Cha'ma't
Der »lange Cha'ma't« (IV, 850) ist »Schreiber des Schenktisches« in Potiphars Haus (V, 916) oder, wie Joseph ihn weniger respektvoll nennt, »Cha'ma't von der Speisekammer« (V, 1302). Er hat (wohl vom ständigen Schreiben) vorfallende Schultern, und stets sitzen ihm mehrere Schreibrohre hinter beiden Ohren (IV, 802), die er »erstaunlich balancierte, denn sie saßen wie angeleimt und kein einziges fiel herunter« (IV, 810).
Er ist gleich bei Josephs Eintritt in Peteprês Haus zur Stelle, denn er führt im Auftrag Mont-kaws die Verhandlungen mit dem alten Midianiter über Josephs Kaufpreis (IV, 810-813). Für den potentiellen Konkurrenten hat er von Anfang an wenig übrig und behandelt ihn abfällig, gerät aber gleich bei ihrer ersten Begegnung unter vier Augen in eine Art Rechtfertigungszwang und hat das Gefühl, »was ganz eigentümlich Wahrhaftiges« sagen zu müssen (IV, 849-852).
Der »Zögling des Bücherhauses« (IV, 849) gehört zu den »mittlere[n] Leuten«, die es nicht »auf Weiteres und Höheres« abgesehen haben, »schlaffe Seelen, die am liebsten nur aufschrieben, was man ihnen in die Binse diktierte, und überhaupt nicht auf den Gedanken kamen, sie könnten zu Überblick und Herrschaft geboren sein, was sie ebendarum denn auch nicht waren« (V, 927). Dennoch missgönnt er Joseph den raschen Aufstieg in Potiphars Hauswesen (V, 1298).
Weiter ist von Cha'ma't im dritten Teil des Romans dann nicht mehr die Rede. Erst zu Beginn des vierten Teils kommt er wieder ins Spiel, denn ihm fällt die Aufgabe zu, den erneut zur ›Grube‹ Verurteilten in das Gefängnis Zawi-Rê in Unterägypten zu bringen (V, 1292-1312). Während der Schiffsreise in den ›greulichen Bocksgau‹ setzt er sich öfter zu Joseph, »teils aus Langerweile, teils um sich an der Herabgesetztheit dessen zu weiden, der ihn vordem im Hause so hoch überwachsen hatte« (V, 1298). Doch er kommt dabei nicht recht auf seine Kosten, denn Joseph verhält sich »sehr hochnäsig« gegen ihn (V. 1298). Außerdem muss er seinen gefesselten Gefangenen eigenhändig ›atzen‹, was ihm unangenehm ist, und muss sich dabei auch noch dessen Spötteleien anhören (V, 1303). Nach ein paar Tagen gibt er entnervt auf und beschließt, ihm bis zur Ankunft in Zawi-Rê die Fesseln abzunehmen und ihn frei auf dem Schiff umhergehen zu lassen (V, 1303 f.).
Als Führer ins ›Untere‹ ist auch Cha'ma't eine Hermes-Figur, wenn auch minderen Ranges und eher an den kichernden Schakal Anup (vgl. IV, 221) als an den ›Mann auf dem Felde‹ erinnernd, mit dem ihn freilich, wie Berger (253) bemerkt, die verdrießliche Haltung gegen Joseph und die oft betonte Körperlänge (IV, 802, 810, 812, 849 f.; V, 1303) verbindet.
Abb.: (1) Schreiber von der Türwand eines Grabes in El Amarna (Lepsius III, 97b). – (2) Schreiber in einem Grab in Gizeh (Lepsius II, 9). – Ausschnitte aus Digitalisaten des Lepsius-Projekts mit freundlicher Genehmigung der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. – TM kannte nahezu identische Zeichnungen aus Erman/Ranke (125, Abb. 37 und 38), wo sie als Beispiele für Schreiber des Neuen (1) bzw. des Alten Reichs (2) verwendet werden.