Chojnicki, Graf

Der aus Galizien stammende Graf Chojnicki ist einer der Wiener Freunde Franz Ferdinands: »Er war der Älteste und Klügste unter uns« (247). Er ist überzeugt von der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und Gegner des »verrückten Europa der Nationalstaaten« (235). Er verteidigt die Kronländer, denn das »Wesen Österreichs sei nicht  Zentrum sondern Peripherie« (235), und prophezeit, die Monarchie werde nicht an diesen, sondern an der »Nibelungentreue« Kernösterreichs zu Deutschland zugrunde gehen (235).

Er hat keinen Beruf, da er die Angebote, in Armee, Verwaltung oder Diplomatie Karriere zu machen, immer ausgeschlagen hat aus Verachtung für die, »die den Staat verwalteten und die er ›Knödelhirne‹ zu nennen liebte« (242). Durch seine »nicht-offizielle Würde« ist er aber der einzige von Franz Ferdinands Freunden, der imstande ist, die »wirksame Widerstandskraft der alten österreichischen Beamten zu brechen« (242). Als Franz Ferdinand mit der Bitte des galizischen Juden Manes zu ihm kommt, seinem Sohn Ephraim einen Platz am Konservatorium zu verschaffen, ist er begeistert: Seit die »Knödelhirne« Antisemiten geworden seien, liebe er seine galizischen Juden und wolle die zuständigen Beamten »mit dem kleinen Ephraim ärgern« (243). Zugleich verhält er sich »Kellnern, Kutschern, Dienstmännern und Briefträgern« gegenüber beachtenswert freundlich (242).

Er ist zwar ebenso Atheist wie die anderen adeligen Freunde Franz Ferdinands, hält jedoch an der katholischen Kirche fest, da sie »in dieser morschen Welt noch die einzige Formgeberin« sei. Sie bezeugt ihre »Noblesse« seiner Meinung nach damit, dass sie Menschen ohne Sünde »selig oder heilig« nennt und damit die Sündhaftigkeit des Menschen an sich voraussetzt (247).

Nach dem Krieg wohnt er in seiner alten Wohnung, muss diese allerdings in drei Wochen verlassen, da sie seinem Bruder Xandl gehört, der »verrückt im Steinhof«, einer Anstalt, ist. Ihr Onkel Sapieha, Xandls Vormund, hat die Wohnung verpfändet (314 f.).

Chojnicki ist verheiratet, doch seine Frau ist in Polen, worüber er nicht unglücklich zu sein scheint (315). Er weigert sich, die »Untergangssuppe«, die Gott ihm eingebrockt habe, »auszulöffeln«, und will stattdessen »dem Allmächtigen alles überlassen« (315). Schuld an dem Untergang Österreich-Ungarns seien die »Alpentrottel und Sudetendeutschen«, die die Monarchie »verraten« hätten (315). Auf den Sozialdemokraten Papa Kunz geht er sogar mit erhobenen Fäusten und Schaum vor dem Mund los, als dieser anfängt, »historisch zu beweisen, daß die Österreicher eigentlich Deutsche seien« (315). Später wohnt er mit den anderen Freunden in Franz Ferdinands Pension und zahlt, wenn er einmal »durch irgendeinen Zufall Geld aus Polen« bekommt, die Miete gleich für mehrere Pensionäre (337). Er geht jeden Sonntag zu seinem Bruder Xandl und spricht mit ihm über Politik und ist davon überzeugt, dass sein Bruder ohne den Untergang »gar nicht verrückt geworden« wäre (337). Verzweifelt über diese Welt kündigt er an, zu seinem Bruder »nach Steinhof« zu gehen (333).