Joseph Roth: »Kapuzinergruft« (1938)
Baranowitsch, Jan
Polnischer Pelzhändler in Sibirien, der mit einem Hund und zwei Jagdgewehren allein in einer Hütte lebt. Er ist ein schweigsamer, frommer Mann, der seine Zeit neben der Jagd damit verbringt, Pfeifen und Stöcke zu schnitzen und Wanderungen in der kargen Umgebung zu machen (292 f.).
Er ist ein Freund von Krassin, der Franz Ferdinand und seine zwei Freunde zu ihm schickt, statt sie ins Kriegsgefangenenlager nach Wiatka zu bringen. Er hat schon öfter Leuten Unterschlupf gewährt, darunter auch Krassin selbst, er habe nie einen von ihnen gefragt, »wer er sei, woher er komme. Es konnte auch ein Mörder sein« (293 f.). Die Gastfreundschaft ist für ihn das höchste Gut, allerdings kann er keinen Streit in seinem Haus dulden. Wegen einer Schlägerei habe er damals auch Leutnant Krassin hinausgeworfen, erzählt er Franz Ferdinand, als er die drei nach einiger Zeit wegen eines Streits zwischen Joseph Branco und Manes Reisiger wegschickt. Da im sibirischen Winter draußen kein Überleben möglich ist, schickt er sie ins Lager in Wiatka, gibt ihnen aber für Wachtmeister Kumin Tabak und Tee mit, der sie stillschweigend und ohne sie zu durchsuchen aufnehmen werde. Trotta schenkt er auch noch eine Pistole, bevor er die drei zurück zu dem Punkt bringt, an dem er sie bei ihrer Ankunft abgeholt hat (295).
Branco
Zehnjähriger Sohn Joseph Brancos. Während des Krieges ist er, wie Joseph Branco berichtet, bei seinem Großvater. Sein Vater schätzt an ihm besonders, dass er »herrliche Pfeile schnitzen« kann (286). Nach dem Krieg erzählt Joseph Branco, dass er »gesund und munter« sei und in Dubrovnik zur Schule gehe (330).
Chojnicki, Graf
Der aus Galizien stammende Graf Chojnicki ist einer der Wiener Freunde Franz Ferdinands: »Er war der Älteste und Klügste unter uns« (247). Er ist überzeugt von der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und Gegner des »verrückten Europa der Nationalstaaten« (235). Er verteidigt die Kronländer, denn das »Wesen Österreichs sei nicht Zentrum sondern Peripherie« (235), und prophezeit, die Monarchie werde nicht an diesen, sondern an der »Nibelungentreue« Kernösterreichs zu Deutschland zugrunde gehen (235).
Er hat keinen Beruf, da er die Angebote, in Armee, Verwaltung oder Diplomatie Karriere zu machen, immer ausgeschlagen hat aus Verachtung für die, »die den Staat verwalteten und die er ›Knödelhirne‹ zu nennen liebte« (242). Durch seine »nicht-offizielle Würde« ist er aber der einzige von Franz Ferdinands Freunden, der imstande ist, die »wirksame Widerstandskraft der alten österreichischen Beamten zu brechen« (242). Als Franz Ferdinand mit der Bitte des galizischen Juden Manes zu ihm kommt, seinem Sohn Ephraim einen Platz am Konservatorium zu verschaffen, ist er begeistert: Seit die »Knödelhirne« Antisemiten geworden seien, liebe er seine galizischen Juden und wolle die zuständigen Beamten »mit dem kleinen Ephraim ärgern« (243). Zugleich verhält er sich »Kellnern, Kutschern, Dienstmännern und Briefträgern« gegenüber beachtenswert freundlich (242).
Er ist zwar ebenso Atheist wie die anderen adeligen Freunde Franz Ferdinands, hält jedoch an der katholischen Kirche fest, da sie »in dieser morschen Welt noch die einzige Formgeberin« sei. Sie bezeugt ihre »Noblesse« seiner Meinung nach damit, dass sie Menschen ohne Sünde »selig oder heilig« nennt und damit die Sündhaftigkeit des Menschen an sich voraussetzt (247).
Nach dem Krieg wohnt er in seiner alten Wohnung, muss diese allerdings in drei Wochen verlassen, da sie seinem Bruder Xandl gehört, der »verrückt im Steinhof«, einer Anstalt, ist. Ihr Onkel Sapieha, Xandls Vormund, hat die Wohnung verpfändet (314 f.).
Chojnicki ist verheiratet, doch seine Frau ist in Polen, worüber er nicht unglücklich zu sein scheint (315). Er weigert sich, die »Untergangssuppe«, die Gott ihm eingebrockt habe, »auszulöffeln«, und will stattdessen »dem Allmächtigen alles überlassen« (315). Schuld an dem Untergang Österreich-Ungarns seien die »Alpentrottel und Sudetendeutschen«, die die Monarchie »verraten« hätten (315). Auf den Sozialdemokraten Papa Kunz geht er sogar mit erhobenen Fäusten und Schaum vor dem Mund los, als dieser anfängt, »historisch zu beweisen, daß die Österreicher eigentlich Deutsche seien« (315). Später wohnt er mit den anderen Freunden in Franz Ferdinands Pension und zahlt, wenn er einmal »durch irgendeinen Zufall Geld aus Polen« bekommt, die Miete gleich für mehrere Pensionäre (337). Er geht jeden Sonntag zu seinem Bruder Xandl und spricht mit ihm über Politik und ist davon überzeugt, dass sein Bruder ohne den Untergang »gar nicht verrückt geworden« wäre (337). Verzweifelt über diese Welt kündigt er an, zu seinem Bruder »nach Steinhof« zu gehen (333).
Chojnicki, Sapieha
Der Onkel der Brüder Chojnicki. Als Xandl in die Irrenanstalt kommt, wird er sein »Kurator«, d.h. Vormund (314). Er erhebt Anspruch auf Xandls Besitztümer und verpfändet die Wohnung auf der Wieden, in der Xandls Bruder lebt, der ihn »Das Krokodil« nennt (314 f.).
Chojnicki, Xandl
Der Bruder Graf Chojnickis sitzt seit dem Krieg verrückt in der Anstalt Steinhof (314). Sein Bruder, der ihn jeden Sonntag besucht, schätzt seine politischen Urteile trotz seines Geisteszustandes: »Privat ist mein armer Bruder komplett verrückt […]. Was die Politik betrifft, gibt es keinen zweiten, der so gescheit wäre wie er« (337). Außerdem sei er nur durch den Untergang der Monarchie verrückt geworden (337). Josef, wie er sich nennt, macht die Sozialdemokraten und die »Alpentrottel«, die ihnen folgen, für den Niedergang der »Übernation« Österreich verantwortlich: »Auf den Bergen wohnt die Dummheit, sage ich, Josef Chojnicki« (337).
Sein Vormund ist sein Onkel Sapieha, der seinen Besitz, darunter die Wohnung, in dem der Bruder lebt, verpfändet (314 f.). Obwohl er »keinerlei Neigung zu irgendeiner Gewaltsamkeit« hat, ist er in der geschlossenen Abteilung (338). Er glaubt, er »bewahre hier die Krone«, Steinhof sei nun die »Haupt- und Residenzstadt von Österreich« (338). Seit er in der Anstalt ist, verbringt er seine Zeit mit Stricken: »›Ich stricke die Monarchie‹, sagte er von Zeit zu Zeit« (338). Als Franz Ferdinand einmal bei einem Besuch des Bruders dabei ist, erzählt Xandl, der »alte Bezirkshauptmann Trotta« sei vor einer Woche da gewesen, sein Freund der »Leutnant Trotta« sei bei Krasne-Busk gefallen, er liebe sie alle: »Alle, alle Trottas« (338). Als Franz Ferdinand Trotta sich von ihm verabschieden will, erkennt er ihn schon nicht mehr, Trotta sei doch »der Held von Solferino« gewesen: »Der Trotta ist schon lange tot. Mir scheint, Sie sind ein Schwindler« (338).
Die Figur kommt als Graf Wojciech Chojnicki schon im Radetzkymarsch vor.
Dienstmädchen
Arbeitet in Franz Ferdinands Jugend im Haus der Trottas. Franz Ferdinand sieht sie gewöhnlich nur »als ein junges Wesen, bestehend aus Blond, Schwarz und Weiß, so etwas wie eine Fahne« (229). Als er zum ersten Mal seit Langem früh am Morgen aufsteht, trägt sie ein blaues Gewand, »ähnlich jenem, das Monteure und Gasmänner trugen«, trotzdem erscheint sie ihm an diesem Morgen »golden wie die Sonne« (229).
Fanny
Alte Portiersfrau im Haus von Franz Ferdinands Mutter. Als dieser des Nachts aus dem Krieg heimkehrt, öffnet sie im Sonntagskleid die Tür und erzählt, dass sie und die Mutter in Erwartung seiner Ankunft nächtelang nicht geschlafen hätten (297).
Feldkurat
Der Militärgeistliche der 35er ist ein »feister, selbstzufriedener Mann Gottes«. Er hat bei der Flucht sein Regiment verloren und ist mit seiner Kutsche zum Feldkommandoposten gelangt. Dort ist er nicht gerade beliebt, da er in seiner Kutsche Geflügel und anderes »requiriertes Bauerngut« versteckt, während die Soldaten sich seit zehn Tagen nur von Konserven ernähren. Er kann sich nicht entschließen, diese Vorräte zu teilen, doch will er lieber in dem Lager warten, als »auf ein Ungefähr hin loszuziehen« (285). Franz Ferdinand, der seine Freunde finden will, nimmt ihn trotzdem mit, und sie machen sich, lediglich mit einer handgefertigten Skizze ausgestattet, mit dem Wagen des Priesters auf den Weg und finden das Regiment schließlich in der Ortschaft Strumilce (285).
Festetics
Einer der adeligen Freunde Franz Ferdinands in Wien. Der »junge Festetics« findet es unverständlich, dass die Slowenen einerseits gegen die Ungarn rebellieren, andererseits den Geburtstag des Kaisers feiern (234).
Földes, Oberst
Garnisonskommandant der Neuner-Dragoner in Zlotogrod, dem Franz Ferdinand bei seinem Aufenthalt in Zlotogrod im Sommer 1914 einen Besuch macht. Manes Reisiger ist sein »Liebling« unter den fünf Fiakern von Zlotogrod, weshalb er ihm billig zwei Schimmel verkauft, die auf einem Auge erblindet und demzufolge für militärische Zwecke unbrauchbar sind (251). Er spricht wie Baron Grappik das »näselnde, ärarische Deutsch der besseren Stände«, eine Sprache »voller diskreter Ironie und voll graziöser Bereitschaft zur Harmlosigkeit, zum Plausch und sogar zum holden Unsinn«, weshalb sich Franz Ferdinand binnen Kurzem in Zlotogrod zu Hause fühlt (253).
Grappik, Baron
Bezirkshauptmann in Zlotogrod, dem Franz Ferdinand bei seinem Aufenthalt in Zlotogrod im Sommer 1914 einen Besuch macht. Er spricht wie Oberst Földes das »näselnde, ärarische Deutsch der besseren Stände« (253).
Grünhut, Doktor
Oberarzt, der gerufen wird, als Jacques in Baden einen Schlaganfall erleidet. Er kümmert sich um die Behandlung, auch wenn er Franz Ferdinand von Anfang an keine Hoffnung macht (282). Da Trotta am nächsten Tag nach Osten fährt, und er selbst zu den Deutschmeistern einberufen ist und deshalb noch eine Weile in Wien ist, verspricht er, sich um die Bestattung des alten Dieners und die Benachrichtigung der Mutter zu kümmern (283).
Hallersberg, Baron
Sohn eines Zuckerfabrikanten aus Mähren. Er ist der einzige von Trottas Pensionsgästen, der regelmäßig die Miete zahlt. Im Gegensatz zu den anderen ist er »akkurat«, weder leiht noch verleiht er Geld und ist immer tadellos »gebürstet, gebügelt« (329). Franz Ferdinands dekadente Freunde dulden ihn nur wegen seiner »Sanftmut, wegen seiner diskreten Manieren und seiner vollendeten Humorlosigkeit« in ihrer Mitte (329 f.). Er hat Angst vor Schulden oder, wie er sagt, dass »es sich ›anhäufe‹«, deshalb schätzt er die anderen Pensionsgäste gering und beneidet sie zugleich wegen ihrer Fähigkeit, »sich es ›anhäufen‹ zu lassen«, am meisten Chojnicki, der darin am besten ist (330).
Heidegger
Zusammen mit Zelinsky Trauzeuge bei Franz Ferdinands und Elisabeths Hochzeit. Ob Trotta die Trauzeugen überhaupt kennt, bleibt unklar. Sie scheinen, wie die ganze Hochzeit, vom Schwiegervater organisiert zu sein.
Jacques
Alter Diener von Franz Ferdinands Mutter. Er ist in Sipolje geboren und kennt alle Trottas. Bei Kriegsbeginn ist er 78 Jahre alt und meint, da er schon 1866 »gegen die Preußen« dabei war, sollte eigentlich er in den Krieg ziehen, »nicht die Jungen« (280).
Er weiß als einziger von Franz Ferdinands und Elisabeths Fahrt nach Baden, erzählt der Mutter aber sofort davon. Er empfängt das jungvermählte Paar am Bahnhof und schenkt Elisabeth einen Strauß Rosen, für den sie sich nicht bedankt (279). Daraufhin führt Franz Ferdinand im Hotel ein langes Gespräch mit ihm und erwägt sogar, gar nicht zu der im Hotelzimmer wartenden Elisabeth zurückzugehen. Als sie aus dem Hotel treten, um sich zu verabschieden, hat Jacques einen Schlaganfall, wie der herbeigerufene Doktor Grünhut diagnostiziert. Franz Ferdinand sitzt die ganze Nacht an seiner Seite, während Elisabeth in ihrem Zimmer weint und ihn nicht einlässt. Bevor er stirbt, lässt er Franz Ferdinand der Mutter noch ausrichten, er werde »morgen früh« zurückkommen (283). Der Doktor verspricht, sich um alles »mit Hotel, Bestattung und Frau Mama« zu kümmern, da Franz Ferdinand einrücken muss (283).
Im Radetzkymarsch heißt der alte Diener der Trottas ebenfalls Jacques.
Jadlowker
Ein »uralter, silberbärtiger Jude«, der »stocktaub« ist und die verrufene Grenzschenke nahe Zlotogrod betreibt (257). In ihr verkehren sowohl Agenten der amerikanischen Schifffahrtsgesellschaften als auch die russischen Deserteure, die von diesen Agenten nach Kanada geschickt werden (260). Trotzdem erfreut sich Jadlowkers Schenke der »besonderen Gunst der österreichischen Grenzpolizei« und genießt deren Schutz (260). Am Tag, an dem der Kriegsbeginn bekannt gegeben wird, herrscht gedrückte Stimmung, und Jadlowker, der sonst so »majestätisch dargesessen war«, sitzt wie ein »Unheilverkünder« hinter seinem Schanktisch: »Was hatte dies alles noch für einen Sinn? Morgen, übermorgen konnten die Russen dasein« (261). Franz Ferdinand nennt ihn ein »Opfer der Weltgeschichte« (262).
Kapturak
Agent der amerikanischen Schifffahrtslinien, der russische Deserteure nach Kanada schickt (261). Er ist einer der »eifrigsten und lautesten« unter den Gästen in Jadlowkers Schenke und verbirgt seine beruflichen Geheimnisse hinter einer »unheimlichen, geschäftigen Geschwätzigkeit« (261). Am Abend vor Kriegsbeginn ist er jedoch stumm, »kleiner, winziger, als er schon war«, da er gerade eine »›Ladung‹ von Deserteuren« über die Grenze gebracht hat und sie jetzt nicht fortschicken kann: Der »mächtige Donner der Weltgeschichte ließ den kleinen, geschwätzigen Kapturak verstummen, und ihr gewaltiger Blitz reduzierte ihn zu einem Schatten« (261).
In Roths Romanen Radektzkymarsch und Hiob kommt ebenfalls ein Kapturak vor, der mit dem Schmuggel russischer Deserteure Geschäfte macht.
Kiniower, Hirsch
Der jüdische Anwalt der Trottas, der ihre Finanzen verwaltet. Von seinen zwei Söhnen ist der ältere im Krieg gefallen, der jüngere studiert Medizin (321 f.). Er war schon ein Freund von Franz Ferdinands Vater gewesen, für die Mutter ist er jedoch nur »der Jude« (318). Franz Ferdinand besucht ihn in der Zeit nach dem Krieg oft und gewinnt ihn »lieb wie ein Bruder« (321). Er rät dem jungen Trotta immer wieder dazu, das Haus in eine Pension umzuwandeln. Es sei die einzige Möglichkeit, zu Geld zu kommen, da er keinen Beruf habe und die Mutter ihr Vermögen in Kriegsanleihen investiert und verloren habe (322). Elisabeths Geschäft mit dem Kunstgewerbe sieht er als aussichtslos an, da, wie er über seine Beziehungen herausfindet, sowohl der Schwiegervater, als auch Stettenheim Schwindler seien und gar kein Geld hätten und die Jolanth »ebensowenig Professor« sei wie er selbst (321).
Da er zu jenen »praktischen Menschen« gehört, »die außerstande sind, eine sogenannte produktive Idee aufzugeben, auch wenn die Menschen unfähig sind, sie auszuführen«, setzt er sich schließlich mit seiner Idee durch, kümmert sich um sämtliche Konzessionen und organisiert »ein Dienstmädchen, ein Telephon, acht Betten und Klingeln« (329). Er streckt dafür sogar das Geld vor, wodurch er bei der Mutter wieder zum »braven Menschen« avanciert (331).
Kovacs, Baron
Der Bruder Elisabeths stammt aus ungarischem Militäradel und gehört zu dem Kreis der Wiener Freunde Franz Ferdinands (235). Sein »Glaubensbekenntnis«, die Ungarn würden am meisten unter der Doppelmonarchie leiden, stößt bei den Freunden auf Gleichgültigkeit, abgesehen von Chojnicki, der ihm jedesmal zornig die Völker aufzählt, die alle von Ungarn unterdrückt würden (235). Jegliche Kritik prallt jedoch von ihm ab und er denkt bei sich: »Ich weiß, was ich weiß« (235).
Für Franz Ferdinand ist er »im übrigen ein harmloser […] junger Mann«, den er, obwohl er sich wegen der Liebe zu Elisabeth bemüht, nicht leiden kann (235). Nach dem Krieg erfährt man durch den Vater, dass sein »Bubi« 1916 gefallen ist (305).
Kovacs, Elisabeth
Franz Ferdinands Frau, die er durch seinen Freund Baron Kovacs, ihren Bruder, kennenlernt. Schon als junger Mann ist er in die damals 19-jährige Elisabeth verliebt und beschreibt sie als »schön, weich, zärtlich und mir ohne Zweifel zugeneigt«. Besonders hat es ihm ihre »tiefe und weiche Stimme« angetan (237).
Als er ihr kurz vor Ausbruch des Krieges einen Antrag macht, willigt sie, wie zuvor schon ihr Vater, sofort ein. Nach der eilig vollzogenen Trauung fährt das Brautpaar nach Baden, um gemeinsam eine Nacht im Hotel ›Zum Goldenen Löwen‹ zu verbringen, bevor Franz Ferdinand zu seinem Regiment reist. Aber schon während der Bahnfahrt erinnert sie ihn auf unangenehme Weise an ihren Vater und zieht seinen Unmut auf sich, da sie sich mit dem Buch eines ihm verhassten »norddeutschen Humoristen« beschäftigt (279). Ihre Ignoranz gegen seinen Widerwillen und ihre Geringschätzung des Dieners Jacques, der sie begleitet, entfremdet sie ihm zunehmend. Als er abends mehr Zeit als vereinbart mit Jacques verbringt und wegen dessen Schlaganfall noch länger bei ihm verweilt, verweigert sie ihm die Rückkehr ins gemeinsame Zimmer: »Das zweitemal hörte ich sie laut schluchzen. […] ›Laß mich!‹ rief sie« (282). Franz Ferdinand ist hier schon klar, dass sie sich nicht mehr lieben, sie verabschiedet sich noch in der gleichen Nacht mit einer kurzen Nachricht und fährt nach Hause (283).
Als Franz Ferdinand aus dem Krieg zurückkehrt, betreibt sie ein kunsthandwerkliches Atelier und hat eine Liebesbeziehung mit der angeblichen Kunstprofessorin Jolanth Szatmary. Sowohl ihre Arbeit, sie entwirft »verrückte Halsketten und Ringe«, als auch besonders ihre Verbindung zu einem »Weibsbild mit kurzen Haaren« stoßen bei Franz Ferdinands Mutter auf starke Ablehnung (299 f.). Ihr »Atelier Elisabeth Trotta« ist komplett »zitronengelb« eingerichtet, und sie zeigt Franz Ferdinand ihre ihm völlig unverständlichen Entwürfe, die alle »kantig« aussehen (301 f.). Sie und Jolanth gleichen sich in ihrer Kleidung und ihren Gebärden, die männlich wirken, zwischen ihnen scheint ein »stummer, aber sehr deutlicher Bund« zu bestehen (307). Elisabeth fühlt sich aber von ihr »gefangengenommen«, wie sie Franz Ferdinand bei einem heimlich organisierten Treffen mitteilt (310). Obwohl er sich daraufhin sicher ist, dass sie ihn liebt und vor Jolanth Angst hat, dauert die Beziehung mit der Professorin an, und sie zeichnet »fleißig« alles, was Jolanth ihr vorgibt (319). Doch sie verlebt zugleich mit ihrem Mann »süße, satte Frühlingsnächte«, in denen sie nicht vom Kunstgewerbe sprechen (320). Schließlich eröffnet sie ihm, dass sie ein Kind von ihm und »von der Jolanth weg« will, worauf sie bei den Trottas einzieht (161).
Sie übernimmt nun die Verwaltung des Geldes für die Pension, wobei sie in den Geschäften des ganzen Viertels Kredite aufnimmt. Franz Ferdinand bekommt dagegen nur ein tägliches Taschengeld (337). In den ersten Monaten nach der Geburt des Sohnes Franz Joseph Eugen ist sie eine »hingebungsvolle Mutter«, doch schon bald entfernt sie sich mehr und mehr und verbringt viel Zeit außer Haus. Nach einigen Wochen kommt heraus, dass sie sich wieder mit Jolanth und Stettenheim trifft und nun Schauspielerin werden möchte, sie fühlt sich »zum Film berufen« (339). So verschwindet sie kurz darauf, eine Nachricht mit der Begründung zurücklassend: »Deine Mutter haßt mich, und du liebst mich nicht. […] Verzeih mir. Der Ruf der Kunst ist mächtig. – Elisabeth« (339).
Kovacs, Vater
Der Vater Elisabeths trägt einen graublonden Backenbart und wird als »groß, alt und schwerfällig« beschrieben (266). Durch die »geradezu skurrilen Sitten der alten Monarchie« ist aus ihm, dem Hutfabrikanten und kaiserlichen Rat »österreichischer Provenienz«, ein ungarischer Baron geworden (265). Als Unternehmer kommt ihm der Krieg gelegen, und er übernimmt als Heereslieferant einen Auftrag des Kriegsministeriums für eine »halbe Million Soldatenkappen« (266). Den Heiratsplänen seiner Tochter stimmt er zu, nennt Franz Ferdinand sogar seinen »Sohn«, aber sein Händedruck ist »ohne Kraft und ohne Wärme« und lässt seinen zukünftigen Schwiegersohn an seiner Aufrichtigkeit zweifeln (266).
Nach dem Krieg ist er, wie Trottas Mutter meint, »sehr betrübt und dennoch voller Hoffnung«, da der Krieg ihm zwar Geld gebracht hat, aber sein Sohn gefallen ist (299). Sie meint auch, er hätte Franz Ferdinand wohl lieber unter den Gefallenen als unter den Gefangenen gesehen (299). Da Franz Ferdinand keinen Beruf hat, bietet er ihm an, er könne ihn »irgendwo mit hineinnehmen«, er habe neben Elisabeths Kunstgewerbe »noch ein paar Eisen im Feuer«, eine Ausdrucksweise, die ihn Franz Ferdinand gänzlich unsympathisch macht (305). Tatsächlich schuldet die Heeresverwaltung ihm Geld, das er nie bekommen wird, und auch seine anderen Geschäfte werfen nichts ab, so dass er bald pleite ist, wie der Anwalt der Trottas, Kiniower, bestätigt (321). So versucht er, Franz Ferdinand zu überzeugen, eine weitere Hypothek auf das Haus aufzunehmen, da er, »wie viele Menschen seiner Art, auf den Sturz des französischen Franken spekuliert« (327).
Als Elisabeths Kunstgewerbe nichts einbringt, verliert er das Interesse, steigt stattdessen in das Zeitungsgeschäft ein und verdient mit »Börsentips« etwas Geld (327). Er muss jedoch bald sein Haus an die Gemeinde Wien verkaufen und taucht danach im Roman nicht wieder auf (328).
Krassin, Andrej Maximowitsch
Junger Kosakenleutnant, der die Gefangenen der Schlacht von Krasne-Busk auf der letzten Etappe in das Kriegsgefangenenlager in Wiatka in Sibirien bringt (288). Als vierzehn der Gefangenen fliehen und sechs Soldaten der Eskorte mit ihnen desertieren, muss er sowohl die Flüchtlinge als auch die Deserteure von seinen Patrouillen einfangen lassen und stoppt zu dem Zweck den Transport in Tschirein. In der Zeit spielt er Karten mit Franz Ferdinand, mit dem er sich auf Französisch verständigt. Er ist »zutraulich und dankbar für jeden guten Blick«, Franz Ferdinand liebt sein Lachen, welches »schallend, großzügig, weitherzig« ist (289).
Als sechs der Flüchtlinge und zwei der Deserteure schließlich gefunden werden, lässt er sie während eines Tarockspiels zu sich bringen und befiehlt Trotta, das Strafmaß festzusetzen. Als dieser unter dem Vorwand der Unkenntnis des russischen Dienstreglements alle freisprechen lassen will, droht er ihm, ihn als »am Komplott beteiligt« festnehmen zu lassen (289). Franz Ferdinand fordert ihn auf, zuerst das Spiel zu beenden, traut sich aber nicht, ihn absichtlich gewinnen zu lassen: »Kindlich, wie er war, bereitete ihm das Mißtrauen eine noch größere Wollust als das Lachen« (289). Dem ungeachtet gelingt es Franz Ferdinand, ihn noch einmal zum Lachen zu bringen, doch er lässt die acht Flüchtigen trotzdem nicht frei und verordnet eine Haftstrafe. In der Nacht lässt er die Gefangenen aufstellen und will Warnschüsse in die Luft abgeben, um sie zu erschrecken. Beim letzten Schuss ist ihm, als »drückte jemand meinen Arm nieder«, und er erschießt unabsichtlich einen der Gefangenen (291). Er macht sich schwere Vorwürfe und lässt den Mann noch in derselben Nacht, von einer Ehrensalve begleitet, beerdigen.
Von diesem Tag an »lachte er nicht mehr« und scheint permanent in Gedanken versunken (291). Er hilft jedoch Trotta und seinen beiden Freunden, indem er sie, mit einer Karte ausgestattet, zu seinem Bekannten Baranowitsch schickt und verspricht, er werde sie als »Geflüchtete ausgeben« und melden, er habe sie hingerichtet und begraben (291).
Kumin, Wachtmeister
Wachtmeister im Kriegsgefangenenlager in Wiatka. In den Augen seines Freundes Baranowitsch ist er »mächtiger als der Lagerkommandant« (294). Für etwas Tee und Tabak schleust er Franz Ferdinand, Joseph Branco und Manes Reisiger, nachdem Baranowitsch die drei aus seinem Haus geworfen hat, ins Lager ein, ohne weiter zu fragen oder sie zu durchsuchen (295).
Kunz, Papa
Sudetendeutscher und Redakteur des sozialdemokratischen Parteiblatts. Der »Kiebitz«, so nennt ihn Franz Ferdinand, ist jederzeit bereit, »historisch zu beweisen, daß die Österreicher eigentlich Deutsche seien« (315). Chojnicki, gewohnheitsmäßig zornig auf das »Staatsvolk«, sucht ihn gemeinsam mit Franz Ferdinand im Josefinum, einem Café, auf und geht, als Kunz seinen ›Beweis‹ wie erwartet einmal mehr darzulegen beginnt, mit erhobenen Fäusten und Schaum vor dem Mund auf ihn los, wird aber schließlich von den Freunden zurückgehalten (315).
Laveraville
Freund Franz Ferdinands in Paris (341), zu dem er am Ende des Romans seinen Sohn Geni schickt, wie seine Mutter es vor ihrem Tod gewünscht hatte: »Hier soll er nicht aufwachsen« (340).
Leopold
Langgedienter Kellner im Stammlokal des alten Kovacs, in dem auch Franz Ferdinand früher oft mit seinen Freunden war. Schon damals hatten sie ihn wegen seines Alters »Großvater Leopold« genannt (304). Sechs Jahre später, als Franz Ferdinand das Lokal mit seinem Schwiegervater besucht, muss er »mehr als siebzig zählen« und geht auf »den zittrigen Beinen und den nach außen gekehrten Füßen, die ein Kennzeichen langgedienter Kellner sind« (304). Er freut sich, Trotta zu sehen, und verspricht, er werde sich beim nächsten Mal die »Ehre nehmen, den Herrn selbst zu bedienen« (304). Unbekümmert um die anderen Gäste, ruft er der Wirtin zu: »Endlich ein Gast!« (304)
Onufrij
Knecht in Jadlowkers Grenzschenke. Er öffnet Franz Ferdinand, Joseph Branco und Manes am Abend vor Kriegsbeginn das Tor der ansonsten »Tag und Nacht« geöffneten Schenke (260).
Im Radetzkymarsch ist Onufrij der langjährige Diener Carl Joseph von Trottas.
Pauli, Major
Bataillonskommandant der Wiener Einundzwanziger-Jäger, bei denen Trotta seine Ausbildung durchlaufen hat. Als er sich zu den 35ern nach Ostgalizien transferieren lässt, gibt Pauli ihm einen »offenen Befehl«, sich diesen anzuschließen (278).
Rabinowitsch, Alexander
Laut Stettenheim eine bekannte Größe im Filmgeschäft: »Sie kennen ihn nicht?« (338) Er hat eine Firma in Wien gegründet, woraufhin Elisabeth Schauspielerin werden will und mit Jolanth und Stettenheim verschwindet (339).
Reisiger, Ephraim
Sohn des galizischen Juden Manes Reisiger. Durch Chojnickis Vermittlung bekommt der Junge, der nach Meinung seines Vaters »großartig Geige« spielt, einen Platz am Konservatorium in Wien (244). Vom Konservatorium aus schickt er dem Vater kurze Briefe auf Deutsch, obwohl dieser die Sprache nur sehr schlecht versteht (255).
Nach dem Krieg hat er sich von der Musik abgewendet und ist Redakteur einer kommunistischen Zeitung, der »Roten Fahne« (332). Seinem Vater, der fest an seine politische Karriere glaubt, hat er einen falschen Pass besorgt (332). In der »Nacht der Revolution« des Ministers Dollfuß, der laut Chojnicki »das Proletariat umbringen« will, wird er getötet: »Er war ein Rebell, er hatte geschossen und war getötet worden« (340). Am nächsten Morgen wird er in der israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs begraben, wo sein Vater Rache an Dollfuß schwört, bevor er zusammenbricht: »Der Minister hat Blut vergossen, und auch sein Blut wird vergossen werden. Fließen wird es wie ein reißender Strom« (340).
In den Morgenstunden des 12. Februars 1934 beginnt der sogenannte ›Februaraufstand‹, bei dem die austrofaschistische Regierung unter Engelbert Dollfuß mit Waffengewalt gegen Sozialdemokraten vorgeht.
Reisiger, Frau
Frau des galizischen Juden Manes Reisiger, mit dem sie in Zlotogrod lebt. Sie ist, wie Trotta findet, hässlich anzusehen, »denn sie war rothaarig, sommersprossig und sah einer aufgequollenen Semmel ähnlich« (255). Von ihren drei Kindern sind zwei an Pocken gestorben, und der Umzug ihres verbliebenen Sohnes Ephraim nach Wien kommt für sie einem Tod fast gleich: »Ausgeschieden war er eben aus ihrem Leben« (255). Dagegen ist ihr Joseph Branco »allzeit gegenwärtig«, Trotta vermutet hierin »allerhand« (256). Sie findet ihren Tod im Krieg, als sie von einer »Granate […] zerrissen« wird (332).
Reisiger, Manes
Jüdischer Fiaker aus dem Dorf Zlotogrod. Er ist ein Freund Joseph Brancos, der regelmäßig bei ihm wohnt, wenn er in Galizien Maroni verkauft. Auf Brancos Empfehlung hin sucht er Franz Ferdinand auf, damit dieser seinem Sohn Ephraim, der Geige spielt, einen Platz im Wiener Konservatorium besorgt. Sie setzen dies mit Chojnickis Hilfe tatsächlich in die Tat um, doch Manes ist so vom Genie seines Sohnes überzeugt, dass ihm jede Dankbarkeit fernliegt (245).
Wieder zurück in Zlotogrod, schickt er Franz Ferdinand eine Einladung für den Herbst, die der »öffentlich konzessierte Schreiber« des Ortes für ihn verfasst, da er selbst nur seinen Namen schreiben kann (248). Als Franz Ferdinand schon im Sommer des Jahres 1914 in Zlotogrod ankommt, holt Manes ihn mit seinem frisch renovierten Fiaker ab, dem zwei halbblinde Schimmel vorgespannt sind, die er als »Liebling des Obersten von dem Neuner-Dragoner-Regiment« billig bekommen hat (251). Er lebt mit seiner Frau in einem kleinen Häuschen etwa eine halbe Stunde außerhalb von Zlotogrod, »umgeben von Feldern und Wiesen, die ihm nicht gehörten« (255). Er lässt sich von Franz Ferdinand Briefe seines Sohnes sehr langsam und oft mehrmals vorlesen, damit sie ihm nicht ganz so kurz vorkommen (255).
Als der Krieg beginnt, wird er mit Joseph Branco zum Regiment der Landwehr 35 eingezogen. Als er Franz Ferdinand wiedersieht, fällt er ihm sofort um den Hals, denn er war »unbekümmert und kein Dienstreglement-Gläubiger« (286). Sein Bart besteht aus »lauter wilden, harten Knäueln« und in seiner Uniform sieht er eher »verkleidet« aus (286). Nach der Schlacht von Krasne-Busk geraten sie in Kriegsgefangenschaft, und als die Offiziere getrennt und der Rest nach Sibirien geschickt werden soll, bringt Manes, der »den Befehl über uns alle, über unseren Zug, übernommen« hat, Franz Ferdinand dazu, sich ebenfalls für Sibirien zu melden (288). Bei dem Pelzhändler Baranowitsch, bei dem sie unterkommen, gerät er mit Joseph Branco in einen heftigen Streit, da er der Zeitungsmeldung, die Russen seien in Schlesien einmarschiert, keinen Glauben schenkt. Baranowitsch schickt die drei daraufhin in das Kriegsgefangenenlager in Wiatka, von wo Manes bald gemeinsam mit Joseph Branco als russischer Offizier und Gefangener verkleidet flieht. Er findet in Shmerinka bei einem »guten Juden« Unterschlupf bis zum Ende des Krieges (333).
Danach kehrt er nach Zlotogrod zurück, um sein altes Leben wiederaufzunehmen, doch das Dorf existiert nicht mehr, seine Frau ist durch eine Granate ums Leben gekommen, so dass er nach Wien zu seinem Sohn fährt, der inzwischen Redakteur einer kommunistischen Zeitung geworden ist und ihm einen falschen Pass besorgt. Er glaubt fest daran, dass die Revolution kommen und sein Sohn dann Minister wird (332). Ephraim wird jedoch in der der Nacht der Machtübernahme der Faschisten erschossen und Manes prophezeit an seinem Grab dem Minister Dollfuß den Tod, bevor er zusammenbricht: »Der Minister hat Blut vergossen, und auch sein Blut wird vergossen werden. Fließen wird es wie ein reißender Strom« (340).
Stellmacher, Oberstleutnant
Arbeitet beim Kriegsministerium. Er ist ein Freund Chojnickis und verhilft Franz Ferdinand zu Beginn des Kriegs dazu, zur Landwehr 35 transferiert zu werden, in der seine Freunde Joseph Branco und Manes Reisiger dienen. Bevor er ihn nach Osten schickt, warnt er Franz Ferdinand jedoch vor der Situation der Armee in diesem Gebiet: »Zwei Regimenter fast aufgerieben, Rückzug katastrophal!« (274) Beim Abschied versucht er zu lächeln, aber in seinem Gesicht spiegelt sich Hoffnungslosigkeit (274).
Als Trotta aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, sucht er ihn auf. Er sitzt immer noch im gleichen Büro, »alt, eisgrau und gebeugt«, obwohl das Kriegsministerium jetzt »nur noch ein Staatssekretariat« war und der zivile Anzug nicht zu seiner Person passt (314). Er weiß über Chojnicki und die anderen Wiener Freunde Franz Ferdinands Bescheid und sagt ihm, wo er sie finden kann.
Stettenheim, Kurt von
Deutscher aus der Mark Brandenburg, der nach dem Krieg unvermittelt in Wien auftaucht und sich an Jolanths und Elisabeths Kunstgewerbe beteiligen möchte. Franz Ferdinand beschreibt sein Aussehen ironisch als »gutrassig«, worunter er eine »Mischung von internationalem Tennisspieler und landschaftlich zu fixierendem Rittergutsbesitzer« versteht (318). Zudem hat er einen Schmiss auf der Stirn und benutzt ein Monokel, was ihn für Franz Ferdinand als typischen Preußen markiert. Auch der Umstand, dass er schon nach wenigen Sätzen im Gespräch den Adelstitel sowie das Amt von Franz Ferdinands Onkel, den er einmal getroffen habe, verwechselt, zeichnet ihn in Trottas Augen als Reichsdeutschen aus, der von der Habsburger Monarchie keien Ahnung hat. Außerdem verfügt er über ein unzureichendes Sprachgefühl und benutzt mit Vorliebe Redewendungen wie »Ich wette zehn zu eins und gebe Ihnen meine Hand darauf« (319).
Als dritter Teilhaber benennt er das Atelier in »Jolan-Werkstätte« um und verschickt selbst entworfene Prospekte in die ganze Welt, ohne auf große Resonanz zu stoßen (320). Trotzdem hängt er eine Weltkarte im Atelier auf, auf der alle möglichen Länder und Städte mit Stecknadeln markiert sind, auch solche, die nicht von ihnen beliefert werden. Kiniower zieht Erkundigungen über ihn ein und findet heraus, dass seine Behauptung, er sei am »Tattersall«, einer Berliner Reitbahn, beteiligt, gelogen ist und er allein von den Darlehen lebt, die Franz Ferdinands Mutter ihm gewährt, die ihn zum völligen Unverständnis ihres Sohnes »Charmant!« findet (321 f.).
Er lebt »unbekümmert« und gibt großzügig Geld aus, lädt Franz Ferdinands Freunde ein, die ihn nicht leiden können, und vertreibt sich die Zeit mit immer anderen Mädchen (325). Da sein Vater »Zahlungen habe«, lässt er sich von Trottas Mutter in dessen Abwesenheit erneut einen Scheck über 10000 Kronen, ein Fünftel ihres verbliebenen Ersparten, ausstellen (326). Wenig später verschwindet er ohne einen Abschiedsgruß, er gibt lediglich über ein Telegramm Bescheid, er werde wiederkommen (328). Tatsächlich taucht er wieder auf, als der »bekannte Rabinowitsch, Sie kennen ihn nicht?« in Wien eine Firma gründet. Wenig später verschwindet er gemeinsam mit Jolanth und Elisabeth, wie Franz Ferdinand vermutet, nach »Hollywood« (339).
Szatmary, Jolanth
Freundin von Elisabeth und nach deren Ansicht eine »berühmte Frau« und Professorin im Kunstgewerbe (303). Sie wird als »junge Frau mit schwarzen, kurzen Haaren, schwarzen großen Augen, dunkelgelbem Gesicht und starkem Schnurrbartflaum über roten Lippen« beschrieben (302). Trottas Mutter ist dieses »Weibsbild mit kurzen Haaren« wie das Kunstgewerbe an sich zuwider (300). Jolanth ist verheiratet; über ihren Mann, von dem sie sich später scheiden lässt, erfährt man nichts.
Als Franz Ferdinand aus dem Krieg zurückkehrt, lebt sie mit Elisabeth, die sie im Entwerfen von kunsthandwerklicher Objekte unterrichtet hat, in einem Liebesverhältnis. Im Gespräch mit Franz Ferdinand benutzt sie Fremdwörter, scheint aber deren Bedeutung nicht zu verstehen, und verabschiedet sich, da sie zu einem Vortrag über »freiwillige Sterilisierung« müsse (308). Elisabeth gesteht Franz Ferdinand, dass sie sich von Jolanth »gefangengenommen« fühle (310).
Sie hat die Ideen für die Entwürfe der »Jolan-Werkstätte« und lässt sie von Elisabeth zeichnen (320). Der Anwalt der Trottas, Hirsch Kiniower, behauptet, dass sie keine Professorin sei, sie habe »keine von den Wiener oder Budapester Akademien jemals besucht« (321). Sie verlangt zum ersten Mal Geld für ihre Arbeit, als sie sich von ihrem Mann trennen will. Nach der gelungenen Scheidung erhält sie monatliche Zahlungen von ihrem Ex-Mann (328). Auch als Stettenheim weg und Elisabeths Vater pleite ist, bleibt sie im Hotel Regina wohnen, obwohl »fremde Erdteile« sie anlocken und sie oft davon spricht, »nach San Franzisko zu gehen« (328). Franz Ferdinand erscheint sie in Albträumen als »Höllenweib, dazu bestimmt, das Leben Elisabeths und mein eigenes zu vernichten« (328).
Als Elisabeth sich entschließt, zu Franz Ferdinand zu ziehen, geht Jolanth, einen kurzen Abschiedsbrief hinterlassend, nach Budapest (329). Sie kehrt allerdings später zurück und trifft sich heimlich mit Elisabeth (338). Sie hat sich inzwischen vom Kunstgewerbe ab- und dem Film zugewandt. Sie schließt sich mit Stettenheim der angeblichen Filmgröße Alexander Rabinowitsch an, der eine Firma in Wien gegründet hat, und sie verschwinden bald darauf mit Elisabeth (338 f.).
Trotta, Bezirkshauptmann von
Der Sohn Joseph von Trottas stand wie sein Vater in der Gunst des Kaisers Franz Joseph und wurde Bezirkshauptmann (228). Xandl Chojnicki berichtet bei einem Besuch Franz Ferdinands, »der alte Bezirkshauptmann« sei letzte Woche bei ihm gewesen (338).
Die Geschichte dieses Familienzweigs der Trottas wird im Radetzkymarsch erzählt.
Trotta, Carl Joseph von
Der Enkel Joseph von Trottas, der immer noch wegen der Heldentaten seines Großvaters in der Gunst des Kaisers steht, fällt als Leutnant der Jäger im Herbst 1914 in der Schlacht bei Krasne-Busk (228). Xandl Chojnicki nennt ihn bei einem Besuch Franz Ferdinands im Steinhof seinen »Freund« (338).
Die Information über seinen Tod deckt sich nicht mit dem unrühmlichen Ende des Leutnants Carl Joseph von Trotta, von dem im Radetzkymarsch berichtet wird, in dem die Geschichte dieses Familienzweigs der Trottas erzählt wird.
Trotta, Franz Ferdinand
Ich-Erzähler, der seine Lebensgeschichte von seiner Jugend vor dem Ersten Weltkrieg bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich erzählt. Weil er sich in seiner Zeit unverstanden fühlt, schreibt er »lediglich zu dem Zweck, um mir selbst klarzuwerden« (287).
Sein Vater, ein slowenischer »Rebell« und zugleich Anhänger der Habsburger, hat ihn zum Erben seiner Ideen erklärt, aber zum Zeitpunkt seines Todes sei er, der Sohn, noch »jung und töricht« gewesen (228). Schon äußerlich unterscheidet Franz Ferdinand sich deutlich von seinem Vater mit seinen blonden Haaren und blauen Augen, die er als eher »skeptische, traurige« denn als »gläubige, fanatische« beschreibt (275). Als junger Mann lebt er ein scheinbar unbeschwertes Leben, »wie man so sagt: in den Tag hinein« (228). Vor allem wegen seiner Mutter ist er für ein Jurastudium eingeschrieben, studiert aber »natürlich« nicht, sondern verbringt seine Zeit in einer »ausgelassenen Gesellschaft junger Aristokraten«, mit denen er eine »sündhafte Fahrlässigkeit« und andere »Zeichen des Untergangs« teilt (233), die sie damals noch nicht als solche erkennen: »Über den Gläsern, aus denen wir übermütig tranken, kreuzte der unsichtbare Tod schon seine knochigen Hände« (233). Er ist in Elisabeth Kovacs verliebt, schämt sich jedoch vor seinen Freunden, bei denen Leidenschaft »verpönt« ist, da sie nicht zur sogenannten »Dekadenz« – einer »halb gespielten und outrierten Müdigkeit« – passt (236). Auch die Beziehung zu seiner Mutter, die er nicht in seine Sorgen einweiht, empfindet er nicht als »echte und ursprüngliche«, da er die »heilige Scheu« ihr gegenüber unterdrückt, um seinen Freunden nachzueifern (238). Genauso der »Mode« unterworfen ist sein dezidierter Atheismus, wie er in der Rückschau, inzwischen »gläubig«, feststellt (246).
Er bewundert seinen Vetter Joseph Branco, der im April 1913 bei ihm auftaucht, um seinen Teil des Erbes abzuholen (232). Stolz kauft er dem Vetter »folkloristische Attrappe[n]« ab, die zu einem »echten Slowenen« gehörten (231 f.), und präsentiert seinen Freunden seine Verbindung zum »sagenhaften slowenischen Sipolje« (233). Als im Oktober des gleichen Jahres Manes Reisiger, ein Freund Joseph Brancos, ihn besucht, hilft er dem galizischen Juden, seinem Sohn einen Platz am Konservatorium zu verschaffen. Der Antisemitismus sei nämlich bereits eine »Mode der Hausmeister« geworden und schicke sich deshalb für die Noblesse nicht mehr (240).
Im Sommer 1914 besucht er Manes mit Joseph Branco in Zlotogrod, wo er sich »ebenso zu Hause« fühlt »wie in Sipolje, wie in Wien« (252). Doch obwohl das Leben »vor dem großen Krieg idyllisch« war (248 f.), kommt ihm der Krieg gelegen, da »sogar noch ein sinnloser Tod besser sei als ein sinnloses Leben« (258). Er beschließt, sich zum Regiment in Zlocow zu melden, zu dem auch seine neuen Freunde Manes und Joseph Branco gehören, mit denen ihn ein »starkes Gefühl« verbindet (262). Er scheut sich nun nicht mehr, nach Hause zu fahren und Elisabeth einen Heiratsantrag zu machen, wovon weder seine Mutter noch sein zukünftiger Schwiegervater begeistert sind, die die Ehe aber dulden. Aber schon auf ihrer heimlichen Hochzeitsreise nach Baden fallen ihm an ihr unsympathische Ähnlichkeiten mit ihrem Vater auf (279). Im Hotel verbringt er den Abend mit dem alten Diener Jacques und bleibt länger als geplant, weil dieser einen Schlaganfall erleidet. Elisabeth verwehrt ihm schluchzend die Rückkehr ins gemeinsame Zimmer, und er bemerkt, dass sie sich nicht lieben (282). Als sie ihn durch eine schriftliche Nachricht von ihrer Abreise in Kenntnis setzt, fährt er in das polnische Kamionka und flüchtet sich in die Aufgabe, das bereits auf dem Rückzug befindliche Regiment zu suchen, für das er sich gemeldet hat. Kurz nach dem freudigen Wiedersehen mit Reisiger und Branco geraten die drei in der Schlacht von Krasne-Busk im September 1914 in russische Kriegsgefangenschaft. Von Reisiger beeinflusst, meldet Trotta sich freiwillig für Sibirien, um bei seinen Freunden bleiben zu können. Die Reise nach Wiatka dauert sechs Monate. Auf ihrer letzten Etappe im März spielt Trotta mit dem sympathischen russischen Leutnant Krassin Karten. Dieser schickt die Freunde zu dem Juden Baranowitsch, der ihnen Unterschlupf gewährt. Er fällt zwar nicht dem »Wahn der Wüste« zum Opfer wie Reisiger und Branco, die sich heftig zu streiten beginnen, aber an die Stelle der Freundschaft tritt »gehässige Gleichgültigkeit« (292). Die drei müssen Baranowitsch, der keinen Streit duldet, verlassen und kommen ins Kriegsgefangenenlager, wo Trotta bis zum Ende des Krieges bleibt.
Am Weihnachtsabend kommt er zurück nach Wien, wo er sich fremd fühlt. Vor seiner Mutter fühlt er sich klein »wie einst als Kind« (298), und auch vor seiner Frau und ihrer Geliebten Jolanth fühlt er sich wie ein »jämmerliches Ding« (307). Als Elisabeth ihm gesteht, sich von Jolanth »gefangengenommen« zu fühlen, und sie die Nacht gemeinsam verbringen, schämen sie sich am nächsten Morgen voreinander (311). Da er den geschäftlichen Dingen des Kunstgewerbes, das Elisabeth mit Jolanth betreibt, mit Unverständnis gegenübersteht, beschränkt er sich auf seine Rolle als Ehemann Elisabeths, mit der er »süße, satte Frühlingsnächte« verbringt (320). Er ist sich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Elisabeth aus dem Haus ihres Vaters zu ihm ziehen wird. Der Anwalt der Trottas rät ihm immer wieder, aus dem Elternhaus eine Pension zu machen, da sowohl sein Schwiegervater, als auch Stettenheim, Teilhaber des Kunstgeschäfts, und die angebliche Professorin Jolanth Schwindler seien, die von den Darlehen der Mutter lebten, doch fühlt er sich von der Aufgabe überfordert: »Ich – und eine Verantwortung! Nicht, daß ich feige gewesen wäre! Nein, ich war einfach unfähig« (325). Er verbietet aber seiner Mutter in einem seltenen Anflug von Entschlossenheit, weiter Geld zu verleihen, verlangt von Elisabeth, das Kunsthandwerk aufzugeben und ihrer Rolle als Ehefrau gerecht zu werden, und gründet mithilfe des Anwalts die Pension (326).
Er überlässt Elisabeth die Verantwortung für die Pension, während er sich um seinen mittlerweile geborenen Sohn und seine seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmte Mutter kümmert: »Jetzt hatte ich endlich zwei Berufe: Ich war ein Sohn, und ich war ein Vater« (336). So ist er froh, als Elisabeth immer länger außer Haus ist, bis er erfährt, dass sie die Zeit mit den einzigen beiden Menschen, die er »wirklich haßte«, verbringt, nämlich mit Jolanth und von Stettenheim, denen sie schließlich folgt, um Schauspielerin zu werden (338). Nach dem Tod seiner Mutter leert sich nach und nach auch die Pension, er schickt seinen Sohn – dem letzten Wunsch seiner Mutter entsprechend – nach Paris und bleibt, abgekehrt von der Welt, »allein, allein, allein« (341). So gehen eine Zeit lang die historischen Ereignisse an ihm vorüber, bis nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten plötzlich der Morgen über den »wildfremden Kreuzen« graut (346). Er geht zur Kapuzinergruft, der Begräbnisstätte der Habsburger, die für ihn die untergegangene Welt der alten Monarchie symbolisiert und nun geschlossen ist. Der Roman endet mit dem hilflosen Ausruf: »Wohin soll ich, ich jetzt, ein Trotta?« (346)
Trotta, Franz Joseph Eugen
Sohn Franz Ferdinands und Elisabeths, genannt »Geni« (336). Diese habe ihn »gewünscht«, jener aber habe ihn »gezeugt, verlangt, gefordert, befohlen«, um Jolanth Szatmary aus Elisabeths Erinnerung zu verdrängen (334). Er wird im April, nachdem Elisabeth und Franz Ferdinand zusammengezogen sind, um vier Uhr morgens geboren, nicht in der Klinik, sondern, wie es seine Großmutter »verlangte, forderte, befahl«, im Haus (334).
Das »winzige, schreiende, häßliche und blutrote Ding« strömt eine »unsagbare Kraft« auf seinen Vater aus, der es sofort lieb gewinnt (335). Franz Ferdinand verbringt auch die meiste Zeit mit dem Kind und erlebt voller Bewunderung seine Entwicklung: »Ich sah jeden Tag, ja jede Stunde, wie er sich veränderte. Seine braunen Löckchen wurden dichter, der Glanz seiner großen, hellgrauen Augen stärker […]. Die Lippen bewegten sich immer eifriger, und immer eiliger lallte das Zünglein und immer verständlicher. Ich sah die ersten Zähnlein sprießen, ich vernahm Genis erstes wissendes Lachen, ich war dabei, wie er zum erstenmal zu laufen anfing« (336). Auch die Großmutter nimmt ihn auf, »als hätte sie ihn selbst ausgetragen« (334).
Elisabeth dagegen, »in den ersten Monaten eine hingebungsvolle Mutter«, verbringt immer mehr Zeit außer Haus und entfernt sich mehr und mehr von ihrem Sohn (336), bis sie ihrem Mann eröffnet, sie wolle »keine Mutter bleiben«, sondern Schauspielerin werden, und die Familie schließlich verlässt (339). Die Großmutter gibt ihrem Sohn kurz vor ihrem Tod den Auftrag, Geni wegzuschicken: »Hier soll er nicht aufwachsen« (340) und so wird er nach Paris zu Laveraville, einem Freund Franz Ferdinands, gebracht (341).
Trotta, Joseph Branco
Der Vetter Franz Ferdinands, ein slowenischer Bauer, der im Winter als Maronibrater durch die Länder der Österreich-Ungarischen Monarchie fährt, wird als »schwarz und südlich, heiter, wach und gesund« beschrieben (230). Er kommt im April 1913 nach Wien, um 2000 Gulden, die ihm Franz Ferdinands Vater vermacht hat, abzuholen, und stattet seinem Vetter einen Besuch ab, um ihm zu danken (229 f.). Mit einem Teil des Geldes will er die Mitgift für seine Schwester bezahlen, um sie mit dem »reichsten Bauern von Sipolje« zu verheiraten, und mit dem Rest sein »Geschäft vergrößern« (230). Er hat vor, neben seinen Maroni in Zukunft noch Äpfel und Kartoffeln zu braten und einen neuen Maulesel zu kaufen (231). Er beeindruckt Franz Ferdinand, als er zum Frühstück statt Kaffee Kartoffelsuppe bestellt und diese ohne Löffel isst (230 f.). Auf Nachfrage verkauft er dem Vetter seine Uhrenkette, die er von seinem Vater geerbt hat, sowie die dazugehörige Uhr und seine Weste, wobei er das Wechselgeld behält und damit das stereotype Bild Franz Ferdinands widerlegt, dass ein »slowenischer Bauer viel zu edel sei, um sich überhaupt um Geld und Geldeswert zu kümmern« (232).
Im Herbst 1914 trifft er Franz Ferdinand bei seinem Freund Manes Reisiger wieder, und als er kurz darauf in den Krieg muss, beschließt er, sich mit Manes in Zlocow zu melden (262). Als er, Manes und Franz Ferdinand in russische Kriegsgefangenschaft geraten und in Sibirien bei dem Juden Baranowitsch untertauchen, gerät er mit Manes in heftigen Streit, weil er dem »Wahn der Wüste« verfallen ist, wie Franz Ferdinand diagnostiziert (292). Da sie deswegen das Haus Baranowitschs verlassen müssen und ins Kriegsgefangenenlager kommen, leidet auch seine Beziehung zu Franz Ferdinand. Dort grüßt er ihn »dienstlich und auf Deutsch: ›Danke gehorsamst, Herr Leutnant‹« (295). Er flieht aus dem Lager, tritt in die Okkupationsarmee ein und sieht Manes erst nach dem Krieg wieder (333).
Während Manes zu diesem Zeitpunkt die nahe Revolution erwartet, beschwert Joseph Branco sich bei einem Besuch in Franz Ferdinands Pension, dass er nicht mehr durch die Kronländer fahren kann, da man nun für jedes Land ein Visum brauche (333). »Er hatte kein Interesse mehr als seine Maroni. Sie waren faul in diesem Jahr, wurmig, und er, Joseph Branco, konnte nur noch gebratene Äpfel verkaufen« (340).
Trotta, Joseph von
Der Bruder von Franz Ferdinands Großvater war »jener einfache Infanterieleutnant, der dem Kaiser Franz Joseph in der Schlacht bei Solferino das Leben gerettet hat« und deshalb »der Held von Solferino« genannt wurde (227 f.). Ihm und seinen Nachfahren, deren Geschichte im Radetzkymarsch erzählt wird, gilt die Gunst des Kaisers und er wird geadelt. Er verliert jedoch nicht seine Bescheidenheit, und »seinem Wunsch gemäß« erinnert später nichts an den »Held von Solferino« als die Inschrift seines Grabsteins auf dem Hietzinger Friedhof (228).
Die Schlacht von Solferino war die Entscheidungsschlacht im Sardinischen Krieg 1859, die die Niederlage Österreichs besiegelte und so eine Einigung Italiens möglich machte.
Trotta, Mutter
Die Mutter Franz Ferdinands, die auch als Witwe immer noch den Tisch für ihren schon lange verstorbenen Mann mitdecken lässt (238). Franz Ferdinand glaubt, dass sie ihn nicht als ihr Kind, sondern nur als »Sohn ihres Mannes« liebt (276). Sie hat ein »breites, etwas schwammig gewordenes Gesicht« mit »schlaffen Hängebacken und […] runzeligen, schweren Lider« (238). In der Wahrnehmung ihres Sohnes haben sie zur Zeit seiner Jugend »keine echte, ursprüngliche Beziehung« (238), sondern schämen sich voreinander. So kann Franz Ferdinand sich nicht durchringen, ihr von seiner Liebe zu Elisabeth zu erzählen, da er ihr ersparen will, »laut mißbilligen zu müssen, was sie im stillen geringschätzte« (239). Als er ihr, kurz bevor er in den Krieg einrückt, mitteilt, dass er Elisabeth heiraten wird, hindert sie ihn nicht daran und kümmert sich sogar um die Brautgeschenke, sagt ihm aber, dass sie Elisabeth »nicht leiden« kann (264).
Nach dem Krieg empfängt sie ihn nach einigen schlaflosen Nächten und will ihm, wie früher, etwas auf dem Klavier vorspielen. Erst als keine Töne aus dem Instrument kommen, erinnert sie sich, dass sie nach seiner Abreise die Saiten hat entfernen lassen, um sich zu »zwingen, nicht zu spielen« (298). Elisabeths Betätigung im Kunstgewerbe missfällt ihr: »Wenn man anfängt, aus wertlosem Zeug etwas zu machen, was wie wertvoll aussieht! Wo soll das hinführen?« (300) Dazu kommt noch Elisabeths Verhältnis mit einem »Weibsbild mit kurzen Haaren« (300): Frauen wie diese Professorin Szatmary – die sie immerfort mit anderen ungarischen Namen benennt – seien schwerer »abzuschaffen« als ein Geliebter (312). Da das Geld der Familie, das in Kriegsanleihen angelegt war, verloren ist und Franz Ferdinand eine Hypothek auf das Haus aufnehmen muss, will sie mit ihm und Elisabeth in eine gemeinsame Wohnung im Erdgeschoss ziehen und von ihrem restlichen Ersparten leben (313). Doch von dem Tag an, an dem Franz Ferdinand die Hypothek aufnimmt, verstärkt sich ihre Verachtung der Schwiegertochter immer mehr: »Kunstgewerbe, Elisabeth, die Frau Professor, kurze Haare, Tschechen, Sozialdemokraten, Jakobiner, Juden, Büchsenfleisch, Papiergeld, Börsenpapiere, mein Schwiegervater: dies alles waren die Gegenstände ihrer Verachtung und ihrer Gehässigkeit« (318).
Allein der neu auftauchende Stettenheim, den sie »Charmant!« findet, wird von ihr »warmherzig« empfangen, und sie leiht ihm, ohne zu zögern, Geld (321 f.). Franz Ferdinand findet die Erklärung für die ihm sonst unbegreifliche Zuneigung in der lange versteckten Schwerhörigkeit seiner Mutter: »Deshalb also schätzte sie Herrn von Stettenheim. Sie verstand offenbar ihn am deutlichsten, und sie war ihm dankbar« (324). Als Elisabeth bei ihnen einzieht und sie aus finanziellen Gründen das Haus in eine Pension umwandeln, geht es ihr entgegen Franz Ferdinands Erwartung auf einmal viel besser: »Offenbar schien es ihr, daß sie ein neues Leben beginnen würde« (330). Den Sohn Franz Ferdinands nimmt sie auf, »als hätte sie ihn selbst ausgetragen«, und bezeichnet Elisabeth als ihre Tochter (335).
Nach einem Schlaganfall ist sie halbseitig gelähmt, bleibt aber »allen« noch jahrelang eine »geliebte, treu behütete Last« (335). Franz Ferdinand kümmert sich um sie, sitzt täglich mehrere Stunden an ihrem Bett und fährt sie in ihrem Rollstuhl durch die Zimmer, da es ihr erscheint, als ob sie »alles versäumte« (336). Obwohl sie nur noch einzelne Wörter herausbringt, bittet sie Franz Ferdinand kurz vor ihrem Tod, Elisabeth auszurichten, dass sie sie »nie habe leiden mögen«. Außerdem fordert sie Franz Ferdinand auf, ihren Enkel wegzuschicken: »Hier soll er nicht aufwachsen« (340). Sie stirbt »so, wie sie gelebt hatte: nobel und still« (339) in der »Nacht der Revolution« im Februar (340).
In den Morgenstunden des 12. Februars 1934 beginnt der sogenannte ›Februaraufstand‹, bei dem die austrofaschistische Regierung unter Engelbert Dollfuß mit Waffengewalt gegen Sozialdemokraten vorgeht.
Trotta, Vater
Der Vater Franz Ferdinands ist Slowene aus Sipolje und sieht seinem Neffen Joseph Branco ähnlicher als dem blonden Sohn: »Auch er war so hager und schwarz gewesen, so braun und so knochig, dunkel und ein echtes Kind der Sonne« (229). Er geht in jungen Jahren nach Amerika und verdient als Chemiker in den Farbenfabriken von New York und Chicago viel Geld, bis er von Heimweh getrieben nach Wien zurückkehrt. Er ist im Gegensatz zu den »geadelten Trottas«, seinem Onkel Joseph und dessen Nachkommen, ein »Rebell und ein Patriot« und will das Habsburger Reich reformieren und retten, indem er es in eine »Monarchie der Österreicher, Ungarn und Slawen« zu verwandeln versucht (228). Durch sein Vermögen und einflussreiche Freunde aus dem Kreise des Thronfolgers bleibt er bei seinen politischen Aktivitäten von der Polizei unbehelligt, gründet in Wien eine slowenische Partei und kauft zwei Zeitungen im kroatischen Agram. Seinen Sohn erzieht er in »Liebe zu den Slawen des Reiches« (231). Seine Frau beschreibt ihn als aufbrausend: Er »war manchmal wie ein Gewitter. Er hat so viele Teller zerbrochen« (326).
Er stirbt etwa eineinhalb Jahre nach der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und wird auf dem Hietzinger Friedhof begraben. In seinem Testament macht er seinen Sohn, der ihn einen »treue[n] Deserteur« des Kaisers Franz Joseph nennt, zum Erben seiner Idee einer »dreifältigen Monarchie« (296).
Xaver, Herr
Fiaker in Wien, der Mutter Trotta zweimal in der Woche in den Prater fährt (317). Sein Sohn hat studiert und ist seit Ende des Krieges aktiver Kommunist. Als er seine Kundin eine Kapitalistin nennt, da sie zu denen gehöre, die »nicht arbeiten und dennoch leben« (318), nennt sie ihn »Jakobiner«, was er zu ihrer Überraschung versteht und folgerichtig damit kontert, nicht er, sondern sein Sohn sei ein »Jakobiner« (318).
Zelinsky
Zusammen mit Heidegger Trauzeuge bei Franz Ferdinands und Elisabeths Hochzeit. Ob Trotta die Trauzeugen überhaupt kennt, bleibt unklar. Sie scheinen, wie die ganze Hochzeit, vom Schwiegervater organisiert zu sein.