Schach, Herr von
Rittmeister im preußischen Regiment Gensdarmes. Er ist genauso alt wie Frau von Carayon, also ungefähr 40 Jahre alt, und sehr gutaussehend (vgl. 4/30). Sein bereits vor Jahren verstorbener Vater war General, seine erst vor einem Jahr verstorbene Mutter eine ›sehr vornehme und sehr stolze‹ (vgl. 14/109), zudem außergewöhnlich schöne Dame.
Schach verkehrt regelmäßig im Haus der Carayons, mit der Dame des Hauses scheint ihn eine alte Liebe zu verbinden (vgl. 12/96 u. 19/150). Er schwängert jedoch die ebenfalls in ihn verliebte, durch Blatternarben entstellte Tochter Victoire, heiratet diese gezwungenermaßen und erschießt sich unmittelbar nach der Hochzeit.
Schach hängt an Preußen und der friderizianischen Armee, die Haugwitzsche Mission sieht er daher kritisch (vgl. 1/9). Über politische Fragen gerät er immer wieder mit Bülow in Streit, in denen er regelmäßig unterliegt, weil er Bülow geistig nicht gewachsen ist. Das bemerkt auch Victoire, wenn sie an Lisette von Perbandt schreibt: »Du hast ihn nie für sehr gescheidt gehalten, und ich meinerseits habe nur schüchtern widersprochen.« (5/49) Victoire zufolge hat Schach »aber doch die beste Gescheitheit, die mittlere« (ebd.).
Schachs hervorstechendstes Merkmal ist jedoch seine Eitelkeit, gepaart mit einer »eigentümlichen Mischung von Artigkeit und Grandezza« (4/33). Victoire beschreibt ihn nach seinem Tod als »seiner ganzen Natur nach auf Repräsentation« eingestellt (21/157), »wie dazu bestimmt, der Halbgott eines prinzlichen Hofes zu sein« (21/158). In der Tat verkehrt Schach gern in höheren Kreisen, wo ihm die eine oder andere Liaison nachgesagt wird. Sander vermutet, dass die Schach und die Carayons verunglimpfenden Karikaturen »aus dem Prinz R[adziwill].schen Kreise« stammen, die »Anstoß an seinem Gelieble mit der Prinzessin« nehmen (13/105). Falls nicht, so steckten sicher Schachs Regimentskameraden dahinter, denn, wie Sander hinzufügt: »Er ist nichts weniger als beliebt. Wer den Aparten spielt, ist es nie.« (Ebd.)
Schachs Eitelkeit ist immer wieder Thema in den häufigen Gesprächen über ihn, in denen meistens schlecht von ihm geredet wird. Als zu Beginn des Romans Nostitz über eine mögliche Verbindung Schachs mit Frau von Carayon spekuliert, widerspricht ihm Alvensleben und liefert dabei eine umfassende Beschreibung von Schachs Charakter. Dieser sei ein Mensch, »bei dem alles so ganz und gar auf das Ästhetische zurückzuführen« sei, dass die ›unrepräsentable‹ Victoire jeden Heiratsplan scheitern lassen müsse. Schach fühle sich »durch ihre mangelnde Schönheit geradezu geniert« und erschrecke davor, »seine Normalität […] mit ihrer Unnormalität in irgend welche Verbindung gebracht zu sehen« (3/24). Das Problem liegt, Alvensleben zufolge, darin, dass Schach »krankhaft abhängig« ist, »abhängig bis zur Schwäche, von dem Urteile der Menschen, speziell seiner Standesgenossen« (3/24 f.). Victoire im Falle einer Ehe mit Frau von Carayon einfach vor der Öffentlichkeit zu verstecken, käme aber auch nicht in Frage, denn »das widerstreitet seinem feinen Sinn, dazu hat er das Herz zu sehr auf dem rechten Fleck« (3/25).
Sehr ähnlich beurteilen auch Josephine und Victoire von Carayon Schachs Charakter. Für die Mutter ist er »schwach und eitel nach Art aller schönen Männer, aber von einem nicht gewöhnlichen Rechtsgefühl und einer untadligen Gesinnung« (12/94), und auch Victoire hält ihn trotz seiner Eitelkeit und Unfähigkeit, »sich über das Gerede der Leute hinwegzusetzen«, für einen ›redlichen Mann‹ (5/49). Schachs Versuche, sich der Eheschließung mit Victoire zu entziehen, lassen allerdings einige Zweifel an seiner Redlichkeit aufkommen, bestätigen dafür umso mehr seinen Hang zu Äußerlichkeiten, wenn er sich in Wuthenow z.B. schaudernd vorstellt, wie das Bild Victoires einst in der Galerie neben dem seiner schönen Mutter hängen könnte: »Und zwischen die Generäle rück ich dann als Rittmeister ein, und zwischen die schönen Frauen kommt Victoire.« (14/120) Gleichzeitig zeigen seine Gedanken in Wuthenow, dass es ihn vor dem beengten Leben als Ehemann graust; er selbst sieht deutlich, dass er »die Gebote« durchaus kennt – ihm fehlt »bloß die Lust, ihnen zu gehorchen« (14/119). Bülow sieht den Grund dafür im Rückblick in Schachs Eitelkeit und Schwäche, und diese wiederum hält er für typisch für das in der Armee herrschende falsche Ehrgefühl (vgl. 20/154). Victoire dagegen registriert zwar Schachs Schwäche und seine Überbewertung von Äußerlichkeiten, erinnert sich aber gleichzeitig an das Gespräch mit Schach über den Orden der Tempelritter (vgl. 4/44 f.) und ist davon überzeugt, dass er zu den Männern gehörte, »die nicht für die Ehe geschaffen sind«, dass der Kampf gegen den Spott der Welt deshalb nicht das war, was Schach am meisten fürchtete, sondern »daß er diesen Kampf umsonst kämpfen, und daß er, wenn auch siegreich gegen die Welt, nicht siegreich gegen sich selber sein würde« (21/157). Schachs Abschiedsbrief ist für Victoire der Beweis dafür, dass er »voll Weichheit und Mitgefühl« war und den Schmerz ausgleichen wollte, den er ihr zugefügt hat (21/158).
Bülow hingegen ist überzeugt, dass Schachs Eitelkeit »ihn zeitlebens bei voller Herzenskühle gehalten« hat, er gesteht ihm aber auch Ehrgefühl zu (20/155). War für ihn Schach zunächst »nichts als ein Pedant und Wichtigthuer«, Repräsentant einer »preußischen Beschränktheit« (3/25), so schließt er sich später Alvenslebens Ansicht an, dass Schach »all seiner Fehler unerachtet, immer noch einer der besten war« (20/153). Indem Bülow ihn aber gleichzeitig als Repräsentanten der friderizianischen Armee betrachtet, wird Schachs Untergang verknüpft mit dem Untergang des alten Preußen.
Das historische Vorbild für die Figur war Otto Friedrich Ludwig von Schack (1763-1815), der sich 1815 in seiner Wohnung erschoss (zum Stoff vgl. Kommentar S. 163-165).