Dörte Hansen: »Mittagsstunde« (2018)

Die Datierungen stützen sich auf die im Roman verstreuten Hinweise: Sönke Feddersen kehrt im Dezember 1947 aus russischer Kriegsgefangenschaft heim (83). Marret Feddersen wird am 11. Juli 1948 geboren (83) und 1955 eingeschult (235). Die Flurbereinigung findet von 1965 bis 1967 statt (230). Mit siebzehn Jahren, 1965, wird Marret schwanger (11), Ingwer Feddersen kommt im April 1966 zur Welt. Sein 48. Geburtstag, den er in seinem Sabbatjahr in Brinkebüll feiert (276), fällt demnach in das Frühjahr 2014. Sein Sabbatjahr, in dem die Gegenwartshandlung des Romans spielt, dauert also von November 2013 bis Oktober 2014 (16, 317). Im August 2014 hätte Sönkes und Ellas Gnadenhochzeit stattfinden sollen, eine Woche vor dem Fest stirbt Sönke (315). Beide haben demnach im August 1944 geheiratet.

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Ahlers, Pastor

Pastor in Brinkebüll. Er hat es schwer in der norddeutschen Provinz, die Brinkebüller scheinen »gegen jeden Glauben imprägniert« zu sein, sie »glaubten ihm kein Wort« (10), nur zu Weihnachten sind sie »ein bisschen frommer« (121). Er beerdigt kleine Tiere, die ihm die Dorfkinder bringen, an der Kirchhofsmauer und lässt die Kinder dabei das Vaterunser beten und Befiehl du meine Wege singen (42). In den letzten Monaten seiner Dienstzeit wächst ihm eine neue Aufgabe zu mit der Seelsorge für Eltern, deren Söhne nun mit dem Auto zur Diskothek fahren und dabei häufig verunglücken (296f.). Nach seiner Pensionierung bezieht er mit seiner Frau die leerstehende Lehrerwohnung von Lehrer Steensen (297).

Andi

Einer der zugezogenen Berliner, die in Carsten Leidigs alter Mühle wohnen, ein Künstler, der auf der Mühlenrampe eine Vogelskulptur »aus rostigem Eisenblech« zusammenschweißt, die er »Ikarus« nennt (266). Nach Haye Nissens Urteil versteht er etwas vom Schweißen (267).

Anneleen

Freundin von Ragnhild Dieffenbach, eine Malerin, »leicht versponnen«, trägt selbstgemachte Kleider, »viel Samt und weiche Wolle«, und riecht nach Sanddornöl (163). Ingwer Feddersen fühlt sich zu ihr hingezogen, mag ihre weichen Kleider und ihren Geruch, ihre Stimme, ihre Ruhe, ihren »leisen Spott« und den Walzer, den sie als Einzige mit ihm bei den Silvesterfeiern um Mitternacht tanzt (216). Aber zu Ragnhilds Geburtstagsparty erscheint sie mit einem jungen Freund (202). Immerhin findet Ingwer an seinem 48. Geburtstag einen Anruf von ihr auf seinem Handy (294) und nimmt sich vor, sie in ihrem Atelier zu besuchen (318).

Bahnsen, Henning (Bambi)

Sohn von Irene und Paul Bahnsen, Schulfreund von Ingwer Feddersen, ein halbes Jahr älter als Ingwer (155). Als Jungbauer überfährt er mit dem Mähdrescher seines Vaters ein Rehkitz, seither weigert er sich zu dreschen (7f., 275) und wird von den Dorfleuten nur noch Bambi Bahnsen genannt, sogar von seiner Frau (281). Ansonsten kommt er ganz nach seinem Vater, von dem er das Gesicht, die »grundentspannte Breitbeinigkeit« und die »Ausdauer beim Feiern« geerbt hat, »er war die Fortsetzung des Alten« (ebd.). Auch den Bürgermeisterposten übernimmt er von seinem Vater und sorgt als Vorsitzender des Dorfkulturvereins für die Pflege des Hünengrabs, dessen Erhaltung Dorflehrer Steensen einst seinem Vater abgetrotzt hat (282). Auf dem Hof setzt er die von Paul Bahnsen früh begonnene Modernisierung des Betriebs mit großem Erfolg fort, ein »Mann, der alles richtig machte, Landwirt mit Paradehof, Ehemann und Vater, vier gesunde Kinder« (ebd). Ingwer Feddersen drückt sich vor einem Besuch seines Jugendfreundes, »weil er nicht wusste, ob er Henning Bahnsens Tüchtigkeit gewachsen war« (281).

Bahnsen, Irene

Frau von Paul Bahnsen, Mutter von Henning Bahnsen. Im April 1966 feiern Irene und Paul Bahnsen ihren zehnten Hochzeitstag in Feddersens Gasthof, und Irene lässt kaum einen Tanz aus (154f.). In derselben Nacht wird Ingwer Feddersen geboren.

Bahnsen, Paul (Paule)

Größter Bauer und Bürgermeister in Brinkebüll, Vater von Henning Bahnsen. Nach der Flurbereinigung in den 60er Jahren erkennt er als erster die Zeichen der Zeit, arbeitet zielstrebig an der Modernisierung seines Hofes, spezialisiert sich auf Milchwirtschaft, baut neue Stallungen und ein neues Wohnhaus, den »ersten Bungalow in Brinkebüll« (269), und kauft, getreu seinem Lehrsatz ›Wer nicht weichen will, muss wachsen‹, Land von Nachbarn zu, die ihre Höfe aufgeben (273). So kann er seinem Sohn schließlich einen modernen Hof von 120 Hektar übergeben (281). Nur gegen seinen alten Lehrer Steensen kommt er nicht an, als der ihm wegen der geplanten Planierung des Hünengrabs die Leviten liest (68). Noch als Altenteiler zeigt er Sinn für moderne Technik und düst auf seinem »Rennpeerd«, einem Dreirad mit Elektromotor, durchs Dorf (225). Das Gefährt steht nun täglich vor Feddersens Gasthof: Jeden Vormittag sitzt er mit Sönke Feddersen bei Bier und Schnaps zusammen, die beiden reden »ohne Pause« und sagen zum Abschied nicht »tschüß«, sondern »blief nich doot« (311). Als Sönke stirbt, ist Paul untröstlich: »Wie kann he mi dat andoon.« (316)

Bärentöter

Die »aktuelle Muse« von Anneleen (202), ein junger Mann in den Zwanzigern, den Ingwer Feddersen »Bärentöter« nennt, weil er so aussieht »wie einer, der auf Grizzlybären schoss oder mit bloßen Händen Lachse fing. Holzfällerhemd und Vollbart, beide Unterarme tätowiert.« (200)

Baumann, Karl Fidel

Mitschüler von Ingwer Feddersen im vierten Grundschuljahr, der mit seiner Mutter Sonja Baumann und anderen zugezogenen Berlinern in Carsten Leidigs alter Mühle wohnt (241). An seinem ersten Schultag in Brinkebüll erklärt er Lehrer Steensen und seinen neuen Mitschülern seinen Namen: »Und zwar Karl wie der Karl Liebknecht und Fidel wegen Fidel Castro. Und zwar sind det Revolutionäre.« (242) Er provoziert damit einen »fast historischen Moment«, denn zum ersten Mal in über dreißig Jahren bricht Steensen vor der Klasse in schallendes Gelächter aus (ebd.). Für Ingwer verbindet sich mit Karl Fidel Baumann die Erinnerung an seinen dritten »Akt von Untreue gegen Sönke Feddersen«: Er hatte sich mit ihm über Sönkes Plattensammlung lustig gemacht (258).

Baumann, Sonja

Mutter von Karl Fidel Baumann, die mit ihrem Sohn und anderen zugezogenen Berlinern in Carsten Leidigs alter Mühle wohnt (267). Sie trägt den kürzesten Rock, den man bis dahin in Brinkebüll gesehen hat, und badet an heißen Tagen nackt in Carsten Leidigs alter Zinkwanne (267). Sie begeistert sich für Bäcker Boysens Kintjentüüch und erklärt ihm, dass es sich dabei um eine »alte friesische Tradition« handelt, von der Boysen noch nie gehört hat (268), und gibt Spinnkurse in der alten Mühle (285).

Bibliothekar

Angestellter der Fahrbücherei Nordfriesland, der alle zwei Wochen mit dem Bücherbus nach Brinkebüll kommt, ein junger Mann mit Pullunder und Krawatte, der Marret Feddersen mit »Büchern über Liebe« versorgt und für den sie sich ausnahmsweise hübsch macht (274).

Boysen, Erich (Erich Bäcker)

Bäckermeister in Brinkebüll, Ehemann von Greta Boysen, Vater von vier Töchtern, darunter Gunda und Gönke Boysen. Als Brotbäcker fühlt Erich Boysen sich unterfordert, er versteht sich als Konditor, aber seine Kunden haben wenig Sinn für »Kreativität und Raffinesse« (108), außerdem ist es verpönt, dem Kaffeebesuch Bäckerkoken anzubieten (109). Nur in der Weihnachtszeit kann Boysen seiner wahren Bestimmung nachgehen und mit seinen »Marzipankunstwerke[n]« zeigen, dass er »mehr war als ein Schwarzbrotbäcker«, ein »Zuckerbäcker, meist so'n beten Künstler« (110). Das Kintjentüüch dagegen, steinharte Plätzchen, die die Brinkebüller ihren Kindern zu Weihnachten traditionsgemäß auf die bunten Teller legen, überlässt er seinen Lehrlingen (109). Für die Wutanfälle seiner jüngsten Tochter Gönke hat er insgeheim Verständnis, er »wusste, wie das war, wenn man sich unverstanden fühlte, unterschätzt im Dorf« (233). – Jahre später bekommen die Brinkebüller ihr Brot von einem Bäckerwagen, der jeden Dienstag ins Dorf kommt und »nicht weit von Boysens altem Laden« hält (248).

Boysen, Gönke (Gönke Bäcker)

Jüngste Tochter von Erich und Greta Boysen und Mitschülerin von Ingwer Feddersen. Gönke, schon als Säugling ein Schreikind, hält ihre Eltern und Geschwister bis zu ihrer Einschulung durch tobende Wutanfälle in Atem, die gelegentlich so drastisch ausfallen, dass der Vater keinen Rat mehr weiß und sie in den leeren Hundezwinger sperrt (231f.). Das ändert sich schlagartig mit ihrem ersten Schultag, »sie fing zu lesen an und hörte nicht mehr auf« (237). Sie liest sich in kurzer Zeit durch die Schulbibliothek (237), danach holt sie sich ihren Lesestoff vom Bücherbus mit der Schubkarre (243). Sie ist das erste Mädchen in Brinkebüll, das auf die Oberschule geht (234). Mit acht Jahren bekommt sie eine Brille, deren Gläser in jedem Jahr dicker werden (238). Sie spielt nicht wie die anderen Kinder (237), und als Heranwachsende läuft sie in abgelegten Hosen und umgefärbten Unterhemden ihres Vaters herum (285). Es »war ihr vollkommen egal, was andere von ihr dachten, Jungs sowieso« (286). Auch an die »Schweigeregeln« des Dorfes fühlt sie sich nicht gebunden und klärt Ingwer Feddersen darüber auf, warum Kalli Martensen ihn im Suff »Ingwer Flurbereinigung« genannt hat (168). Einen Tag nach dem Abitur legt sie »ihre Muttersprache ab wie eine alte Haut«, geht nach Berlin und studiert »irgendwat mit istik« (286). Sie kommt kaum noch nach Brinkebüll, und ihre Eltern »rätselten bis heute, was sie eigentlich verbrochen hatten« (ebd.).

Boysen, Greta

Ehefrau von Bäckermeister Boysen, Mutter von vier Töchtern. Sie hat ihre Not mit den Wutanfällen ihrer Jüngsten, der kleinen Gönke, und fragt sich wie die Brinkebüller: »Wo het se dat bloß vun?« (233) Sie geht »hundertmal die ganze Sippschaft durch« (232), um diese Frage zu beantworten, und denkt manchmal, dass Gönke im Krankenhaus vertauscht worden sein könnte (233). »Drei ganz normale Töchter, lieb und fröhlich. Dann ein Kind wie Gönke, wie von einem anderen Stern.« (232)

Boysen, Gunda

Älteste Tochter von Erich und Greta Boysen. Sie schämt sich für ihre kleine Schwester Gönke, die sie, wenn Greta Boysen sich mit dem Schreikind gar nicht mehr zu helfen weiß, im Kinderwagen durchs Dorf schieben und sich dabei die Kommentare der Brinkebüller anhören muss (206f.). Später ist sie Mitglied von Heiko Ketelsens Line Dance-Gruppe (98), und der alte Sönke Feddersen am Tresen schaut sie sich beim Training »in Ruhe« an und schweigt, wie er es bei hübschen Frauen immer tut. »Er hatte früher auch bei ihrer Mutter schon geschwiegen.« (102)

Claudius

Mitbewohner von Ingwer Feddersen und Ragnhild Dieffenbach in Kiel. Bei Claudius ist »alles eine Spur zu groß«, er hat das »Ego eines Regenmachers« (53) und ist »noch im Scheitern größer als der Rest« (54). Nach elf Semestern Jura gleich zweimal durchs Staatsexamen gefallen, hatte er bei einem Segeltörn mit der elterlichen Rennyacht die »Erleuchtung«, zum Segeln geboren zu sein (ebd.). Nun ist er seit zwanzig Jahren »Profiskipper, Segellehrer, Bootsgutachter und Regattasegler« (55) und baut exklusive Boote für alte Freunde und Bekannte (161). Einmal ist er »kurz in eine Vaterschaft hineingesegelt«, das Kind, Ronja, wächst bei der Mutter auf, er zahlt Unterhalt, und »Ronja Regenmachertochter« taucht hin und wieder für ein Wochenende bei ihm auf (200). Wenn er »wie ein Alchemist« (53) seine mehrgängigen Menüs kocht, bei denen fast immer etwas schiefgeht, tobt in der Küche die »Seeschlacht von Trafalgar« (64). Meistens ist es Ingwer, der das Schlachtfeld nachher aufräumt. Bei Ragnhilds Geburtstagsparty geht gleich das ganze Menü schief, und Ingwer muss mit seinen bewährten Nudeln mit Tomatensauce einspringen, »Ingwer Checkersen«, sagt Claudius mit schiefem Grinsen (202).

Clausen, Nils und Anna

Nachbarn von Ella und Sönke Feddersen. Sie wohnen im Haus gegenüber und haben den Gasthof Feddersen von ihrem Küchentisch aus immer im Blick, winken ihren Nachbarn täglich grüßend zu und sehen alle, die bei Feddersens einkehren, und wann und wie sie wieder herauskommen (186). Als die schwangere Marret vom Kälberstall springt und sich die Füße bricht, kommt Anna »in Pantoffeln, ohne Mantel« gelaufen und hilft (77). In den späteren Jahren passen Nils und Anna, die gut zehn Jahre jünger sind als Ella und Sönke, »ein bisschen auf sie auf« (186), bringen die verwirrte Ella nach Hause, wenn sie sich auf die Straße verirrt (50), und besuchen die Alten, wenn Ingwer nicht da ist (186f.).

Dahlmann, Claus

Kollege von Ingwer Feddersen im Institut für Ur- und Frühgeschichte der Kieler Universität, der die Semesterferien als »Klingenschmied in einem Bronzezeit Erlebnispark« verbringt (21). Sein Institutszimmer hat er als Showroom seines wissenschaftlichen Geltungsanspruchs ausstaffiert (192f.). Er hält sich für ein wissenschaftliches Genie, einen »großen Denker«, der allerdings von der Fachwelt verkannt wird. So kann er seine wissenschaftlichen Misserfolge dem »Kartell der Mittelmäßigen« zuschreiben, das sich gegen ihn, den »Querdenker«, verschworen hat (194) und die Mittelmäßigen fördert, was dann auch gleich eine plausible Erklärung für die Erfolge von Kollegen liefert (195). Als Ingwer nach seinem Sabbatjahr ins Institut zurückkehrt, ist Dahlmann krankgeschrieben. »Zychisch«, sagt Institutssekretärin Anita Gehrke (318).

Dieffenbach, Beatrice

Schwester von Ragnhild Dieffenbach, die Ingwer Feddersen mit ihrer Begeisterung fürs Plattdeutsche auf die Nerven geht. Sie »bombte sich in jede Unterhaltung« mit ihrem »groteske[n] Volkshochschulen-Plattdeutsch« (158) und behandelt Ingwer wie ein Tier, das auf der Roten Liste steht (159).

Dieffenbach, Ragnhild

Mitbewohnerin von Ingwer Feddersen und Claudius in Kiel, 50 Jahre alt, Architektin, Diplomatentochter. Sie wohnt mietfrei in der gemeinsamen Wohnung, die alte Kaufmannsvilla gehört ihrer Familie (52). Ragnhild arbeitet sich immer noch an ihrem Herkunftsmilieu ab, betreibt eine Art »Verschlampung mit Niveau«, lässt das noble Interieur der Wohnung und sich selbst in »Unordnung und Staub« verlottern, trainiert sich die guten Manieren ab wie einen »Haltungsschaden« (51f.) und setzt als Architektin den béton brut gegen die gediegene Pracht aus Gründerzeit oder Jugendstil, in der sich ihre Vorfahren einrichteten (52). Sobald es aber darum geht, Aufträge an Land zu ziehen, kann sie augenblicklich umschalten und in Stöckelschuhen und Jil Sander-Kostüm den »große[n] Auftritt« hinlegen, wie sie ihn vom »Diplomatenvater« gelernt hat, muss sich danach allerdings im Irish Pub die Kante geben (52f.). Sie hat einen »Hang zum Psychologischen«, liest psychologische Fachzeitschriften, kennt »jeden klinischen Begriff und jedes Krankheitsbild« und belästigt ihre Umwelt mit ihren Diagnosen (139). Mit Ingwer hat sie »jetzt schon zweieinhalb Jahrzehnte lang nichts Halbes und nichts Ganzes«, sie schlafen manchmal miteinander, aber immer seltener (138). Ingwer hat »früher etwas Weiches unter ihrer Kratzigkeit gefühlt«, das er jetzt nicht mehr findet (61), sie wird immer »lauter, ruppiger« und ihr »Dauerhass auf die Familie Dieffenbach« stößt ihn zunehmend ab (138). Nach seinem Auszug schaffen Ragnhild und Claudius sich einen Kater an. Das sei das »empty nest syndrome«, erklärt Ragnhild, und Ingwer ist froh, dass er »nicht mehr das Haustier [...] in dieser Wohngemeinschaft« ist (313).

Feddersen, Ella

Ella, eigentlich Elisabeth (261), Tochter eines Schusters »zwei Dörfer weiter« (84), ist die Frau von Sönke Feddersen, Mutter von Marret Feddersen und Großmutter von Ingwer Feddersen, 92 Jahre alt (50), also 1922 oder 1921 geboren. Unter den Kavalieren der jungen Ella war Sönke der einzige, »der sie zum Lachen bringen konnte« (84), sie heiratete ihn im August 1944, »Kriegshochzeit«, der Bräutigam bekam 8 Tage Fronturlaub (85) und kehrte erst im Dezember 1947 zurück (83). Da hatte sie ihn schon tot geglaubt, liebte den jungen Dorfschullehrer Christian Steensen und war von ihm schwanger, Marret wird im Juli 1948 als eheliches »Siebenmonatskind« geboren (ebd.). Ella verlässt weder den einen noch den andern, sie »blieb ihnen beiden treu«, wie »eine Witwe, nur nicht nacheinander« (175). Allerdings kann sie ihren »Krischan« nur heimlich treffen, in der Mittagsstunde, wenn alle schlafen; sie hält die Verabredung auch nach seinem Umzug in die Kreisstadt und selbst noch nach seinem Tod ein (299f.). An ihrem Enkel vertritt sie die Mutterstelle, die Marret nicht einnehmen kann, Ingwer sagt »Mudder« zu ihr, auch nachdem er begriffen hat, dass sie nicht seine Mutter und Marret nicht seine große Schwester ist. Ella ist der »stillste Mensch in Brinkebüll« (146), sie ist schweigsam, »sprach [...] nicht, wenn sie nicht musste« (34), und sie ist verschwiegen (147f.), beteiligt sich nicht am Dorftratsch (149). Auch mit ihrem Mann kann sie über das Alltägliche hinaus nicht sprechen (122), nur beim Walzertanzen sind sie ein Paar, als sei die Musik ihre »Gebrauchsanweisung füreinander« (123). Im Alter wird sie dement und tut, was sie »ehr Leevdag« nicht getan hat, sie kneift und schlägt Sönke und beschimpft ihn »wie ein alter Kutscher« (251). Als er stirbt, streicht sie ihm über das Gesicht wie früher an seinen Kopfwehtagen, sagt »min Krischan« zu ihm und »weinte sehr um ihren Mann« (316). Ingwer muss sie am Ende seines Sabbatjahrs in eine Pflege für Demenzpatienten geben und besucht sie an jedem Wochenende, aber sie erkennt ihn nicht mehr (317).

Feddersen, Dr. Ingwer

Sohn von Marret Feddersen, Enkel und Ziehkind von Ella und Sönke Feddersen, 48 Jahre alt, Dozent am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität in Kiel, wo er seit 25 Jahren in einer Wohngemeinschaft mit Ragnhild Dieffenbach und Claudius lebt. Von November 2013 bis Oktober 2014 nimmt er ein Sabbatjahr, um seine über neunzigjährigen Großeltern in Brinkebüll zu pflegen. Ingwer, geboren im April 1966, hat sie lange Zeit für seine Eltern und seine Mutter Marret für seine große Schwester gehalten (164). Dass sein Vater einer der Landvermesser ist, die im Sommer 1965 die Felder für die Flurbereinigung vermessen haben, erfährt er erst kurz vor seinem Abitur von Gönke Boysen, die als Einzige die »Schweigeregeln« des Dorfes bricht (168). Er besucht vier Jahre lang die Grundschule in Brinkebüll bei Dorfschullehrer Christian Steensen, von dem er nicht weiß, dass er sein leiblicher Großvater ist. Steensen sorgt dafür, dass er aufs Gymnasium nach Husum kommt, und das Interesse für das Fach, das er dann in Kiel studiert, Ur- und Frühgeschichte, verdankt er ebenfalls Steensen, der seine Schüler im Heimatkundeunterricht auf die Suche nach prähistorischen Relikten in der Brinkebüller Feldmark schickt. Die Entscheidung für Gymnasium und Universität, mit der Ingwer zugleich »sein geerbtes Leben ausgeschlagen« hat (162), hinterlässt dauerhafte Schuldgefühle gegen Sönke Feddersen, der ihn als seinen Erben aufgezogen hat (ebd., 255). Und der markante Wechsel des sozialen Milieus bringt den Verlust von Zugehörigkeit mit sich. In Brinkebüll gehört Ingwer nicht mehr dazu (65), und in der Universität fühlt er sich trotz »Einserexamen« und Promotion mit Auszeichnung immer noch wie ein »Schwindler mit gefälschter Vita« (162). Das Gefühl der sozialen Differenz spielt auch in sein Verhältnis zu Ragnhild und Claudius hinein, in der Wohngemeinschaft mit der »Diplomatentochter« und dem »Richtersohn« (161) hat er, so erscheint es ihm zuletzt, die Rolle eines Haustiers (313). Das Sabbatjahr in Brinkebüll wird für ihn zu einer Zeit der Rückschau und Bilanzierung, die wenig befriedigend ausfällt. Ingwer sieht, dass er in seinem bisherigen Leben wenig selbst entschieden hat, sondern sich von Zufällen hat »schieben« lassen wie ein Findling auf der holsteinischen Geest einst von den Gletschern (140). Die Lebensmaximen der siebziger und achtziger Jahre, die feste Bindungen als »symbiotisches Geklette« und Ehe und Familie als »Brüterei« diskreditierten (136f.), erscheinen ihm jetzt als Ausdruck von »Bindungsangst« (139) und als fadenscheinige Rechtfertigung von Beziehungen, die »nichts Halbes und nichts Ganzes« sind wie seine Beziehung zu Ragnhild (138). Er sehnt sich »mit langsam wachsender Verzweiflung nach Besitzergreifung« (139). Ob und wie er sein »unsortiertes Leben« (159) in Ordnung bringen wird, bleibt offen. Immerhin zieht er aus der Wohngemeinschaft aus (313) und nimmt sich vor, Anneleen in ihrem Atelier zu besuchen (318). Was bleibt und durch den »Nachschlag Brinkebüll« (259) wohl noch wächst, ist die Bindung an das Dorf und den heimatlichen Landstrich, in denen er in seinem Sabbatjahr Dinge findet, »die er noch gebrauchen konnte« (ebd.). Er ist eines jener »Kartoffelkinder«, die ihr Leben lang auf den »Umlaufbahnen« ihrer Dörfer kreisen, »[t]reue Mondgesichter, die an ihrer alten Erde hingen« (27). Nach Sönkes Tod überlässt er den Gasthof seinem Schulfreund Heiko Ketelsen, behält darin aber zwei Zimmer, sein eigenes und das Zimmer seiner Mutter Marret (318) mit ihren Sammlungen und Zeichnungen, in denen das alte Brinkebüll aufbewahrt ist (313f.).

Feddersen, Marret (Marret Ünnergang, Marret Kröger)

Tochter von Ella Feddersen und Christian Steensen, »Kuckuckskind« von Sönke Feddersen, Mutter von Ingwer Feddersen, geboren im Juli 1948 (83). Marret ist »halfbackt«, nicht normal, aber auch nicht verrückt, »sie lag wohl irgendwo dazwischen« (35). Sie lebt in ihrer Welt wie »hinter einer Wand aus Glas« (33). Aber sie geht zur Schule und lernt bei ihrem leiblichen Vater lesen und schreiben. Sie kann singen und liebt die Schlager, die sie aus dem Radio und aus der Musikbox in Feddersens Gaststube kennt, und als sie älter wird, darf sie bei den Tanzvergnügen im Saal einige davon singen (14). Sie steht in enger Verbindung mit der Natur, führt Buch über deren Veränderungen in der Brinkebüller Feldmark, in die sie regelmäßig, meist in der Mittagsstunde, lautlos verschwindet, sammelt Blumen, Steine, Schneckenhäuser, Samen, manchmal auch tote Tiere, die sie in ihrem »Book«, einem Schulheft, sorgfältig abzeichnet und beschriftet und in ihrem »Schap« im Kuhstall aufbewahrt (32f.). Ihr feines Gespür für die Verluste, die die Natur durch die Intensivierung der Landwirtschaft erleidet, findet seinen Begriff in einem Heft der Zeugen Jehovas, das jemand in Feddersens Gaststube vergessen hat und in dem vom bevorstehenden Weltuntergang die Rede ist (9). Nun sieht sie überall Vorzeichen der nahenden Katastrophe und verkündet es allen im Dorf: »De Welt geiht ünner.« (7) Bald hat sie ihren Namen weg: »Marret Ünnergang« (9). Ihre eigene Welt geht vorher unter: Einer der Landvermesser, die in den Sommermonaten 1965 die Brinkebüller Feldmark für die Flurbereinigung vermessen, verführt die Siebzehnjährige und verlässt ihre Welt wie sein Fremdenzimmer in Feddersens Gasthof: »Verwüstet und zerwühlt« (13). Sie sucht ihn überall (37f.). Sie ist schwanger, ohne es zu wissen, spürt nur etwas Fremdes, »un dat geiht nich weg« (76). Sie versucht es durch einen Sprung vom Heuboden loszuwerden (ebd.), dann durch einen Sprung vom Kälberstall, bei dem sie sich beide Füße bricht (77). Nachdem sie wieder laufen gelernt hat, trägt sie nur noch Ellas alte »Klapperlatschen«. Seitdem kann man Marret, die früher lautlos kommen und gehen konnte, schon von Weitem hören (145). Mit ihrem Kind weiß sie nichts anzufangen. »Ik weet nich, wat man dormit schall.« (206) Ella und Sönke Feddersen ziehen den Jungen groß, und Ingwer wächst in der Vorstellung auf, dass Marret seine große Schwester ist (164). Einige Jahre später, an einem warmen Julitag, verschwindet Marret so lautlos wie früher, nicht in ihren Klapperlatschen, sondern barfuß, ihre kleinen schiefen Füße haben in dem frisch gegossenen Beton auf dem neuen Parkplatz des Gasthofs Abdrücke hinterlassen (305). Das ganze Dorf sucht vergeblich nach ihr. Sie wird nie wieder gesehen (306f.).

Feddersen, Sönke (Sönke Kröger)

Gastwirt und Bauer, Eigentümer des Brinkebüller Dorfkrugs mit 15 Hektar Land, Ehemann von Ella Feddersen, (gesetzlicher) Vater von Marret und Großvater von Ingwer Feddersen, 93 Jahre alt (25), also 1921 oder 1920 geboren. Sönke war erst fünfzehn, als er den Gasthof übernehmen musste, weil sein Vater starb (249). Ein paar Jahre später wurde er in den Krieg geschickt, in dem er sein Tun, weit davon entfernt, sich auf die Gehorsamspflicht des einfachen Soldaten zu berufen, als schwere persönliche Schuld erlebte. Von Hause aus nicht fromm, glaubt er seither an einen Gott, der über jeden Menschen Buch führt und dafür sorgt, dass man für alles, »was man verbrochen hatte«, zahlen muss (173). Deshalb war er einverstanden mit den »fast tausend Tage[n]« im russischen Kriegsgefangenenlager, nahm sie als Abzahlung der Schuld, die er als Soldat auf sich geladen hatte (173f.). Als er im Dezember 1947 doch noch nach Hause kam und verstand, dass Ella, die ihn tot glaubte, sich einem anderen Mann, Steensen, zugewandt hatte und von ihm schwanger war, nahm er das als Zeichen, dass er noch immer im »Soll« stand und weiterzahlen musste, mit einem »Kuckuckskind, das dann auch noch halfbackt war«, und mit einer Frau, »die ihm zur Hälfte abgezogen wurde« (174). Allerdings hat er seitdem auch eine »Wut« in sich, die »so alt wie Marret« ist und die ihn siebzehn Jahre später, als sich herausstellt, dass Marret schwanger ist, fast überwältigt, weil er sich ein zweites Mal zum »Hampelmann« gemacht sieht. »Erst ein Kuckuckskind und jetzt ein Enkelkind mit einem unbekannten Vater.« (83). Aber Ella gibt dem vaterlosen Enkelkind den Namen von Sönkes Vater, Ingwer, und weckt damit einen alten, längst begrabenen Wunsch: »Einen Jungen haben, ihn so nennen wie den Vater.« (178) Und tatsächlich wird Ingwer sein Junge. Er bringt den schreienden Säugling zur Ruhe, indem er ihn sich unter Hemd und Weste vor den Bauch knöpft, und trägt das Kind seitdem fast immer mit sich herum, bei den Brinkebüllern heißt er bald »Sönke Büdel« (183f.). Leuten von außerhalb erklärt er: »Dat is min Jung.« (185) Das unverhoffte Glück lässt ihn denken, dass sein Konto bei dem göttlichen Buchhalter nun ausgeglichen ist, »er hatte abbezahlt« (ebd.). Er bereitet Ingwer auf die Aufgaben eines Gastwirts und Bauern vor (239f.), plant sogar eine weitreichende Modernisierung des Gasthofs (257), während der leibliche Großvater das Kind in der Schule auf den Weg »Richtung Ortsausgang« schiebt, Richtung Gymnasium und Universität (239). Dass Ingwer diesen Weg dann tatsächlich geht (257), verwindet Sönke schwer. Noch Jahre später, wenn Ingwer am Sonntagabend wieder zu den »Studierern« nach Kiel fährt, geht Sönke vor die Tür und bläst ihm auf seiner Trompete seinen grimmigen »Gruß an Kiel« (25, 129). Er »[s]puckte auf den BAföG-Antrag, das Diplom, den Doktortitel« (24). Im Alter wird er versöhnlicher, nimmt auch die Fürsorge des Enkelsohnes an. Seinem letzten großen Wunsch, mit Ella die Gnadenhochzeit zu feiern, macht der Tod einen Strich durch die Rechnung. Er stirbt eine Woche vor seinem 70. Hochzeitstag (315).

Fremde, der kahle

Ein Scherenschleifer, der in jedem Frühjahr nach Brinkebüll kommt, Messer und Scheren schleift und Schuhcreme, Bürsten und Schnürsenkel verkauft. Er hat ein Holzbein, trägt einen kurzen himmelblauen Rock und weiße Strumpfhosen (10f.) und ist »auf eine unerbittliche und radikale Weise einsam« (171). Ella Feddersen ist die Einzige, die ihn nicht an der Tür abfertigt, sondern ihm am Tresen eine Tasse Kaffee einschenkt (ebd.).

Gehrke, Anita

Sekretärin des Kieler Instituts für Ur- und Frühgeschichte. Sie sitzt im Sekretariat »wie Zerberus der Höllenhund«, ist der »Schrecken aller Erstsemester« und blafft jeden an, der zur Unzeit in ihr Zimmer kommt. Besser als mit Menschen kann sie mit Pflanzen, ihr Büro sieht aus wie ein Gewächshaus. Ingwer Feddersen steht gut mit ihr, was der Topfpflanze in seinem Zimmer zugute kommt (191).

Godbersen, Hauke

Zusteller der Illustriertenmappen des Lesezirkels, daher auch »Mappenmann« genannt. Außerdem macht er »jeden Sonnabend für zwanzig Mark und freies Bier« die Kasse bei den Tanzveranstaltungen in Feddersens Gasthof, und wenn die siebzehnjährige Marret Feddersen auf der Bühne zur Musik der »Barracudas« einige Schlager singt, steht er »wie ihr Leibwächter« am Bühnenrand. Er hängt auf eine »grimmige, gereizte Art« an Marret, weniger wie ein Verliebter, eher »wie ein Artenschützer, der ein seltenes, bedrohtes Tier im Blick behielt«, aber Marret scheint ihn gar nicht wahrzunehmen (47). Auf den Heiratsantrag, den er der schon sichtbar schwangeren Marret macht, reagiert sie nicht, was aber auch daran liegen kann, dass er sich »nicht deutlich ausgedrückt« hat (273). Später, als Ingwer schon fast zehn Jahre alt ist, fährt sie manchmal mit ihm die Lesemappen aus, weil sein VW ein Autoradio hat, aber da ist es noch schwerer, sich mit ihr zu unterhalten, weil sie nur noch vom Weltuntergang spricht. Hauke Godbersen resigniert: »wahrscheinlich lohnte es schon nicht mehr mit dem Heiraten« (274).

Gregersen, Sünje

Studentin der Ur- und Frühgeschichte in Kiel. Für Ingwer Feddersen, dessen Seminar sie besucht, genügt ihr Name, um zu wissen, dass sie wie er selbst eines der »Kapuzenkinder« aus irgendeinem kleinen Geestdorf »mit ›-büll‹ am Ende« ist, die neun Jahre lang jeden Morgen im Regen an der Bushaltestelle auf den Schulbus gewartet haben, der sie dann »behäbig wie ein Kartoffelroder« nach Niebüll oder Husum zur Schule gefahren hat, eine der kleinen »Saatkartoffeln«, die man »aus dem sandigen Boden gerüttelt und ins Gymnasium gesteckt« hat, »damit aus ihnen mal was würde« (21), und die dann später »wie blinde Passagiere in die Hörsäle und Seminarräume geschlichen kamen, wie Gäste, die niemand eingeladen hatte« (22f.).

Hamke, Ina

Frau von Thies Hamke, Mutter von Jan, Hauke und Marten Hamke. Sie bringt der schwangeren Marret ihre abgelegten Umstandskleider, bei Hamkes ist »kein Nachwuchs mehr in Sicht« (143). Nach dem Unfalltod ihres Jüngsten, Marten, leben sie und ihr Mann eine Zeitlang »in einer anderen Welt« (211).

Hamke, Jan und Hauke

Söhne von Ina und Thies Hamke, ältere Brüder des kleinen Marten Hamke, der auf der Brinkebüller Dorfstraße mit seinem Fahrrad tödlich verunglückt. Nach seiner Beerdigung kann niemand das Bild der »krummgeweinten Jungs am Grab« vergessen, »die wohl die Schuld bekamen« (211). Sie hatten Marten das freihändige Fahrradfahren beigebracht und ihn dann allein weiterüben lassen, um zur Badekuhle zu fahren (208).

Hamke, Marten

Jüngster Sohn von Ina und Thies Hamke, kleiner Bruder von Jan und Hauke Hamke. Der knapp Fünfjährige holt seinen Vater vom Adventsfrühschoppen ab und singt für eine Flasche Brause Freddy Quinns »Junge, komm bald wieder« (118f.). Das Kind mit dem dichten, weißen Haar »wie ein Lammfell« (119) ist das »meistgekraulte Kind im ganzen Dorf« und das einzige, das bei Dora Koopmann alles darf (143), »Tante Doras lüttje Liebe« (209). Gerade erst sechs Jahre alt geworden, gerät der Kleine beim freihändigen Radfahren auf der Dorfstraße vor einen Kieslaster und wird tödlich verletzt (208f.).

Hamke, Thies

Bauer in Brinkebüll, Ehemann von Ina Hamke, Vater von Jan, Hauke und Marten Hamke. Bei der Schneeballschlacht vor Feddersens Gasthof im Advent 1965 trifft sein Schneeball versehentlich Pastor Ahlers, dem er dann wie ein »ertappter Konfirmand« wieder auf die Beine hilft (115). Der Kummer über den Unfalltod seines Jüngsten, Marten, lähmt ihn, die Nachbarn helfen ihm beim Mähen und Melken (211).

Heidrun, Rita und Ulrike

Freundinnen von Ragnhild Dieffenbach und Mitglieder ihrer Doppelkopf-Runde, die an jedem Dienstagabend zum Kartenspiel in der Wohngemeinschaft einfallen und vor denen Ingwer und Claudius meistens in eine Kneipe flüchten. Sie üben in »Ego-Boost-Camps« lautes Sprechen mit tiefer Stimme ein, besuchen »Optimierungsseminare«, um sich ihre Schwächen abzutrainieren, und erledigen dabei auch gleich »alles Liebenswerte«, so dass Ragnhild neben ihnen wie ein »Rehlein« erscheint (199).

Jensen, Fiete

Bauer in Brinkebüll, mit dem Sönke Feddersen das Schicksal teilt, ein »Kuckuckskind« großziehen zu müssen (86f.).

Jensen, Kalli

Bauer in Brinkebüll, den Marret Feddersen bei ihren Gängen durchs Dorf einmal fast zu Tode erschreckt, weil der Kompressor seiner Melkmaschine so laut ist, dass er sie nicht hat kommen hören (8f.).

Ketelsen, Folkert

Bauer in Brinkebüll, Vater von Heiko Ketelsen, ein gewalttätiger Mann, der seine drei Söhne täglich und meistens ohne Anlass prügelt »wie Vieh« (95), auch seine Frau ist nicht sicher vor ihm. Die Brinkebüller halten ihn für ein »Stück Mist« und haben Mitleid mit den Kindern, greifen aber nicht ein (96). Noch im Alter wirft er Geschirr und Besteck nach seinem jüngsten Sohn Heiko, der ihn versorgt, trifft aber nicht mehr, weil er zu sehr zittert, er hat Parkinson (289).

Ketelsen, Heiko

Mitschüler und Jugendfreund von Ingwer Feddersen, Sohn von Folkert Ketelsen. Seine Kindheit und Jugend steht ganz im Zeichen seines brutalen Vaters, der seine Söhne täglich prügelt (95f.). Für Heiko, den jüngsten der drei Brüder, ist es eine Frage der Ehre, die Gewalttätigkeit des Vaters zu ertragen, ohne zu weinen oder auch nur einen Mucks zu tun, bald heißt er bei seinen Mitschülern »Jaulnich Ketelsen« (96). Auch später ist »Heiko Ketelsens Talent [...] das Ertragen« (104). Ihm will nichts gelingen. Er bricht die Schule nach der achten Klasse ab, fängt zwei Lehren an und wird beide Male schon in der Probezeit hinausgeworfen, hat bei den Mädchen kein Glück, gilt bei allen als Versager (103f.), aber er »hielt es alles aus« (104). Spät, mit Mitte Vierzig, findet er dann doch noch etwas, das ihm gelingt: Er gründet eine Line-Dance-Gruppe, die »Brinkebüll Buffalos«, die sich jeden Donnerstag im Saal von Feddersens Gasthof zum Üben trifft und für die er wegen seiner tänzerischen Perfektion das unangefochtene und bewunderte Vorbild ist, Sheriff Ketelsen (103). Und er findet doch noch eine Frau, Moni, seine Tanzpartnerin, die Sönke Feddersen »dat grote Heupeerd« (101), Heiko aber »mein Präriehase« nennt (102) und die »so lieb« zu ihm ist, dass ihm die Tränen in die Augen steigen (292). Nach Sönkes Tod verpachtet Ingwer ihm den Gasthof, aus dem er eine Countrykneipe machen möchte (312, 318).

Ketelsen, Püppi

Jüngste Tochter von Folkert Ketelsen, die ihren Bruder Heiko beißt und kratzt und ihm hinterher die Schuld zuschiebt. Für Ingwer Feddersen, der sich für seine vermeintliche Schwester Marret schämt, ist sie beruhigendes Beispiel dafür, dass es normal ist, mit Schwestern »Maleschen« zu haben (165).

Koopmann, Dora

Inhaberin des Edeka-Ladens in Brinkebüll, meist schlechter Laune, weil die Kundschaft ihr nichts recht machen kann und schuld daran ist, dass sie Bluthochdruck und Wasser in den Beinen hat. Dieses »ganze undankbare, unverschämte Volk« zu bedienen, geht ihr gegen den Strich, »wer war man denn« (35). Auch ihr Mann, »de ole Sack«, konnte ihr offenbar nichts recht machen, sie hat ihn irgendwann hinausgeworfen (168). Nur der kleine Marten Hamke, »Tante Doras lüttje Liebe« (209), darf bei ihr alles (143). Sie muss aus nächster Nähe mit ansehen, wie er verunglückt (209). Als in der Kreisstadt die ersten Selbstbedienungsläden und Discounter eröffnen, kann Dora Koopmanns Hökerladen bald nicht mehr mithalten, was sie ebenfalls ihrer Kundschaft anlastet (304), der sie manchmal auf den Aldi-Parkplatz folgt, um sich an ihrer Verlegenheit zu weiden, wenn sie ihr mit vollem Einkaufswagen begegnen (298). Mit Anfang fünfzig gibt sie den Laden auf und arbeitet als Hauswirtschafterin in einer Bundeswehrkantine. Ein paar Jahre später heiratet sie einen Leutnant der Reserve. »Spätes Glück für Dora Koopmann, Pech für die Brinkebüller. Das hatten sie davon.« (304) Kurz vor Weihnachten 2013 liest Sönke Feddersen ihre Todesanzeige in der Zeitung (134).

Kruse, Ada

Hebamme bei Marret Feddersens Niederkunft. Nach zwanzig Stunden gibt sie auf und rät Ella Feddersen, Marret ins Krankenhaus zu bringen: »dat is mi nich geheuer« (154).

Landvermesser

Drei junge Ingenieure, die in den Sommermonaten 1965 die Brinkebüller Feldmark für die Flurbereinigung vermessen. Sie logieren in Feddersens Dorfkrug. Abends sitzen sie in der Gaststube, Sönke Feddersen, der in diesem verregneten Sommer viel Grog servieren muss, macht ihnen seine »Damenmischung, bisschen Rum, viel heißes Wasser, ein Stück Zucker mehr« (40). Einer von den dreien, Andreas, Thomas oder Wolfgang (41), muss es gewesen sein, von dem die siebzehnjährige Marret Feddersen schwanger wird (12), wahrscheinlich der mit der nachtblauen Seidenkrawatte, die er bei der Abreise im Kleiderschrank vergisst (30, 47). Er verlässt Marrets Welt »wie sein Fremdenzimmer: Verwüstet und zerwühlt, alles ruiniert von seinen schweren Stiefeln« (13).

Leidig, Carsten

Besitzer der alten Brinkebüller Windmühle, der ungefähr Mitte der siebziger Jahre gestorben sein muss, denn seine Schwester verkauft um diese Zeit seine Mühle, eine alte Graupenmühle, an Leute aus Berlin (263f.). Carsten Leidig ist der einzige Brinkebüller, der vor Marret Feddersen Angst hat und mit seinem Rübenmesser fuchtelt, wenn er sie kommen sieht (10). Als Kind ist er auf den Kopf gefallen, seitdem »hatte er sie nicht mehr alle« (76). Deshalb hält Haye Nissen ihn für einen passenden Bräutigam für die schwangere Marret, »jüst so plemplem as Marret« (117). Carsten Leidig beherrschte noch die Zeichensetzung der Mühlenflügel, wie Ingwer Feddersen sich erinnert: »Freudenschere, wenn ein Kind geboren wurde, Trauerschere bei Beerdigung« (55). Später wurden die Flügel morsch und mussten abgenommen werden. In jüngerer Zeit hat sich der neu gegründete Brinkebüller Mühlenbauverein der Gebäude angenommen und die Mühle restauriert (280).

Magda, Oberschwester

Oberschwester im städtischen Krankenhaus, in dem Marret Feddersen im April 1966 ihr Kind zur Welt bringt. Sie beschwert sich bei Ella Feddersen wortreich (und Marrets Familienstand in jedem Satz betonend) über die Gleichgültigkeit, die »Fräulein Feddersen« ihrem Kind entgegenbringe (179f.).

Martensen, Kai

Schulfreund von Ingwer Feddersen, Heiko Ketelsen und Henning Bahnsen, Sohn von Kalli Martensen.

Martensen, Kalli

Tischler in Brinkebüll, Vater von Kai Martensen. Er fällt mit seinen Leuten die abgestorbenen Ulmen am Westerende (7), später auch die Kastanien, die die alte Dorfstraße säumen, und die alte Dorfkastanie (205). Kalli Martensen, der, wenn er getrunken hat, »gehässig« werden kann, nennt Ingwer Feddersen nach einem Erntefest »Ingwer Flurbereinigung«, worauf Sönke Feddersen den Betrunkenen wütend hinauswirft und Ingwer ins Bett schickt (167f.). Martensens ältester Sohn verunglückt tödlich, als er zum ersten Mal im Auto seines Vaters zur Diskothek fährt (297). Zu den Geräuschen, die man in Brinkebüll irgendwann nicht mehr hört, gehört auch das Schleifen aus der Tischlerei (316).

Meierist, Jakob

Betreiber der Meierei in Brinkebüll, sein Nachname bleibt ungenannt. Jakob Meierist ärgert sich über Marret Feddersen, die gern auf dem Dach seiner Meierei sitzt, aber es gelingt ihm nicht, sie zu vertreiben (34). Nachdem der Meiereibetrieb eingestellt worden ist, steht das große Gebäude leer, und Marret kann »ungestört den Tauben zuhören« (264). Später wohnt eine kurdische Familie in dem Gebäude (187).

Moni

Freundin von Heiko Ketelsen, eine »korpulente Frau mit rot gefärbtem Pferdeschwanz« (102). Sie lebt mit ihm auf »Heiko's Ranch«, dem verfallenden Hof seines Vaters, wo sie Pferdeboxen für Westernreiter vermieten und Kindergeburtstage mit Ponyreiten veranstalten (288). In Sönke Feddersens Augen ist sie »dat grote Heupeerd« (101), Heiko dagegen sieht in ihr seine »Traumfrau«: »Se is so lieb to mi, dat gloovst du gor nich« (292).

Nissen, Haye

Schmied und Maschinenschlosser in Brinkelbüll, dessen Landmaschinenwerkstatt in der Erntezeit auf Hochtouren läuft (43). Seine »Hammerschläge waren wie der Puls von Brinkebüll, schnell im Sommer, ruhiger in den anderen Jahreszeiten« (181). In strengen Wintern, wenn der Mergelschacht zufriert, ist er auch dafür zuständig, die Tragfähigkeit des Eises mit dem großen Schmiedehammer zu prüfen (113). Als die Traktoren und Maschinen nach der Flurbereinigung immer größer werden, baut er eine neue Werkstatt, »groß wie eine Halle« (295). Nach dem »großen Dreschen« (300), das die Zahl der bäuerlichen Vollerwerbsbetriebe im Dorf auf einige wenige große Höfe reduziert, lohnt sich die Werkstatt nicht mehr. Haye Nissen steigt auf Windkraft- und Solaranlagen um, und das Hämmern aus seiner Werkstatt verstummt (316f.).

Pauls, Uwe

Bauer in Brinkebüll. Er gehört mit Heini Wischer »und zwei, drei anderen umnachteten Gestalten« zu den Bauern, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen und sich gegen die Flurbereinigung und eine Modernisierung ihrer Betriebe sperren (73).

Peter (Katheter-Peter)

Chefpfleger in dem Seniorenheim, in dem Ingwer Feddersen seinen Zivildienst abgeleistet hat. Die »langhaarige[n] Schnullis« lernten bei ihm nicht nur höflichen Umgang mit den Alten (127), sondern auch alles über Hanfverarbeitung, denn im Innenhof baute er Gras in Blumenkästen an (128).

Rickertsen, Arno

Ehemaliger Bäcker, der mit seiner Bäckerei Pleite gegegangen ist und sich danach vergeblich umzubringen versucht hat, indem er mit dem Auto gegen einen Brückenpfeiler gerast ist. »Lebte immer noch, man sah ihn manchmal mit dem Rollstuhl durch die Gegend juckeln.« (78) Sönke Feddersen, dem auch Selbstmordgedanken durch den Kopf gehen, als er die schwangere Marret zum Krankenhaus fährt, muss an ihn denken und nimmt den Fuß vom Gas.

Ronja

Tochter von Claudius, die bei ihrer Mutter in einem Dorf bei Bremen lebt und ihren Vater ab und zu in Kiel besucht, so auch an dem Wochenende, an dem Ragnhild ihren 50. Geburtstag feiert. Sie ist ein »verpeiltes und verwöhntes Gör«, das Denken eher lästig findet. »Ja, ne. Pff, keine Ahnung.« (201)

Steensen, Christian (Krischan)

Dorfschullehrer, leiblicher Vater von Marret Feddersen. Steensen, der sein Amt als Lehrer der Einklassenschule von Brinkebüll 35 Jahre lang versieht, ist leidenschaftlicher Prähistoriker. Bei jedem Wetter sieht man den hageren Mann wie einen »Rabenvogel« (66) über die Äcker schreiten, immer den Blick nach unten gerichtet auf der Suche nach Zeugnissen der Jungsteinzeit, und im Heimatkundeunterricht führt er auch seine Schüler mit Spaten und Schaufeln zu Grabungen hinaus oder lässt sie Längsschnitte durch eiszeitliche Gletscher zeichnen (27f.). Die Ersetzung des Fachs Heimatkunde durch das Fach Sachkunde, die kurz vor dem Ende seiner Dienstzeit verfügt wird, ignoriert er, ebenso die »neuen Dienstanweisungen zur gewaltfreien Erziehung« (227). Steensen hält die körperliche Züchtigung für nötig, »wenn man als Lehrer nicht zum Hampelmann verkommen wollte« (228). In seinen jüngeren Jahren konnten dumme Schüler ihn in Raserei versetzen (70), im Alter wird er milder (228). Er führt ein karges, genügsames Leben (71), nimmt an dem geselligen Leben des Dorfes nicht teil, bleibt immer ein »Abgewandter, Weggerückter« (73). Nur mit Ella Feddersen verbindet ihn eine lebenslange Liebe. Ihre Beziehung begann nach dem Krieg, Ella hatte ihren Mann Sönke Feddersen, der nicht aus dem Krieg zurückgekehrt war, für tot gehalten und war, als Sönke im Dezember 1947 doch noch heimkehrte (82), im zweiten Monat schwanger. Sie blieb »beiden treu« (175), erhielt die Ehe mit Sönke aufrecht, so dass Marret im Juli 1948 als eheliches »Siebenmonatskind« geboren wurde (83), hielt aber auch an ihrer Liebe zu Steensen fest, wenn auch nur noch heimlich, sie treffen sich fortan in der Mittagsstunde, wenn das Dorf schläft. Aber die Vaterrolle bleibt ihm verwehrt, auch dem Enkel Ingwer kann er nur manchmal, »wenn es keiner sah«, über den Kopf streichen (240) und dafür sorgen, dass er aufs Gymnasium kommt, »[w]eg von Sönke Feddersen und seinem Gasthof« (239). Nach seiner Pensionierung in der Mitte der siebziger Jahre zieht er nach Husum um, und Ella besucht den »ernsten, stillen Mann« jeden Montagnachmittag und Donnerstagabend (299). Auch nach seinem Tod zehn Jahre später hält sie diese Verabredung ein, pflegt montags sein Grab und verbringt donnerstags den Abend und die Nacht in seinem Haus, das er ihr vermacht hat (300).

Thomsen, Hanni

Ehemaliger Bauer in Brinkebüll, ein »unrasierter Junggeselle, der seinen Hof und seinen Führerschein versoffen hatte« (80). Er tuckert täglich mit seinem alten Mofa durchs Dorf und kehrt jeden Vormittag in Feddersens Gasthof ein, um zwei Underberg zu trinken (44). Manchmal bringt er Ella Feddersen, »[d]e schmuckste Fruu vun Brinkebüll«, Blumen mit, die er aus einem Garten gestohlen hat (80). Wenn die Musikbox Freddy Quinns »Junge, komm bald wieder« spielt, muss er an der Stelle mit der Mutter immer weinen (117). Nach Festen kommt er kurz vor Schluss in den Gasthof, trinkt die Reste aus den Gläsern, hilft Ella und Marret beim Aufräumen und bekommt dafür fünf Mark, für die er sich bei Dora Koopmann Jagdwurst kauft (302f.). Er kann weder lesen noch schreiben, verbirgt es aber so gut, dass kaum jemand es bemerkt (148). Nach dem Einzug der Berliner in Carsten Leidigs alte Mühle umkreist er die Mühle mehrmals täglich mit seinem Mofa, seit er Sonja Baumann nackt hat baden sehen (241, 267). Als sein Mofa endgültig versagt, steht er weinend »wie ein Witwer neben seinem toten Mofa«, Haye Nissen richtet ihm ein altes Damenfahrrad her, auf dem er jeden mit Klingeln begrüßt, seitdem heißt er nur noch »Hanni Bimmel« (303).

Winter, Jana

Doktorandin am Kieler Institut für Ur- und Frühgeschichte, die seit Jahren von morgens früh bis abends spät im Lesesaal der Seminarbibliothek an ihrer Arbeit sitzt, ohne voranzukommen, ein »schwerer Fall von Weltangst, diese Doktorarbeit würde niemals fertig werden« (190).

Wischer, Heinrich (Heini)

Einer der Bauern in Brinkebüll, die sich gegen die Flurbereinigung (73f.) und die Modernisierung ihrer Betriebe stemmen und deshalb schließlich dem »großen Dreschen« zum Opfer fallen (300), bei dem die Zahl der bäuerlichen Vollerwerbsbetriebe im Dorf – nach dem »Lehrsatz der modernen Landwirtschaft« ›Wer nicht wachsen will, muss weichen‹ (271) – auf einige wenige große Höfe reduziert wird. Heini Wischer denkt noch »in Kreisen«, er versteht die landwirtschaftliche Produktion als biologischen Kreislauf von »Gras und Milch und Mist«, bei dem das Tier neben Milch und Fleisch auch den Dünger für den Anbau der Futterpflanzen liefert, die es frisst (263). Während Paul Bahnsen und andere Bauern schon mit  Mähdreschern und schweren Traktoren arbeiten, mäht Heini Wischer sein Gras noch mit der Sense (180), macht alles andere mit seinem alten Hanomag und gibt seinen alten Arbeitspferden, nach denen er jeden Abend vor dem Schlafengehen sieht (263), das Gnadenbrot (111). Zuletzt muss er aufgeben, verkauft alle Tiere, macht den Kuhstall sauber und lässt die Stalltür für die Schwalben offen. Nur seine beiden Kaltblüter verkauft er nicht, »kein Mensch verstand, was er noch mit den Ackergäulen wollte« (271).

Wischer, Käthe

Mutter von Heini Wischer. In einem schneereichen Winter fährt Heini Wischer die 85-Jährige mit seinem alten Pferdeschlitten durchs Dorf, und sie erinnert sich, wie sie vor siebzig Jahren in diesem Schlitten zur Konfirmation gefahren wurde, der Schlitten dabei in den Graben rutschte und sie in nassen Kleidern konfirmiert und davon so krank wurde, dass sie fast gestorben wäre (112).

Wischer, Lina

Ehefrau von Heini Wischer. In den ersten Wochen nach der Aufgabe des Hofes folgt sie ihrem Mann heimlich bei seinem abendlichen Rundgang durch die Stallungen und versteckt alles, womit er sich das Leben nehmen könnte, Seile, Kabel, Messer. »Man hörte viel zu oft Geschichten über Bauern, die sich das zu sehr zu Herzen nahmen.« (272)

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