Wulff, Peter
Gastwirt im Krug von Jerichow, »Gastwirtschaft und Kaufhandlung Wulff«. Sozialdemokrat. Verheiratet mit Meta Wulff, Freund von Heinrich Cresspahl.
33 Bei seinem ersten Aufenthalt in Jerichow sitzt Cresspahl häufig in Peter Wulffs Krug. »Peter Wulff war in seinem Alter, weniger prall damals, ein nicht beflissener, maulfauler Wirt, der Cresspahls geduldiges Warten beobachtete wie der ihn.«
87-88 Versucht seine Frau Meta »mit Knurren« davon abzuhalten, Cresspahl vor einer Verbindung mit Lisbeth Papenbrock zu warnen, »aber Meta, Fischerstochter von der Dievenow, gab ihm einen Schlag unter die Schulterblätter und rieb ihm den Rücken und sprach weiter«.
112 Cresspahl besteht gegenüber den Papenbrocks »zwar auf Dr. Semig, aber nicht auf den Wulffs als Gästen« seiner Hochzeit am 31. Oktober 1931.
163 Im November 1932 bekommt Cresspahl viele Briefe zur politischen Lage in Deutschland und im Jerichower Winkel, die in Peter Wulffs Hinterzimmer (d. h. von Sozialdemokraten) geschrieben werden.
169-171 Peter Wulffs Briefwechsel mit Cresspahl in Richmond Anfang 1933. – Gesine Cresspahl mutmaßt über die Gründe ihrer wechselseitigen Sympathie: »Vielleicht konnten sie auskommen wegen ihres ähnlichen Alters. Sie waren beide Mittelstand, beide waren für ein paar Jahre Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei gewesen. Vor allem, sie konnten einer des anderen Nähe ertragen, bei einander sitzen, auch ohne Gespräch. Das sah nur aus wie Intimität. Und beide hatten Spaß am gegenseitigen Aufziehen, und konnten es ertragen. Cresspahl hatte sein schweigendes Vergnügen gehabt, wenn Meta Wulff ihrem Mann vor Wohlwollen und Billigung den Rücken rieb, und der hatte vor Cresspahls Augen den Kopf etwas gequält verkanten müssen. Cresspahl hatte Meta Wulff reden lassen müssen über Ehen mit sehr großem Unterschied im Alter, und Peter Wulff hatte ihn offenbar gleichmütig beobachtet, mit Genuß an seinem wehrlosen Zustand.« – Über ihre Gemeinsamkeit durch ähnliche Erinnerungen.
172 Schreibt Cresspahl über den Auftritt von Elisabeth Lieplow mit ihren BDM-Mädchen auf Gut Beckhorst; von ihrem Verehrer Horst Papenbrock »sagte er in diesem Brief nichts, weil er wußte, daß Lisbeth mitlas«.
295-296 Bei Cresspahls Abschiedsbesuch im März 1933 lässt er seiner Enttäuschung über die geringe Gegenwehr der Kommunisten gegen die Nationalsozialisten freien Lauf. »Es war, als mache er eine Trennung wirklich, die vorher nur in Worten gegolten hatte.«
532 Ortsgruppenleiter Friedrich Jansen nennt Peter Wulffs Krug »ein sozialdemokratisches Rattennest«.
678 Im Herbst 1938 wird Cresspahl von den Lübecker SPD-Genossen ohne Angabe von Gründen aufgefordert, »den Umgang mit Peter Wulff abzubrechen, am besten mit einem Streit unter Zeugen«.
762 Peter Wulff ist einer der Sargträger bei Lisbeth Cresspahls Beerdigung im November 1938.
765 Bei der Kondolenz an Lisbeths Grab sagt er zu Cresspahl: »Dat harr se nich verdeint [Das hat sie nicht verdient]; er meinte nicht den Tod allein, sondern auch was Cresspahl den Pastor hatte riskieren lassen. Nun mußte Wulff sieben Jahre lang glauben, es sei diese Bemerkung schuld daran, daß Cresspahl nicht mehr in seinen Krug kam, ihn auf der Straße nicht grüßte, ihn nicht einmal sah.«
857 Im Sommer 1941, nach dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion, versucht Meta Wulff zwischen Cresspahl und Peter Wulff zu vermitteln: »In solchen Zeiten, Cresspahl. Wollen wir uns nicht wieder vertragen?«
1180 Zwei Tage nach dem Krieg sprechen Peter Wulff und Cresspahl sich aus über die siebenjährige Zwangspause ihrer Freundschaft. »Es war genug übrig, beide begingen gerne den Feierabend gemeinsam, bald nicht mehr nur den früheren Zeiten zuliebe, auch verbündet in der Absicht, das verrutschte Jerichow auf anderen Kurs zu kriegen. Wulff war es recht, daß die Briten den anderen zum Bürgermeister gemacht hatten, unter den Sowjets war er ihm weiterhin behilflich mit Spaß und Ratschlägen, ihm den Rücken decken als Polizei wollte er nicht.«
1280 Im Sommer 1946 werden Peter Wulff, Julius Kliefoth, Pastor Brüshaver, Leslie Danzmann und Frau Uhren-Ahlreep für einige Stunden festgenommen und verhört. Der Zweck dieser Aktion bleibt undeutlich. Eine der Fragen, die ihnen gestellt werden, deutet darauf hin, dass man Cresspahl in einen Zusammenhang mit Waffengeschäften des Geheimrats Hähn in den zwanziger Jahren bringen möchte.
1359-1362 Peter Wulff nimmt an einem Treffen ehemaliger Sozialdemokraten mit Erwin Plath kurz vor Weihnachten 1945 teil, »zwanzig Minuten im Stehen im Trockenschuppen der Ziegelei«.
1362-1364 Peter Wulff fühlt sich schuldig an Warnings Freitod am Neujahrstag 1946. Er hatte Warning zu dem SPD-Treffen kurz vor Weihnachten mitgenommen, weil er »dem gestauchten Kerl auf die Beine helfen« wollte. An Weihnachten wurde Warning verhaftet und über das Treffen verhört. Er gab nichts preis, aber weil er anschließend nichts über die Verhöre sagen wollte, misstrauten ihm die SPD-Genossen. Nachdem er eine erneute Vorladung zur Kommandantur von Gneez bekommen hatte, beging er Selbstmord.
1411-1412 Im Oktober 1946 bekommt Peter Wulff Besuch von Landrat Gerd Schumann, der am Abend eine Wahlkampfrede in Jerichow zu halten hat. Schumann weiß aus Unterlagen der SPD, was der Leser bis hierhin noch nicht weiß: Dass Peter Wulff 1937, während des Mussolini-Besuchs, in Bützow-Dreibergen und »von 1939 auf 1940« in Sachsenhausen inhaftiert war. – Wulff fertigt Schumann maulfaul ab, fordert ihn auf, für Cresspahls Freilassung zu sorgen, und empfiehlt ihm, da er nicht versteht, in der Kommandantur nachzufragen, und setzt hinzu: »Orre gå tau din Slata, de weit dat ook!« Erschüttert von der Anspielung auf Slata beschwert Schumann sich in der Jerichower Kommandantur, wird aber von den Herren Wendennych unsanft abgewiesen.
1795-1796 Wegen angeblicher Steuerhinterziehung wird er im Juli 1950 zu 7000 Mark Geldstrafe und drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Anhang XII Aus Cresspahls Erinnerung: »Auf Verlangen der lübecker S.P.D. habe Cresspahl 1938 den Umgang mit Wulff aufgeben müssen, öffentlich, so daß die Stadt an einen dauerhaften Streit glauben sollte. Zwei Tage nach dem Krieg habe er Wulff abgepaßt, und wie er habe Wulff den Grund nicht gekannt. Offenbar war die Sache schlicht vergessen worden, und auch Wulff habe der S.P.D. solche Personalpolitik nicht vergeben mögen, auch nicht unter den Bedingungen der Illegalität.«
»In den Jahren der angeblichen Verfeindung habe Cresspahl nur ahnen können, daß Wulff nächtens die Fahnenstange vor Friedrich Jansens Haus umgesägt hatte, schon damit Cresspahl Arbeit bekam. Wulff gab es mit Vergnügen zu, und obendrein, daß tatsächlich er in jedem März Blumen auf das Grab von Friedrich Laabs geschmuggelt hatte, den die Kapp-Putschisten im Keller des Hotels Erbgroßherzog in Gneez umgebracht hatten«.
Da Peter Wulff »sich bei den Sowjets nicht meldete als Mitglied der S.P.D., habe er auch nicht über die Vereinigung mit der K.P.D. in die S.E.D. müssen und sei so um den Austritt gekommen, der nach der Schließung seines Ladens doch wohl fällig geworden sei. Das Leben mit Wulff sei eins mit gegenseitigem Spaß, und beide seien es leid, fast sieben Jahre versäumt zu haben.«
Vgl. auch 70. 165. 236. 458. 496. 723-724. 1032. 1034. 1076. 1140. 1163. 1181. 1182. 1220. 1240. 1402.
In »Mutmaßungen über Jakob« (1959) hat Peter Wulff seine Kaufhandlung aufgegeben, aber seinen Krug gibt es 1956 noch (vgl. M 303-304; vgl. auch M 36).