Edom

Edom ist das Land südlich des Toten Meeres. Dorthin, ins ›Ziegengebirge‹ Seïr, zieht Esau nach dem Segensbetrug und geht »mit Kind und Kegel« zu dem »gewitterigen Kuzach« über (IV, 188, 199), einer von den »Seïrim oder Leuten von Edom« (IV, 134) verehrten Gottheit.

Als neue Heimat des »zur Wüste verfluchte[n] Esau« (IV, 134) ist Edom (ähnlich wie Ammon, Moab oder die südlich von Kanaan gelegenen Wüsten) das Land eines verstoßenen Sohnes, eines ›Gegenbruders‹ und ›Roten‹. Dem entspricht seine geografische Lage im Süden, »denn der Süden lag im Denklichte des Unterweltlichen, wie übrigens auch die Wüste, in die Isaaks Gegenbruder Ismael hatte abwandern müssen« (IV, 135).

Der Landesname impliziert einen gleichlautenden Eigennamen, Edom, den Namen des Stammvaters der Edomiter. Über dessen Identität herrscht Unklarheit. In Jaakobs Augen ist Edom niemand anderes als Esau selbst: Esau ist »Edom, der Rote« (IV, 188). Von Esau, dem »Vater der Edomiter«, kündet auch die Überlieferung im ›Schönen Gespräch‹ (IV, 189). In den Augen des Erzählers ist das jedoch ein Fall von ›Mondgrammatik‹, der bei Sonnenlicht besehen nicht überzeugt, denn das »Ziegenvolk« bestand ja offensichtlich schon, als und bevor Esau sich zu ihm schlug (IV, 188 f.). »Geschichtlich und also individuell genommen«, müsse demnach »des Ziegenvolkes Stammbock ein unvergleichlich älterer Esau« gewesen sein, »in dessen Fußstapfen der gegenwärtige wandelte« (IV, 189).

Im Schein des Mondlichtes aber sei Jaakobs Identifizierung des Bruders mit ›Edom, dem Roten‹ eine durchaus treffende und ›zweifellos fehlerfreie‹ Bestimmung seiner Persönlichkeit. Dabei seien allerdings mondgrammatische Feinheiten zu beachten, die hier das Präsens verlangten: Wenn es von Esau heiße: »Er ist der Edom« (und nicht »Er war der Edom«), so sei damit mondklar angezeigt, dass ›Edom‹ in diesem Fall nicht als individueller Name zu verstehen sei, sondern »als zeitlose und über-individuelle Zusammenfassung des Typus«. Und als solche sei der Name sehr berechtigterweise auf den »Rotpelz« anzuwenden, denn Esau wandle ja in der Tat in den Spuren ›Edoms, des Roten‹ wie der ›Roten‹ überhaupt (IV, 188 f.).

Dass er »schon lange vor Empfang des Fluchspruches von Beerscheba aus« Beziehungen zu den Ziegenleuten von Seïr unterhalten habe, sei überdies ein Beweis dafür, »daß es sich bei Segen und Fluch nur um Bestätigungen handelte, daß sein Charakter, das heißt seine Rolle auf Erden, von langer Hand her festgelegt und er sich ebendieser Charakterrolle von jeher vollkommen bewußt gewesen war« (IV, 135). 

Vgl. Karte von Kanaan. – ›Edom‹ bedeutet ›rot‹, ›rotes Land‹. Dass die Einführung des Begriffs und mythischen Musters der ›Roten‹ (vgl. das Kapitel »Der Rote«; IV, 188-194) mit der Reflexion über die biblische Wendung »Esau ist Edom« (Genesis 36,8) beginnt, ist also kein Zufall. Zum Muster der ›Roten‹ vgl. Ismael, Set u.a. – Als Bezeichnungen der Landschaft werden Edom und Seïr häufig synonym verwendet. – Nach Benzinger (370), dem TM hier wohl folgt, sind die Leute von Seïr die ›Haarigen‹: sâ'îr bedeute ›haarig‹ und sei zugleich Bezeichnung des ›Sündopferbocks‹, des Ziegenbocks. Die ›Haarigen‹ »gehören im System zur Sonne des Südens, d.h. zur Unterwelt, zur Wüste, dem Orte der Unreinheit, wo alles Unreine hingehört. Daher steht der Ausdruck auch in der mit mythologischen Anspielungen auf Tammuz vollen Josefsgeschichte« (vgl. Genesis 37, 31).

Letzte Änderung: 20.10.2017  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück