Nathanael

ist der tragische und romantische Protagonist der Geschichte. Er studiert in G., ist mit Clara verlobt und ihrem Bruder Lothar befreundet.

Als der Wetterglashändler Coppola in sein Zimmer tritt, wird ein Kindheitstrauma Nathanaels wieder lebendig. In ihm glaubt er nämlich den Advokaten Coppelius zu erkennen, den er in seiner Kinderzeit mit dem grausigen »Sandmann« gleichgesetzt und für den Tod seines Vaters verantwortlich gemacht hatte (vgl. Sandmann und Coppelius). Die Erscheinung dieses Mannes deutet er als »schweres Unheil« (20) und ist sich sicher, »daß ein dunkles Verhängnis wirklich einen trüben Wolkenschleier über mein Leben gehängt hat, den ich vielleicht nur sterbend zerreiße« (18).

Die Bestimmtheit, mit der »Clara die Existenz des Dämons nur in seinem eignen Innern« fest macht, scheint ihn kurzfristig zu beruhigen (30). Ein Brief an Lothar macht deutlich, dass er sich ihre Argumente zu eigen macht. Auch findet er selbst noch weitere Gründe, die dafür sprechen, »daß der Wetterglashändler Giuseppe Coppola keineswegs der alte Advokat Coppelius« sein kann (24). Bei einem Besuch in der Heimatstadt reagiert er dann aber »erzürnt« auf Claras seelenkundliche Erklärungen (30). Sein »Verdruß« über ihr »kaltes prosaisches Gemüt stieg höher«, bis er sich innerlich immer mehr von ihr entfernt, »ohne es selbst zu bemerken« (30). Die Situation spitzt sich zu, und es kommt zu einem heftigen Streit, in den auch Lothar sich einmischt. Ein drohendes Duell der Freunde kann Clara im letzten Moment noch verhindern. Zurück in G., bezieht Nathanael ein neues Zimmer, weil seine alte Unterkunft aus ungeklärten Gründen abgebrannt ist. Aus seinem Fenster kann er nun in die Wohnung seines Professors Spalanzani im Haus gegenüber schauen, bei dem er seit einiger Zeit »Collegia« für Physik hört (24).

Bei einem neuerlichen Besuch des Wetterglashändlers schämt er sich »seiner kindischen Gespensterfurcht« und kauft ihm ein »Taschenperspektiv« (4) ab, mit dem er fortan Spalanzanis ›Tochter‹ Olimpia beobachtet (35 f.). Als er sie das erste Mal sieht, ist sie ihm noch »ganz unheimlich« (25). Aber seit er sie durch das Taschenperspektiv beobachtet und »immer schärfer und schärfer durch das Glas hinschaute, war es, als gingen in Olimpia´s Augen«, die zuvor so tot und starr wirkten, »feuchte Mondesstrahlen auf« (36). Bei einer Feier im Hause des Professors entwickelt sich Nathanaels Interesse für Olimpia zu einer Besessenheit. Er besucht sie fortan täglich und kann ihre Zuhörerqualitäten nicht genug loben. Die Bedenken seines Freundes Siegmund, dass die Gleichförmigkeit Olimpias, die an ein aufgezogenes Räderwerk erinnert, ihnen allen unheimlich sei, weist Nathanael von sich: »Nur dem poetischen Gemüt entfaltet sich das gleich organisierte!« (42)

Clara und seine Familie verblassen in seinem Bewusstsein so sehr, dass er plant, um Olimpias Hand anzuhalten. Bei dieser Gelegenheit trifft er jedoch auf Spalanzani und Coppola, die sich heftig um Olimpia streiten. Nun sieht Nathanael seine Befürchtungen wegen des Wetterglashändlers doch wieder bestätigt: Coppola spricht mit Coppelius‘ Stimme und flüchtet mit der mechanischen, augenlosen ›Automate‹ Olimpia, die er sich unter den Arm geklemmt hat. Als Nathanael sieht, wie Spalanzani mit einem Paar blutiger Augen nach ihm wirft, gerät er vollends außer sich: Er versucht, den Professor zu erwürgen, und wird daraufhin »nach dem Tollhause« gebracht (45).

Wieder zu Hause, scheint er sich zu erholen. Es werden Vorbereitungen für seine Hochzeit mit Clara und den Umzug der gesamten Familie auf ein von der Mutter ererbtes Landgut getroffen. Als er aber mit seiner Braut auf dem Ratsturm steht, um einen letzten Blick ins Gebirge zu werfen, greift er in seiner Tasche »mechanisch« nach Coppolas Fernglas und schaut hindurch. Als er sich umdreht und Clara ansieht, »zuckte es krampfhaft in seinen Pulsen und Adern«, und er versucht, sie vom Turm zu werfen (48). Lothar kann seine Schwester retten. Der immer noch tobende Nathanael sieht Coppelius unten in der Menge stehen und stürzt sich in die Tiefe.