menschen, um große Summen und um die Zukunft« (II, 311). Am Ende der Sitzung ist er zufrieden mit dem geplanten »Schrebergartenglück« (II, 315), die Entscheidung wird vertagt. Heinewegs Bemerkung, man sei »wieder ein gutes Stück vorangekommen« (II, 319), erscheint Keetenheuve zynisch. Auch in der Plenarsitzung gibt sich Heineweg bereitwillig dem politischen Spiel hin und stellt einen Antrag, der zwar niedergestimmt wird, um den sich allerdings eine »zänkische, zähe Debatte« entwickelt (II, 367).

Interessenvertreter

Namenloser Repräsentant der Bundestagsabgeordneten, Fahrgast in dem Nachtzug, mit dem Keetenheuve zu Beginn des Romans nach Bonn reist (II, 250-252). Der »Interessenvertreter« verfolgt hauptsächlich Eigeninteressen, zu denen vor allem teures Essen, Alkohol und Frauen zählen. 

Kanzler

Der Kanzler tritt selten selbst in Erscheinung, ist aber als Kopf der Regierung stets präsent. Keetenheuve hält ihn für einen »kalten und begabten Rechner, dem nach Jahren ärgerlicher Pensionierung überraschend die Chance zugefallen war, als großer Mann in die Geschichte einzugehen«, aber er bewundert auch seine Leistung, »die Kraft, mit der ein alter Mann einen einmal gefassten Plan beharrlich […] verfolgte« (II, 367). Der Kanzler fühlt sich im politischen Klima des Treibhauses Bonn wohl und von der heimatlichen »Rheinluft gestärkt, die seine Gegner lähmte« (II, 355). 

Bei der Plenarsitzung, die eine Bühne für einen großen Auftritt bieten könnte, ist er »lustlos gestimmt und verzichtete auf Effekte. Er war kein Diktator, aber er war der Chef, der alles vorbereitet, alles veranlasst hatte«. Er spricht »müde und sicher wie ein Schauspieler auf der wegen einer Umbesetzung notwendigen Durchsprechprobe eines oft gegebenen Repertoirestückes« (II, 367). 

Keetenheuve, Elke

Ehefrau von Felix Keetenheuve, von deren Beerdigung dieser am Beginn des Romans nach Bonn zurückkehrt. Die Tochter eines Gauleiters wurde zum Ende des Krieges im Alter von sechzehn Jahren zur Waisen, als sich ihre Eltern mit einer »Todeskapsel« das Leben nahmen (II, 228). Keetenheuve fand sie in den Trümmern einer Ruine, die beiden verliebten sich und heirateten schließlich, obwohl nicht nur das Alter sie trennte: »Elke haßte mit der Zeit Keetenheuves viele Bücher, sie eiferte gegen die zahllosen Schriften, Papiere, die Hefte, die Journale, die Ausschnitte und Entwürfe, die überall herumlagen und Keetenheuve aus ihrem Bett entführten in Bezirke, zu denen sie den Weg nicht fand, in Reiche, die für sie kein Tor hatten« (II, 232). Aufgrund von Keetenheuves Tätigkeiten ist Elke häufig zu Hause alleine, wo sie »der Hölle in den Schoß« fiel, »der Hölle des Alleinseins, der Hölle der Langeweile, der Hölle der Interesselosigkeit, der Hölle täglicher Filmbesuche, wo der Teufel einem in molliger Dunkelheit das Leben gegen ein Pseudoleben tauscht« (II, 234). Schnell verfällt sie dem Alkohol und der Verführung Wanowskis, die ihr »Zweisamkeit und Bier« bietet (II, 235). Keetenheuve ist überzeugt, dass die Wanowski mit ihren Tribaden Elkes Untergang zu verantworten haben: »Die kessen Väter töteten sie. Das Bier tötete sie. Einige Drogen kamen hinzu« (II, 236).

Keetenheuve, Felix

Hauptfigur des Romans, ein sozialdemokratischer Abgeordneter des Bundestages zu Beginn der fünfziger Jahre. Vor dem Krieg war Keetenheuve als Journalist tätig. Seine Anstellung beim Volksblatt gab er auf, als die Zeitung von den Nazis gleichgeschaltet wurde, und emigrierte zunächst nach Paris. Wenig später, »als die Soldaten über die Champs Elysées marschierten« (II, 246), gelangte er über England nach Kanada, wo er »als Internierter beim Holzfällen« (II, 276) half und, vom Faschismusverdacht befreit, nach England weiterreiste. Dort hielt er während des Krieges Radioansprachen an die Deutschen und kämpfte so auf seine Weise, »nicht zuletzt für Deutschland, wie er meinte« (II, 277). Nach elf Jahren kehrte er nach Deutschland zurück, »besessen von dem Gedanken, zu helfen, aufzubauen, Wunden zu heilen, Brot zu schaffen« (II, 230). Er ist weder ein Mann des Volkes noch ein begnadeter Redner, doch seine »Beschäftigungen, seine Mitarbeit am Wiederaufbau, sein Eifer, der Nation neue Grundlagen des politischen Lebens und die Freiheit der Demokratie zu schaffen, hatten es mit sich gebracht, daß er in den Bundestag gewählt wurde« (II, 232).

Keetenheuve ist ein politischer Idealist. Sein Gegenspieler Korodin hält ihn für einen »Menschenrechtsromantiker« (II, 240). Die Politik ist für Keetenheuve ein Dschungel: »Raubtiere begegneten einem, man konnte mutig sein, man konnte die Taube gegen den Löwen verteidigen, aber hinterrücks biß einen die Schlange« (II, 233). Generell entspricht die bundesdeutsche parlamentarische Demokratie nicht seinen Vorstellungen einer demokratischen Kultur. Vielmehr sieht er eine Diktatur der Mehrheit am Werk, in der der Bürger nur wählen kann, »unter welcher Diktatur er leben wolle« (II, 374). Zugleich zweifelt Keetenheuve aber auch an der Demokratiefähigkeit des Volkes, das angesichts der Diktatur schweigt. »Schwieg es in weiterwirkender Furcht? Schwieg es in anhänglicher Liebe? Die Geschworenen sprachen die Männer der Diktatur von jeder Anklage frei. Und Keetenheuve? Er diente der Restauration und reiste im Nibelungenexpreß« (II, 249). Doch nicht nur der Politik und dem Volk misstraut er, sondern auch sich selbst. Er hält sich für einen Versager sowohl in seinem politischen als auch in seinem privaten Leben (II, 227).

Keetenheuve ist »ein Kenner und Liebhaber der zeitgenössischen Lyrik, und manchmal belustigte es ihn, während er im Plenum einem Redner zuhörte, daran zu denken, wer im Saal außer ihm wohl Cummings gelesen habe« (II, 247). Eine besondere Rolle spielt für ihn Baudelaires »Le beau navire«, denn an »dieses herrliche Gedicht des Frauenlobs«, das er in seinem Abgeordnetenzimmer zu übersetzen versucht (II, 284), erinnert ihn seine Frau Elke, von deren Beerdigung er zu Beginn des Romans nach Bonn zurückkehrt. Er hatte die damals 16-jährige Elke kurz nach seiner Rückkehr aus dem Exil kennengelernt. Sie war »sein Halt gewesen, ein fester Punkt in der zerfließenden Flut, der Anker seines Bootes auf der, wie sich nun zeigte, öde gewordenen See des Lebens« (II, 309f), in der sie ihm aber schon vorher entglitten war. Er hatte sie zugunsten seines politischen Engagements vernachlässigt und an die Wanowski und ihre »Tribaden«, eine Gruppe lesbischer Frauen, und an den Alkohol verloren (II, 234 f.).

Im Bundestag steht eine Debatte über den Beitritt der Bundesrepublik zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und damit über die Wiederaufrüstung bevor. Nach Keetenheuves Ankunft in Bonn trifft er zunächst auf Korodin, der ihn überzeugen möchte, angesichts der anstehenden Abstimmung über den Beitritt seine Meinung zu ändern, dabei aber scheitert. Keetenheuve will in den Pressebaracken nach dem Journalisten Mergentheim, einem ehemaligen Kollegen, sehen und schließt sich, als er diesen nicht antrifft, einer Führung durch das Parlament an. Er ist angespannt und weist einen »Bierbanknationalisten« (II, 266), dem er dort begegnet, mit den Worten »Halten Sie ihr verfluchtes Maul!« (II, 267) zurecht. 

Später begegnet er Mergentheim, der ihn warnt, er könne aufgrund seiner Vergangenheit »schlachtreif sein« (II, 274), schließlich hätten seine Kollegen im Gegensatz zu ihm den »Widerstand […] schon wieder aus ihrem Lebenslauf gestrichen« (II, 277). Nach dem Gespräch mit Mergentheim trifft er Philip Dana, den »Nestor der Korrespondenten«, der ihn in sein Büro führt und ihm die brisante Information über ein Interview der Generale des Conseil Supérieur des Forces Armées gibt, in dem sich englische und französische »Siegergeneräle« für eine »Verewigung der deutschen Teilung« aussprechen (II, 281). 

Keetenheuve wird von seinem Fraktionsvorsitzenden Knurrewahn gerufen. Er informiert ihn über das Interview der Generäle des Conseil Supérieur des Forces Armées, die der Fraktionschef sogleich an die große Glocke hängen und politisch nutzen möchte. Keetenheuve überzeugt ihn aber von seinem Plan, »die kleine Siegrede der Generale in der Debatte über die Sicherheitsverträge überraschend [zu] zitieren« und damit einen öffentlichkeitswirksamen Coup zu landen (II, 291). Die Aussicht auf die Bundestagsrede euphorisiert ihn zunächst (II, 292), und er beginnt sofort mit einem Entwurf.

Dabei wird er von Frost-Forestier, einem Vertreter der Regierungspartei, angerufen und folgt dessen Einladung. Frost-Forestier bietet dem überraschten Keetenheuve »die Gesandtschaft in Guatemala an« (II, 298) – eine verlockende Aufgabe, die für Keetenheuve zwar verführerisch ist, aber eine Flucht vor seinen Problemen, Stillstand und letztendlich den Tod bedeutet. Nach dem Treffen lässt er sich nach Bad Godesberg fahren, wo er sich zum Essen niederlässt und ein imaginäres Gespräch mit Hitler, Stendhal und dem Konsul führt, während er vom imaginären Chamberlain bedient wird (II, 301 ff).

Am Nachmittag hat er eine Ausschusssitzung, in der er sich fehl am Platz fühlt, denn er versteht »die Ausschußsprache nicht mehr. Was redeten sie? Chinesisch?« (II, 311). Während über minimal ausgestattete Bergarbeiterwohnungen und deren Finanzierung debattiert wird, träumt Keetenheuve von einer Alternative. Er will »das profane Kloster bauen, die Eremitenzelle für den Massenmenschen« (II, 318), ist sich aber sicher, nicht verstanden zu werden.

In einem neuen Anflug von Euphorie entscheidet er sich, auf den Botschafterposten zu verzichten und stattdessen für den Frieden zu kämpfen. Er schreibt an seiner Rede, er will »mit heiligem Zorn gegen die Regierung sprechen« (II, 322). Als letzter verlässt er das Bundeshaus und irrt durch die Stadt. Im Kino wird er in seiner negativen Einstellung gegenüber der Masse bestärkt (II, 330). Danach zieht er durch Weinstuben. In der zweiten trifft er zum ersten Mal auf die beiden Heilsarmeemädchen Lena und Gerda (II, 341).

Am Morgen macht er sich auf dem Weg zum abgesperrten und von Polizisten bewachten Parlament Gedanken über die deutsche Demokratie. Im Fraktionszimmer muss er erfahren, dass Mergentheim einen Bericht über das Interview der französischen Generale veröffentlicht hatte, womit Keetenheuves »Pulver naß geworden« ist (II, 364). Bei der Plenarsitzung hält er seine kurzfristig geänderte Rede im Sinne seiner Partei und ist sich sicher, damit nichts bewirken zu können. »Keetenheuve wollte schweigen. Er wollte abtreten. Es hatte keinen Sinn, weiterzureden, wenn ihm niemand zuhörte« (II, 371). Die Worte, die er hätte sagen wollen, spricht er nur in seiner Vorstellung. Keetenheuve muss sich eingestehen, den Kampf verloren zu haben. »Die Verhältnisse hatten ihn besiegt, nicht die Gegner« (II, 375).

Nach der Sitzung irrt er durch die Stadt, geht wieder in die Weinstube und trifft dort erneut auf die Heilsarmeemädchen Lena und Gerda. Er schreibt auf dem Briefpaper der Weinstube Empfehlungsbriefe für Lena. In einer Ruine schläft er mit ihr, es »war ein Akt vollkommener Beziehungslosigkeit« (II, 389). Innerlich völlig leer geht Keetenheuve danach zu einer Brücke. »Der Abgeordnete war gänzlich unnütz, er war sich selbst eine Last, und ein Sprung von dieser Brücke machte ihn frei« (II, 390).

Knurrewahn

Fraktionsvorsitzender der Oppositionspartei, der Keetenheuve angehört. Knurrewahn war mit einem Herzsteckschuss aus dem Ersten Weltkrieg nach Hause gekommen, hatte dann einen Posten in der Partei angenommen und sich zum Reichstagsabgeordneten hochgedient. Er hatte sich vor dem Krieg »mit einer schon damals nicht mehr ganz neuen Literatur fortschrittsgläubiger Naturerkenntnis vollgestopft« und »leugnete das Dasein der Seele« (II, 285). Obwohl er als Jugendlicher die Internationale vertreten hatte, ist er nach dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik davon überzeugt, dass die Parteien nationaler auftreten müssten, und lehnt auch die Wiederbewaffnung Deutschlands nicht grundsätzlich ab (vgl. II, 291). Auch hat er sich teilweise dem autoritären Politikstil der Bundesrepublik angepasst, er »wollte der Welt seinen Willen nicht geradezu aufzwingen, aber er hielt sich für den Mann, sie zum Guten zu lenken« (II, 286). Mit diesem Führungsstil hat er seine Partei bis auf wenige Abweichler unter Kontrolle, und »wenn Knurrewahn die Auflösung der Partei befohlen hätte, die Ortsgruppen würden die Auflösung vollziehen« (II, 363).

Knurrewahn empfängt Keetenheuve in seinem Büro, das »fortschrittlich eingerichtet [ist], in einem Stil, den er für radikal hielt und der den Anschauungen einer soliden Kunstzeitschrift entsprach« (II, 288f). Keetenheuve berichtet ihm von dem Interview der Generale des Conseil Supérieur des Forces Armées, in dem sich die Armeevertreter »erfreut über die deutsche Teilung geäußert hatten« (II, 290). Knurrewahn möchte diese Information sofort politisch nutzen, »die Worte Ewige Teilung an die Mauern schlagen lassen und so sich an das Volk wenden: ›Seht, wir sind verraten und verkauft, dahin führt der Kurs der Regierung!‹« (II, 290). Auf Keetenheuves Einwand, dass man mit einer verfrühten Reaktion nur Druck von der Regierung nehmen würde, lenkt Knurrewahn ein und beide kommen überein, dass Keetenheuve die Äußerung in seiner Bundestagsrede zitieren soll.

Im Vorfeld der Bundestagsdebatte beschwört Knurrewahn Keetenheuve, die Diskussion nicht zu heftig werden zu lassen, um »die nationalen Instinkte […] nicht zu brüskieren« (II, 363), und betont erneut seinen Standpunkt zur Frage der Wiederbewaffnung. Er glaubt an die Möglichkeit einer durch die demokratischen Institutionen kontrollierten Volksarmee, »obwohl Noske das Heer aus dieser demokratischen Hand schon einmal kläglich verloren hatte« (II, 363). In seinem eigenen Beitrag zur Bundestagsdebatte spricht er als großer Patriot, der den Traum hat, »den Osten mit dem Westen wieder zu vereinen« (II, 274), wonach das Land dann auch wieder waffen- und bündnisfähig sein würde.

Korodin

Bundestagsabgeordneter »von der anderen Partei« (II, 240), Keetenheuves Gegner im Ausschuss für Petitionen und im Gegensatz zu Keetenheuve ein echter »Volksmann« (II, 258).

Korodin benutzt öffentliche Verkehrsmittel, was er als einen »Akt der Bescheidenheit und der Kasteiung« aufgefasst wissen will, zumal er sich eigentlich vor dem Gedränge der Menschen ekelt (II, 258). Er möchte Keetenheuve »auf den rechten Weg bringen« und »am Ende vielleicht sogar bekehren« (II, 260). Korodin hat von Keetenheuves Verlust gehört und ist unsicher, wie er reagieren soll, »fragwürdig blieb schließlich einem Menschen wie Keetenheuve gegenüber alles, was in Korodins Kreisen selbstverständlich war, das Aussprechen des Mitgefühls beispielsweise, trauerte Keetenheuve überhaupt, man wußte es nicht« (II, 261). 

Beide sehen sich am Nachmittag im Ausschuss wieder, in dem über ein Sozialbauprojekt entschieden werden soll. Da Keetenheuve sich verspätet, überlegt Korodin, »ob Keetenheuve sich vielleicht gewandelt, ob er vielleicht in einer Kirche, Gott um Erleuchtung bittend, die Zeit verloren habe und nun vor sie hintreten und bekennen würde: Der Herr hat sich mir offenbart, ich bin ein anderer« (II, 309). 

Bei der Bundestagssitzung am nächsten Tag ist Korodin der einzige, der Keetenheuve zuhört, weil er »wieder daran glaubte, daß der Abgeordnete Keetenheuve vor einer Wandlung stand, die ihn in Gottes Nähe bringen mußte« (II, 370). Zum Abschluss soll Korodin selbst sprechen. »Er würde das christliche Abendland ins Feld führen, die alte Kultur verteidigen und von Europa schwärmen« (II, 372).

Lena

Begleiterin der Heilssoldatin Gerda, die mit ihr die zweite der beiden Weinstuben betritt, in denen Keetenheuve am Abend nach seiner Rückkehr nach Bonn einkehrt. Keetenheuve schätzt sie auf 16 Jahre und findet sofort Gefallen an ihr, obwohl sie »nicht eigentlich schön« und auch recht klein ist, »aber ihre frische und etwas trotzige Haltung machten sie hübsch« (II, 340). Als Keetenheuve ein Fünfmarkstück in Gerdas Sammelbüchse wirft, schaut sie ihn zuerst verwundert, dann wütend und empört an (II, 341).

Als er die beiden Mädchen kurz darauf auf der Straße wiedertrifft, erzählt Lena ihm ihre Lebensgeschichte. Sie stammt aus Thüringen, ist mit ihrer Familie in den Westen geflohen, wo sie ihre angefangene Lehre als Mechanikerin beenden und danach Ingenieurin werden wollte. Sie fand aber keine Anstellung, wurde vielmehr ausgelacht, weil man im Westen der Ansicht ist, dass die Drehbank »nichts für Mädchen« und ein Studium »nichts für Arme« sei. Nach einer Odyssee durch die Bundesrepublik war sie schließlich in der Hauptstadt am Bahnhof gelandet, wo die Heilssoldatin Gerda sich – nicht uneigennützig – ihrer angenommen hatte. Seither begleitet sie Gerda auf ihren Sammeltouren durch die Stadt. Keetenheuve verspricht ihr Hilfe und verabredet sich mit ihr für den nächsten Abend in der Weinstube.

Bei diesem zweiten Treffen stellt sich heraus, dass Keetenheuve vergessen hat, mit Knurrewahn und Korodin über Lena zu sprechen. Er schreibt ihr auf dem billigen Briefpapier der Weinstube Empfehlungsschreiben an beide (II, 384f). Danach gehen beide in eine Ruine und lieben sich, begleitet von Gerdas »Lied vom himmlischen Bräutigam« (II, 386). Lenas »Hingabe« kann Keetenheuve nicht erlösen: »Es war ein Akt vollkommener Beziehungslosigkeit, den er vollzog, und er starrte fremd in ein fremdes, den Täuschungen der Lust überantwortetes Gesicht« (II, 389). Wenig später springt er von der Brücke.

Mädchen im Zug

Eine junge Frau, die mit den »Interessenvertretern« in dem Nachtzug fährt, mit dem Keetenheuve zu Beginn des Romans nach Bonn reist. Sie »tippelt« am frühen Morgen leichtbekleidet und »mürrisch« zur Zugtoilette (II, 250 f.). »Das Mädchen war in der Mode tätig, Mannequinkönigin irgendeiner Wahl. Das Mädchen war arm und lebte, nicht schlecht, von den Reichen« (II, 252). .

Mädchen, kleines

Ein etwa zwölfjähriges Mädchen, das mit dem Priester in die Weinstube kommt, in der auch Keetenheuve sitzt. Es trägt rote Söckchen und trinkt den Wein, den der Priester ihr spendiert, »mit genießerischen kleinen Schlucken.« 

Maurice

Bundestagsabgeordneter der Oppositionspartei, der Fraktionschef Knurrewahn durch seine Angewohnheit, hin und wieder aus der Reihe zu tanzen, Unbehagen bereitet (II, 363). Der Anwalt meldet bei der Bundestagsdebatte »staatsrechtliche Bedenken an« (II, 372).

Mergentheim

Journalist, ehemaliger Kollege Keetenheuves beim »Volksblatt« vor dem Krieg, ein »Mann volkstümlich erklärender Betrachtungen, nicht unkritisch, wenn es nicht direkt den Kopf oder die Stelle kostete, und schließlich hatte er den Beruf des Zeitungsmannes und nicht den des Märtyrers gewählt« (II, 270). Statt Märtyrer war Mergentheim Chefredakteur des Volksblattes geworden und hatte die Gleichschaltung der Medien mitvollzogen, was sein Blatt langfristig allerdings auch nicht retten konnte. Er war dann als Korrespondent nach Rom gegangen und hatte sich dort abgesetzt, als es gefährlich für ihn wurde, »und so war er mit leidlich weißer Weste ein gesuchter und geförderter Mann des Wiederaufbaus geworden« (II, 269). Nach dem Krieg hatte Mergentheim Keetenheuve »gänzlich aus seinem Gedächtnis verloren, und als er ihn als Abgeordneten in Bonn bemerkte, einen Wilderer in seinem Revier, war er ehrlich erstaunt« (II, 269). 

Keetenheuve trifft sich mit Mergentheim, der »wie ein aufgeplusterter melancholischer Vogel hinter seinem Schreibtisch [saß], sein Gesicht wurde immer breiter, die Augen ständig verschleierter, die Gläser dicker, die Hornfassung der Brille schwärzer und schwerer, so verstärkte sich der Eindruck, einer Eule, einem Uhu gegenüberzutreten« (II, 272). Mergentheim bietet seinem Gast Zigarren an, obwohl er weiß, dass er nicht raucht, denn »Keetenheuve sollte sich nur nicht zu wichtig nehmen« (II, 272f). Er warnt Keetenheuve, dieser könne »schlachtreif sein« (II, 274), und spricht von einem Gerücht, das man gegen ihn verwenden könnte (II, 275f). Er trägt maßgeblich zu Keetenheuves Misserfolg bei, indem er die Information über die brisanten Äußerungen der englischen und französischen Generale zur deutschen Teilung, die er offenbar ebenso wie Keetenheuve von Philip Dana bekommen hat, am Tag der Plenarsitzung des Bundestages in seiner Zeitung veröffentlicht, so dass Keetenheuve den Fall nicht mehr für seine Rede nutzen kann. Mergentheim »dachte: er ist eben mein Feind, ein Mann mit solchen Ansichten ist mein Feind.«

Nach der Plenarsitzung, in der der Kanzler Mergentheims Artikel erwähnt hatte, erholt er sich »bei einem Kaffee von Rundfunkdurchsagen. Er hielt Cercle. Man gratulierte ihm, daß er dem Kanzler aufgefallen war« (II, 372).

Mergentheim, Sophie

Ehefrau von Mergentheim. Sie hatte als Bürolehrling im Vertrieb des »Volksblatts« gearbeitet und dort Keetenheuve sowie ihren Ehemann kennengelernt, »und der Aufstieg zur Frau Hauptschriftleiter hatte ihrem gesellschaftlichen Ehrgeiz Appetit gemacht« (II, 270). Als sie Keetenheuve nach dem Krieg in seiner neuen Funktion kennenlernt, fühlt sie sich von ihm angezogen. Dabei ist es eigentlich nicht Keetenheuve selbst, der so auf sie wirkt, sondern seine Macht, denn »Sophie gab sich bedeutenden und einflußreichen Leuten ohne Wollust hin, […] und wenn Keetenheuve auch nicht der Konzertmeister in seiner Partei war, so spielte doch auch er dort die erste Geige und wäre ihres Bettes wert gewesen« (II, 271). Zu einer Verstimmung kommt es, als Mergentheim entdeckt, dass Keetenheuve verheiratet ist. »Sophie verkuppelte im Geiste Elke schon an junge Gesandtschaftssekretäre, nicht um Keetenheuve zu schaden, sondern um die natürliche Ordnung wiederherzustellen, denn Keetenheuve verdiente keine schöne junge Erbin« (II, 271).

Pierhelm, Frau

Abgeordnete der Regierungspartei und wie ihr Fraktionskollege Sedesaum Keetenheuves Nachbarin im Wohnghetto der Bundestagsabgeordneten. Keetenheuve hört am Morgen Kinderlieder aus ihrem Radio und später die Sendung »Wir Hausfrauen und der Sicherheitspakt« (II, 355), an der sie selbst mitgewirkt hat. »Frau Pierhelm hörte zufrieden der Rednerin Pierhelm zu, die zu dem Schluß kam, daß der Pakt den deutschen Frauen Sicherheit gebe, ein schöner Slogan, der nur allzusehr an die Anzeige einer Fabrik für intime Tampons erinnerte« (II, 355). Auch in der Plenarsitzung vertritt sie diese Position und betont, ganz auf Parteilinie, das Schlagwort »Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit« (II, 371).

Possehl, Herr

Witwer aus Kleinwesenfeld (II, 226), an den sich Keetenheuve nach Elkes Beerdigung erinnert. Für Keetenheuve ist er die Idealfigur eines Witwers, »eine lebendige Allegorie der Treue über den Tod hinaus, eine rührende und achtbare Gestalt der Verlassenheit« (II, 225).

Priester

Gast in der ersten der beiden Weinstuben, die Keetenheuve am Abend nach seiner Rückkehr nach Bonn aufsucht. Er sieht »wie ein Landmann aus, aber er hatte den Kopf eines Gelehrten« (II, 335). Er hat ein zwölfjähriges Mädchen bei sich, dem er einen Wein spendiert, und widmet sich der Lektüre des »Osservatore Romano« (II, 335). Nachdem er den Leitartikel gelesen hat, zahlt er und bringt das kleine Mädchen nach Hause. 

Sedesaum

Abgeordneter der Regierungspartei. Er ist Keetenheuves Nachbar im Wohnghetto der Bundestagsabgeordneten. Keetenheuve hört ihn morgens bei der Frühgymnastik »klatschfüßig über die Dielen« hüpfen, »Sedesaum, der Froschmensch« (II, 354). Wenig später sieht er ihn »klein, eitel, und demütig, klein, fromm und schlau« aus Dörflichs Milchladen hüpfen (II, 358): Der »Berufschrist« geht am Morgen selbst Milch und Brötchen kaufen, um sich als volksnah zu präsentieren (II, 356). In Keetenheuves Augen ist er »ein Jasager, ein Sänger des Herrn«, der immer die »Formel« findet, »irdischen und himmlischen Herrendienst vor seinem Gewissen und vor der Welt in Einklang und Wohlklang zu bringen« (II, 358). Bei der Plenarsitzung bestätigt Sedesaum diese Einschätzung, als er ganz auf Parteilinie eine Rede über »Christ und Vaterland, Christ und Vaterland, Christ und Vaterland« hält (II, 371).

Timborn, von

Bundestagsabgeordneter, den Keetenheuve frühmorgens in dem Nachtzug trifft, mit dem er zu Beginn des Romans nach Bonn reist. Er ist ein stets korrekter und wohlrasierter Mann, »schon jetzt wie in Downing Street akkreditiert« (II, 253). Er ist sich unsicher, ob er mit dem enfant terrible Keetenheuve verkehren soll, »so was bekam einem im allgemeinen schlecht, konnte einem schaden, für Timborn wäre es das Ende aller Hoffnung gewesen, aber diese Außenseiter, man konnte es nie wissen, die machten mit ihren Fehlern ihr Glück« (II, 253). Er stellt sich Keetenheuve unter Palmen vor (was darauf schließen lässt, dass er von Frost-Forestiers Angebot für Keetenheuve schon weiß) und ist sich sicher, dass Keetenheuve dort »keine gute Figur« machen würde: »Timborn würde der Tropenanzug besser sitzen« (II, 254).

Wanowski

Ein Mannweib, das Keetenheuve für den Untergang seiner Frau verantwortlich macht. Sie hatte eine lesbische Beziehung mit Elke und hat sie zum Trinken und zu Drogenkonsum verleitet. In Keetenheuves Augen ist sie eine »pervertierte Frauenschaftsführerin« (II, 234), die »Jüngerinnen zum unheiligen Vestalinnendienst« (II, 235) rekrutiert und Männer verachtet. Keetenheuve stellt sich vor, wie er, angetan mit einem weißen Viehtreibermantel und mit einem Beil bewaffnet, ihr auflauert: »Der Bulle kam, die Wanowski erschien, garstig borstige Krüllhaare auf dem Bullenschädel, ein Weib, das als Schläger gefürchtet war und sich Gewalt über die Tribaden verschafft hatte […]. Keetenheuve hob das Beil, er schlug zu.« (II, 226). Aber »er hatte wieder nur geträumt« (II, 227).

Wilms, Frau

Keetenheuves Aufwartefrau, die ihm bei Elkes Beerdigung ebenso wie bei der Hochzeit einen Strauß geknickter Astern überreicht. »Damals sagte sie: ›Sie sind ein schönes Paar!‹ Jetzt schwieg sie« (II, 224).

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