Niebuhr, Gertrud
Jüngere Schwester von Heinrich Cresspahl, zweites Kind von Berta und Heinrich Cresspahl sen. Ehefrau von Martin Niebuhr, mit dem sie an der Havelschleuse bei Wendisch Burg lebt. Tante von Gesine Cresspahl sowie Tante und Ziehmutter von Günter und Klaus Niebuhr, den Söhnen von Martins Bruder Peter Niebuhr und seiner Frau Martha, geb. Klünder, die im Sommer 1943 ums Leben kommen.
17 Im August 1931 hat Heinrich Cresspahl »seine Schwester verheiratet an einen Vorarbeiter beim Wasserstraßenamt, Martin Niebuhr. Er hatte das Essen im Ratskeller von Waren gestiftet.«
113 Auf einem Bild von der Hochzeit ihres Bruders mit Lisbeth Papenbrock im Oktober 1931 steht sie »befangen und unbeholfen ob der Ehre des Vorteils« neben ihrer Mutter Berta und wird »erst zu Hause das Fest aufs lebhafteste in Worten wiederholen«.
262-263 Ruft am 11. März 1933, einen Tag vor dem ursprünglich für Gesines Taufe vorgesehenen Sonntag, bei Papenbrocks an, um die Adresse ihres Bruders in Richmond zu erfragen, die sie verlegt hat, »die schußlige Schwester«. Sie will ihm Bescheid geben, »daß es der Mutter ›nicht so gut‹ ging«, und kann nicht fassen, dass sie ihren Bruder am Telefon hat, den sie noch in Richmond vermutet: »Heinrich, du kannst das doch nich sein, der da spricht! Du büst doch in Inglant!«
281 Einige Tage später beerdigen Gertrud und Heinrich die Mutter in Malchow am See.
473 Ende 1935: Gertrud »hätte gern ein Kind adoptiert, wenigstens. Und Lisbeth hatte ihr versprechen müssen, auf nicht weniger als zwei Wochen in jedem Jahr zu Besuch auf die Schleuse zu kommen, mit diesem Kind Gesine.«
721 Im November 1938 reist Cresspahl mit der fünfjährigen Gesine nach Malchow und Güstrow und will bei der Gelegenheit auch »in Wendisch Burg vorsprechen, damit die Schwester nicht gekränkt war«.
728-730 Am 9. November 1938 kommen Heinrich und Gesine Cresspahl bei Gertrud und Martin Niebuhr an. Zu ihrem Haus an der Havelschleuse gelangen sie von Wendisch Burg aus mit dem Postauto, »dessen Fahrer Cresspahl zuliebe mitten in einem kahlen Mischwald anhielt. Dann war zwischen den Baumstämmen ein niedriges rotes Dach zu sehen, in müde schleichendem Nebel. Das war die Havelschleuse Wend. Burg.« Sie treffen dort auch Peter und Martha Niebuhr aus Berlin mit ihrem ersten Kind Klaus an. Hinter dem Haus steht eine Schaukel, »und auch einen Sandkasten hatten die kinderlosen Niebuhrs angelegt«. – Am nächsten Morgen (10.11.1938) erhält Cresspahl telefonisch die Nachricht von Lisbeths Tod.
765 Gesine bleibt drei Tage allein bei den Niebuhrs in Wendisch Burg und fährt dann mit ihnen am Beerdigungstag ihrer Mutter (14. November 1938) zurück nach Jerichow. »Die Niebuhrs hatten ihr nichts sagen mögen, und sie hatte deren gedrücktes Wesen, die mitleidige Streichelei nur aus Gehorsam gegen den Vater ertragen.«
767 Beim Leichenschmaus nach Lisbeth Cresspahls Beerdigung ärgert sich Lisbeths Mutter Louise Papenbrock über die »Niebuhrs aus Wendisch Burg, weil sie so niedergeschlagen und still dasaßen, als verstünden sie das Trauern doch besser als eine Gastgeberin, die immerhin die Ohren vollhat«.
932 Nach dem Tod von Martha und Peter Niebuhr im Sommer 1943 kommen ihre beiden Söhne Günter und Klaus zu Gertrud und Martin Niebuhr nach Wendisch Burg. »So kamen Gertrud und Martin Niebuhr zu zwei Kindern, die sie noch zehn Jahre lang ihr eigen nennen konnten.«
977 Gertrud Niebuhr bewirtet die beiden Pioniere, die Ende April 1945 im Auftrag der S.S. die Havelschleuse sprengen sollen, um die Rote Armee aufzuhalten, mit einem Abendbrot, und weil sie »nicht in einem fremden Haus war, sondern in ihrem eigenen, ließ sie sich ungeniert aus über das Vorhaben, das ihren eigenen Nachbarn in den südlichen Dörfern Wasser ins Haus und auf die Felder schicken sollte«. Ihr Mann bringt die beiden jungen Leute schließlich dazu, aufzugeben und zu desertieren.
977 Zu derselben Zeit halten die Niebuhrs »einen jungen Panzersoldaten auf ihrem Dachboden versteckt, der desertiert war«. Es ist Karsch.
1753 Im Sommer 1951 ist Gesine Cresspahl vier Wochen bei den Niebuhrs zu Gast und segelt mit Klaus Niebuhr und Ingrid Babendererde »auf dem Oberen und dem Stadtsee von Wendisch Burg«.
Anhang IX-X Heinrich Cresspahl 1949 über Martin und Gertrud Niebuhr: »Ehemals Vorarbeiter beim Wasserstraßenamt, seit 1933 Wärter der Schleuse Wendisch Burg, nicht eben zur Belohnung befördert, sondern zur Versorgung. Seit 1931 verheiratet mit Gertrud Niebuhr, der geborenen Cresspahl, der jüngeren Schwester, der schusseligen Person, die sich schon darauf eingerichtet hatte, in Malchow bei der Mutter zu bleiben, bis sie starb und auch ihr Leben vorbei war. Keine Kinder, und einen Kinderspielplatz hinter dem Haus, für Kinder aus Berlin-Friedenau und Jerichow zu Besuch. Imkerei, Gärtnerei, linkisch in Städten. Dann bekamen sie die Kinder des Bruders.« Martin Niebuhr »sei recht gut versteckt hinter seinem trödeligen Gehabe, und am Ende werde er doch der bessere Vater für die Kinder seines Bruders sein, und Gertrud eine nicht ungeschickte Mutter«.
Vgl. auch 633. 860. 1853.