'Er, Onan und Shelah
Die drei Söhne, die Juda mit seiner Frau, Schua’s Tochter, zeugte, »waren nur anfangs nett, dann wurden sie übel: am wenigsten noch der Jüngste, Shelah [...]; er war nur kränklich, aber die älteren, 'Er und Onan, waren zugleich auch übel, […] dabei hübsch und dazu frech, kurzum ein Leidwesen in Israel« und eine »Zeitwidrigkeit«, denn sie »hätten ins Alte und Späte gehört, in eine Greisenwelt spöttischer Erben, sagen wir: ins äffische Ägyptenland« (V, 1549). Juda ist überzeugt, dass 'Er und Onan der Mutter nachschlagen, »wie Ismael der Hagar nachgeschlagen«, und »erklärte sich's so, daß sie übel waren, Kanaanskinder, Baalsbälge, Scheolsbuben, Molechnarren, obgleich der Kummer vielleicht nicht nur von Schua's Tochter kam« (IV, 493).
Der drei »Buben« würde im Roman kaum gedacht werden, wenn sie nicht zur Geschichte Thamars gehörten, der Kanaaniterin, die sich in die Geschichte des Stammes Israels »einzuschalten« entschlossen ist, was ihr erst mit Juda selbst, nicht aber mit seinen Söhnen gelingt. Der Älteste, 'Er, der auf Jaakobs Betreiben Thamars erster Ehemann wird, stirbt schon kurze Zeit nach der Hochzeit in ihren Armen an einem Blutsturz (V, 1564). Dem Gesetz der Schwagerehe gemäß verlangt Thamar daraufhin den Zweitältesten, Onan, zum Mann, den Juda ihr nur widerstrebend und auf Jaakobs Zureden gibt. Aber Onan, ein stutzerhafter Jüngling, »in seiner Art hübsch und nett, nämlich auf eine zweifelhafte Art, war, wiederum in seiner Art, ein Charakter, – will sagen: im Sinn einer wurzelhaften Widersetzlichkeit, die einem Urteilsspruch über sich selbst und einer Verneinung des Lebens in ihm selber gleichkam«: Er beschließt, »den Schoß zum Narren zu halten«, und stirbt ebenfalls nach kurzer Zeit in Thamars Armen (V, 1566 f.).
Mit ihrem Anspruch auf Judas dritten Sohn, Shelah, kann Thamar sich nicht durchsetzen, Juda verweigert ihn ihr mit dem Argument, er sei noch zu jung. »Wirklich konnte man sich Shelah, wenigstens vorläufig, vermählt gar nicht vorstellen. Er sah mehr aus wie ein Engel denn wie ein Menschensohn, süffisant und unbrauchbar, und hatte weder Bart noch Baß.« (V, 1568) Nach drei Jahren – Shelah ist 19 Jahre alt und steht »in der Blüte der ihm erreichbaren Männlichkeit« – macht Thamar ihren Anspruch erneut geltend, den Juda ihr abermals verwehrt, nun mit dem Argument, sie sei zu alt für den Jüngling (V, 1569 f.).
Dem Erzähler will es scheinen, als sei allen Dreien »das Wissen eingeboren«, daß sie eine genealogische »Sackgasse« bildeten, »daß das Leben, welche Wege es nun immer einschlagen mochte, jedenfalls nicht durch sie, die drei Buben, weiterführen sollte, wollte, konnte und durfte. Nicht durch uns! sagten sie einhellig und hatten in ihrer Art recht« (V, 1567).
Die Geschichte der drei Söhne beruht auf Genesis 38, 6-11. – »Ueber die Charakteristik von Juda's ›3 Buben‹ kann ich noch heute lachen.« (TM an Henry N. Carlebach, 26.9.1947; Selbstkommentare, 305)