Schach von Wuthenow. Erzählung aus der Zeit des Regiments Gensdarmes (1882)

Theodor Fontane: Schach von Wuthenow. Erzählung aus der Zeit des Regiments Gensdarmes. Bearbeitet von Katrin Seebacher. Berlin: Aufbau 1997 (Große Brandenburger Ausgabe. Das erzählerische Werk. Bd. 6) – Nachweise von Zitaten erfolgen unter Angabe der Kapitel- und Seitenzahl (z.B. 11/91 = 11. Kapitel, S. 91).

Alvensleben, Herr von

Offizier im Regiment Gensdarmes, ein Regimentskamerad von Schach und wie dieser ein häufiger und gern gesehener Gast im Hause der Carayons, ein Haus, an dem er das enge, ›absolut ideale Verhältnis‹ von Mutter und Tochter besonders schätzt (3/25). Alvensleben missfällt, dass er im Regiment des Öfteren mit Schach verglichen wird, es widersteht ihm, »immer wieder und wieder in seine Fußstapfen zu treten« (vgl. 15/122), er ist jedoch uneitel und bei den Kameraden deutlich beliebter als Schach. An der Versammlung, bei der die von Zieten angeregte Schlittenfahrt geplant wird, nimmt er (anders als Schach) teil, lehnt es aber (wie Schach) ab, bei der Maskerade selbst mitzuspielen, was er damit begründet, dass ihm dazu »zu viel Katechismus Lutheri« im Leibe stecke (10/89).

Alvensleben ist es auch, der Frau von Carayon in Unkenntnis der Situation von Schachs Reise nach Wuthenow erzählt (vgl. 15/122). Die Existenz der Karikaturen verschweigt er ihr aus Rücksicht und ohne zu ahnen, dass diese Information Schachs plötzliche Abreise für die Carayonschen Damen verständlicher gemacht hätte (vgl. ebd.).

Alvenslebens feines Gespür für seine Mitmenschen zeigt sich bereits zu Beginn des Romans, wenn er Nostitz' Spekulation über eine baldige Verbindung von Schach und Frau von Carayon mit einer – wie sich später herausstellt – sehr treffenden Charakterisierung Schachs als unrealistisch zurückweist (vgl. 3/24 f.). Anders als Bülow ist Alvensleben bei aller kritischen Betrachtung bereit, auch die positiven Eigenschaften Schachs zu sehen (vgl. 3/26). Umgekehrt scheint Schach Alvensleben, den er eingangs »mit Herzlichkeit« begrüßt, durchaus zu mögen (1/9). Wie Nostiz und Sander wird auch Alvensleben zur Hochzeit Schachs und Victoires eingeladen.

Das historische Vorbild für die Figur war Ludwig Karl Alexander von Alvensleben (1778-1842).

Baarsch

Ordonnanz von Schach. Ein rothaariger, sommersprossiger Soldat bäuerlicher Herkunft, der nur Plattdeutsch spricht. Er hat mit einem Unteroffizier um eine Runde Bier und Schnaps für die ganze Corporalschaft gewettet, dass Schach nicht heiraten wird, und ist daher wenig erfreut, das Gegenteil zu vernehmen. Am Hochzeitstag fährt er zusammen mit dem Groom die Kutsche, in der Schach sich erschießt. Als dies geschehen ist, flucht und weint er, schiebt »alles auf die ›Menschheit‹, weil ers aufs Heiraten zu schieben nicht den Mut« hat (19/152).

Beate

Bedienstete im Haus der Carayons. Sie hilft Frau von Carayon, Victoire nach ihrem Zusammenbruch aufs Sofa zu tragen. Beim folgenreichen Besuch von Schach vermutet Victoire, dass Beate, ebenso wie der alte Jannasch, das Klingeln überhört habe, und öffnet daher selbst die Tür (vgl. 8/75).

Bienengräber

Der alte Pfarrer aus Ruppin, der Schach seinerzeit konfirmiert hat und immer noch einmal im Monat in Wuthenow predigt. Für Schach war er »immer ein sehr guter Mann« (14/117), was Mutter Kreepschen bestätigt, aber hinzufügt, dass Bienengräber inzwischen keine Zähne mehr habe und daher so undeutlich spreche, dass ihn niemand verstehe (vgl. ebd.). Schach besucht, als er in Wuthenow ist, den Gottesdienst, nimmt von dem geplanten Zwiegespräch mit Bienengräber jedoch wieder Abstand, als ihm bewusst wird, dass er genau weiß, was dieser ihm sagen wird – nämlich, dass er sich an die Gebote zu halten habe (vgl. 14/119).

Billerbeck

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Bocquet

Ein alter Konsistorialrat, der seinerzeit Frau von Carayon getraut und Victoire konfirmiert hat. An ihn denkt Frau von Carayon, als es um die verspätete Organisation der Hochzeit geht – vermutlich soll Bocquet Schach und Victoire trauen. Bocquet ist auch beim Hochzeitsmahl zu Gast und sitzt dort neben Frau von Carayon dem Brautpaar gegenüber (vgl. 19/146).

Britzke

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Bülow, Herr von

Ein ehemaliger Stabskapitän, Autor politischer Schriften und seit Kurzem häufiger Gast bei den Carayons, denen er aufrichtig zugetan ist. Er tritt stets mit seinem Verleger Sander gemeinsam auf. Nach »einem abenteuernden Leben in England und den Unionsstaaten« ist er in seine alte Heimat zurückgekehrt, wo er »allgemein als das Haupt« der »militärischen Frondeurs« gilt (1/5). Bülow ist einige Jahre jünger als Sander und trägt einen Spitzbart. Er neigt zu Überheblichkeit. Seinen politischen Überzeugungen gibt er oft, gern, gesten- und wortreich Ausdruck: »Er konnte, wie seine Freunde sagten, nur sprechen um Vortrag zu halten, und – er sprach eigentlich immer.« (Ebd.) Nur im Anschluss an Victoires Gesangsvortrag schweigt Bülow und ist in sich gekehrt, denn er »hatte, wie die meisten mit Staatenuntergang beschäftigten Frondeurs, auch seine schwachen Seiten, und eine davon war durch das Lied getroffen worden. [...] Wider Wissen und Willen, war er ein Kind seiner Zeit, und romantisierte.« (2/18)

Was das politische Zeitgeschehen betrifft, so ist Bülow – anders als Schach – ein Befürworter der Haugwitzschen Mission, hält diese »Rettung« Preußens aber für eine nur vorübergehende, denn seiner Ansicht nach sind der »nationale wie der konfessionelle Standpunkt [...] hinschwindende Dinge, vor allem aber ist es der preußische und sein alter ego der lutherische« (2/16). Erhält ein anderer zu viel Aufmerksamkeit, wird Bülow schnell nervös, denn er ist ein Mann, »der nicht gern neue Götter neben sich« duldet (2/15). Und auch sonst entsprechen seine Manieren nicht den Konventionen: Er sitzt mit weit vorgestreckten Füßen und lässt beim Sprechen eine Hand in der Hosentasche; er kleidet sich nachlässig, kurz: »Nonchalance gehörte mit zur Genialität« (ebd.). In seinem Desinteresse an Äußerlichkeiten ist Bülow aber auch der einzige, der Victoires Blatternarben nicht sieht oder jedenfalls »als absolut gleichgiltig« betrachtet (1/8) und der sie später im Brief an Sander als »ein paar Grübchen mehr in der Wange [...], als gerade modisch oder herkömmlich ist«, bezeichnet (20/154).

Mit dem an Äußerlichkeiten dagegen sehr interessierten Schach, den er ebenso wenig mag wie Schach ihn, verstrickt Bülow sich immer wieder in politische Diskussionen, aus denen er meist als Sieger hervorgeht, wie Victoire in ihren Briefen an Lisette hervorhebt (vgl. 5/50 u. 21/157 f.). Schach hält Bülows angebliche Genialität in politischen Fragen allerdings für »die billigste der Weisheiten, die Weisheit post festum« (4/38). Für ihn ist Bülow weiter nichts als exzentrisch, »und das Feuer, das in ihm brennt, ist einfach das einer infernalen Eigenliebe« (4/38). Frau von Carayon widerspricht, sie hält Bülow für »verbittert« und fürchtet gleichzeitig, »daß er ein Recht hat, es zu sein« (ebd.).

Trotzdem ist Bülow ein gern gesehener Gast, auch der Prinz freut sich auf die Opposition, die ihn erquicke (vgl. 6/51), und schließlich gibt sogar Schach zu, dass Bülow »ihm zwar nie sympathisch, aber trotz all seiner Schrullen immer ein Gegenstand des Interesses gewesen sei« (19/149). Umgekehrt sieht auch Bülow nach Schachs Tod den ehemaligen Gegner differenzierter. In seinem Brief an Sander räumt er ein, dass Schach, »all seiner Fehler unerachtet, immer noch einer der besten war«, und erklärt, dieser »Schach-Fall« sei »nur ein Symptom« für den falschen Ehrbegriff, der in der fridericianischen Armee herrsche und »die richtige Ehre tot gemacht« habe (20/153). Am Ende ist Bülow sogar sicher: »Wir werden an derselben Welt des Scheins zugrunde gehn, an der Schach zugrunde gegangen ist.« (20/155)

Das historische Vorbild für die Figur war Adam Heinrich Friedrich Freiherr von Bülow (1757-1807).

Carayon, Herr von

Der bereits verstorbene Vater von Victoire und Gatte von Josephine von Carayon war ein »kleiner, schwarzer Koloniefranzose«, der wiewohl aus vornehmer Familie stammend, »nichts Erhebliches in die Ehe mitgebracht hatte. Am wenigsten aber männliche Schönheit.« (4/28) In seiner Unscheinbarkeit stellt er einen Kontrast zu Schach dar (vgl. ebd.). Mit seinem Adelsstolz hat er Frau von Carayon, wie sie Victoire erzählt, »zur Verzweiflung gebracht und aus seiner Nähe hinweggelangweilt« (15/124). Die vornehme Familie von Carayon mit ihrer langen Geschichte führt Frau von Carayon jedoch später als Argument gegen die ihrer Ansicht nach weit dahinter zurückstehende Familie Schachs ins Feld (vgl. 15/123-125).

Carayon, Josephine von

Mutter von Victoire, eine schöne, brünette Frau bürgerlicher Herkunft von etwa Vierzig (vgl. 3/23), die von allen anderen Figuren sehr geschätzt wird. Durch ihre vierjährige Ehe mit Herrn von Carayon (vgl. ebd.), der sie langweilte (vgl. 15/124), ist sie in adlige Kreise aufgestiegen. Mit der gemeinsamen Tochter Victoire lebt sie in der Behrenstraße in Berlin, wo wöchentlich ein »Empfangsabend« für die Freunde des Hauses stattfindet (1/5), bei dem politische und kulturelle Ereignisse der Stadt und des Landes durchgesprochen werden. Bei politischen Themen hält Frau von Carayon sich eher zurück, lenkt auch schon mal ab, wenn die Diskussion zu hitzig wird (vgl. 2/12), kulturell ist sie aber sehr interessiert, geht gern ins Theater und unterhält sich mit Freunden darüber. Wie Victoire bedauert sie es sehr, außer Haus gewesen zu sein, als der ›tagesberühmte‹ Zacharias Werner, Autor des Trauerspiels »Die Weihe der Kraft«, den Damen seinen Besuch machen wollte (vgl. 2/12). Sie nimmt an den Diskussionen über das Stück, das die Berliner Gesellschaft spaltet, lebhaften Anteil und schaut es sich – anders als Victoire – zweimal an. Auch an dem folgenreichen Abend, an dem Schach Victoire allein antrifft, ist sie im Theater. Beide Carayonschen Damen werden als »verwöhnte Stadtkinder« beschrieben (4/36).

Die Schönheit der Frau von Carayon ist immer wieder ein Thema in Gesprächen anderer Figuren, beschäftigt sie aber auch selbst: »Victoire ließ zwar keine Gelegenheit vorübergehn, die Mutter über diesen wichtigen Punkt zu beruhigen, aber Frau von Carayon war doch klug genug, es sich jeden Morgen durch ihr von ihr selbst zu kontrolierendes Spiegelbild neu bestätigen zu lassen.« (4/28) Auch ihre Klugheit wird mehrfach angesprochen, Schach bezeichnet sie sogar als »das Ideal einer Frau: klug und doch ohne Gelehrsamkeit und Dünkel, espritvoll und doch ohne Mocquanterie« (4/37). Bülow bekennt ebenfalls, dass er für Frau von Carayon schwärme, die für ihn »den ganzen Zauber des Wahren und Natürlichen« hat, allerdings ist ihm ein Rätsel, was eine solche Frau an einem Mann wie Schach findet (vgl. 3/25).

Das enge Verhältnis der Frau von Carayon zu Schach, den sie schon seit vielen Jahren kennt (vgl. 15/123) und mit dem sie wahrscheinlich früher einmal eine Affäre hatte (vgl. 12/96 u. 19/150), bietet der Gesellschaft Anlass zu Spekulationen. So vermutet Nostitz zu Beginn eine baldige Eheschließung (3/24), und auch Victoire hat bereits entsprechende Gerüchte vernommen und versucht zunächst, die Verbindung beider voranzutreiben (vgl. 4/30). Frau von Carayon zeigt sich gerührt von Victoires Bemühungen, hält diese aber für vergeblich, ohne konkrete Gründe dafür zu nennen. Ihre nebulösen Ausführungen zu dieser Frage beendet sie mit der Versicherung an die Tochter: »Zuletzt lieb' ich doch eigentlich nur Dich.« (4/31) Damit bestätigt sie das zuvor von Alvensleben erwähnte ›ideale Verhältnis‹ zwischen Mutter und Tochter: »Denn so gewiß sie Schach liebt, so gewiß liebt sie Victoire, ja, sie liebt diese noch um ein gut Teil mehr.« (3/25).

Trotz ihrer eigenen Zuneigung zu Schach reagiert Frau von Carayon nicht eifersüchtig, nachdem sie von Victoire die Wahrheit erfahren hat. Im Gespräch mit Schach erklärt sie unter Anspielung auf die eigene, ihm ganz offenbar wohlbekannte (für den Leser aber diffus bleibende) Vergangenheit, dass es ihr fern liege, ihm »eine Szene zu machen oder gar eine Sittenpredigt zu halten« (12/96); zur Wahrung ihrer gesellschaftlichen Stellung sei sie aber keineswegs gewillt, in Victoires »Großmutskomödie« mitzuspielen (d.h. zu schweigen und Schach nicht zu behelligen) und müsse daher »auf Legitimisierung des Geschehenen dringen« (12/97). Schachs kühle Reaktion verletzt sie sehr, und seine spätere »Flucht« nach Wuthenow macht sie so wütend (15/123), dass sie Victoire gegenüber die Fassung verliert und sich in plötzlichem Standesdünkel über Schachs zweifelhafte Herkunft auslässt (vgl. 15/123-125). Das Mitgefühl, das als ihr »schönster Herzenszug« gelten konnte (15/121), versagt sie Schach in Unkenntnis der Karikaturen, und ersinnt stattdessen den Plan, sich vom König helfen zu lassen, nicht zuletzt um Schach zu »demütigen, so gewiß er uns demütigen wollte« (15/126). Kaum dass der Plan geglückt ist und Schach eingelenkt hat, kehren Ihr Mitgefühl und ihre Freundlichkeit zurück, und sie fühlt, »daß sie ruhiger und rücksichtsvoller hätte handeln sollen« (18/142). Auf der Hochzeitsfeier versöhnt Frau von Carayon sich endgültig mit Schach und gesteht ihm, dass sie sich inzwischen einer Stimmung schäme, die sie »unsere Vergangenheit so vergessen lassen konnte« (19/150). Nach Schachs Selbstmord begleitet offenbar sie an seiner Stelle Victoire auf die bereits geplante Italienreise (vgl. 21/156).

Das historische Vorbild für die Figur war Henriette von Crayen (1755-1832); zum Stoff vgl. Kommentar S. 163-165. – Das Stück »Martin Luther oder Die Weihe der Kraft« von Zacharias Werner (1768-1823) wurde am 11. Juni 1806 in Berlin uraufgeführt (vgl. Kommentar, S. 209 f.).

Carayon, Victoire von

Tochter von Josephine von Carayon. Sie ist heimlich in Schach verliebt und wird, als es zu einem einmaligen Beischlaf kommt, von ihm schwanger. Zur Abwendung gesellschaftlicher Schmach wirkt ihre Mutter erfolgreich auf eine Eheschließung hin, der Bräutigam erschießt sich jedoch unmittelbar nach der Hochzeit, sodass Victoire als junge Witwe zurückbleibt.

Victoire war früher »ein schönes Kind« (15/126), als das sie sowohl dem Prinzen als auch dem König von einem Kinderball, bei dem sie knapp 15 war, in Erinnerung geblieben ist (vgl. 7/66 u. 16/135). Doch eine schwere Blattern-Erkrankung, die sie kurz nach dem Ball befiel, hat Spuren hinterlassen (vgl. 7/66 f.), und so hat sie denn, wie gleich zu Beginn mitgeteilt wird, zwar immer noch ein schönes Profil, »das einst dem der Mutter geglichen haben mochte, durch zahlreiche Blatternarben aber um seine frühere Schönheit gekommen war« (1/8). Diese »Nichtschönheit«, wie Victoire selbst es nennt (21/158), wird von mehreren Figuren, vor allem von Schach, nicht zuletzt aber auch von ihr selbst als großes Problem angesehen. Wie sie in einem Brief an ihre Freundin Lisette von Perbandt schreibt, sieht sie sich »auf ein bloßes Pflichtteil des Glückes« gesetzt (5/50) und gibt in einem späteren Brief zu, dass sie »früh resigniert« und geglaubt hat, »kein Anrecht an jenes Schönste zu haben, was das Leben hat« (21/158). Die Versicherungen der Freundin »Dir lügt der Spiegel« sind für Victoire nur »[a]rme Worte, die von des Reichen Tische fallen« (8/74). Auch nach Ansicht ihrer schönen Mutter beherrscht Victoire der Glaube, dass sie »verarmt und ausgeschieden« sei, »mit der Macht einer fixen Idee« (15/125).

Die Überzeugung, aufgrund ihres Aussehens ohnehin niemals einen Mann zu finden, führt aber bei Victoire auch dazu, dass sie sich freier fühlt und weniger daran denken muss, ob die Gesellschaft ihr Verhalten verurteilen könnte: »Wovor andre meines Alters und Geschlechts erschrecken, das darf ich.« (8/77) Sie bedauert zwar, ihre Schönheit eingebüßt zu haben, geht aber andererseits »nicht blind an dem eingetauschten Guten vorüber« (ebd.). Dieses Schwanken zeigt sich auch in ihrem »witzig-elegischen Ton«, den Nostitz und Alvensleben für ihren »charakteristischen Zug« halten (7/67). Freilich: Im Beisammensein mit Schach, als er sie beschwört, wieder an ihr »Anrecht auf Leben und Liebe« zu glauben, zeigt Victoires Reaktion, wie sehr sie unter ihrer Situation leidet und sich nach Liebe sehnt: Sie schweigt »in einer süßen Betäubung«, denn »das waren die Worte, nach denen ihr Herz gebangt hatte, während es sich in Trotz zu waffnen suchte« (8/79).

Auf Schachs Rückzug und seine selteneren Besuche nach ihrem Schäferstündchen reagiert Victoire zuerst mit bangen Gefühlen, dann mit Unbehagen (9/80 f.), nach einer Weile jedoch eher resigniert: »Sie träumte so hin, und nur eigentlich traurig war sie nicht. Noch weniger unglücklich.« (10/85) Die auf Zietens Idee zurückgehende Schlittenfahrt ändert ihre Haltung jedoch, Victoire sieht darin offenbar eher eine Parodie Martin Luthers als des umstrittenen Theaterstückes über ihn, das ihr selbst nicht gefallen hat (vgl. 10/84). Sie findet das Spektakel »schaal und ekel«, eine Form, das Reine »durch den Schlamm« zu ziehen (11/92): »Und das war die Sphäre, darin sie gedacht und gelacht, und gelebt und gewebt, und darin sie nach Liebe verlangt, und ach das Schlimmste von allem an Liebe geglaubt hatte!« (Ebd.)

Victoire ahnt, dass Schach sie nicht wirklich liebt, deshalb möchte sie auch zunächst nicht, dass ihre Mutter ihn zur Hochzeit drängt. In den Worten Frau von Carayons gefällt Victoire sich »in dem Hochgefühl des Opfers, in einem süßen Hinsterben für den, den sie liebt, und für das, was sie lieben wird« (12/97). Als es schließlich aber doch zu den Hochzeitsvorbereitungen kommt, strahlt Victoire vor Freude und sieht auch sehr gut aus (vgl. 18/143), gleichzeitig hat sie eine böse Vorahnung (18/146), die sich noch am Tag der Hochzeit durch den Selbstmord Schachs bestätigt. Im Brief an Lisette von Perbandt, den Victoire etwa ein Jahr später schreibt, zeigt sie sich trotzdem glücklich und dankbar dafür, dass sie die Liebe erleben durfte und nun ein Kind hat, das zudem dem geliebten Mann ähnelt (21/158 f.).

Das historische Vorbild für die Figur war Victoire von Crayen, geboren 1786 oder 1787 (zum Stoff vgl. Kommentar S. 163-165).

Diricke

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt und bei der Aufführung den Famulus spielt.

Dussek

Kapellmeister, ein dem Prinzen wohlbekannter, kleiner Herr »von unverkennbaren Künstlerallüren«, dessen Welt das Theater ist (7/60). Er erscheint verspätet zu der Soirée beim Prinzen und ist dort neben Sander der zweite bürgerliche Gast. Als Dussek berichtet, dass Iffland den ihm zugedachten Orden nun doch nicht bekommen habe, lachen die anderen Herren, während er selbst darin einen Angriff auf das Bürgertum sieht (vgl. 7/61). Das trägt ihm von Bülow den Vorwurf ein, dass es seinem Bürgertum nicht um einen neuen Gesellschaftszustand, sondern vielmehr um Eifersucht auf die Privilegien des Adels gehe (vgl. 7/62). Am Gespräch über die verschiedenen Arten der Schönheit nimmt Dussek nicht teil, sondern spielt stattdessen Klavier, »weil er die Musikpassion des Prinzen kannte« (7/64).

Das historische Vorbild für die Figur war der Pianist und Komponist Jan Ladislav Dusík (1760-1812), auch Johann Ladislaus (oder Johann Ludwig) Dussek, der mit Prinz Louis Ferdinand seit 1800 freundschaftlich verbunden war.

Fritz

Ein »dicker und kurzhalsiger Junge«, der im Lokal »Sala Tarone« arbeitet und für die Runde aus Sander, »den er, allem Anscheine nach, am besten kannte«, Bülow und Alvensleben die Maibowle zubereitet (3/21). 

Groom

Englischer Reitknecht von Schach, von Victoire einmal auch Ned genannt. Er kann kaum Deutsch und ist von auffallend kleinem Wuchs. Victoire zufolge wird er »zu sehr verwöhnt, und immer mehr eine Puppe« (4/29). Er fährt die Kutsche, in der Schach sich erschießt, und findet diesen tot auf.

Haeseler, Graf

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Herr am Pult

Angestellter im Lokal »Sala Tarone«, dessen Aufgabe darin besteht, bei Bestellungen der Kunden Befehle in den Weinkeller hinunterzurufen, in dem Fritz arbeitet. Als Sander für Maibowle plädiert, rührt der Herr am Pult sich nicht, »aber man sah deutlich, daß er mit seinem Rücken zustimmte« (3/21).

Herzberg, Graf

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der die von Zieten angeregte Schlittenfahrt mitorganisiert und sich unter dem Jubel seiner Kameraden für die Rolle des Luther meldet, die er dann auch spielt.

Itzenplitz

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Jannasch

Ein alter Diener im Haus der Carayons, der am Tag nach der Schlittenfahrt meldet, dass er Schach in den Salon geführt habe (12/94). Beim folgenreichen Besuch von Schach vermutet Victoire, dass der alte Jannasch, ebenso wie Beate, das Klingeln überhört habe, und öffnet daher selbst die Tür (vgl. 8/75).

Jürgaß

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Kammerherr

Er kommt Josephine von Carayon am Potsdamer Schloss zufällig auf der Treppe entgegen; von ihm erfährt sie, dass der König sich nicht mehr in Potsdam aufhält.

Klitzing

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Köckritz, von

Generaladjutant, enger Vertrauter und »Liebling des Königs« (15/127), auf dessen Rechtsgefühl er seinerseits eine Lobrede hält (vgl. 16/133 f.). Josephine von Carayon kennt Köckritz seit ihrer Kindheit, da dieser als junger Offizier in ihrem Elternhaus verkehrte, und profitiert nun von dieser Bekanntschaft, um eine Audienz beim König zu erwirken. Köckritz ist freundlich und verbindlich, wenn auch offenbar nicht eben klug: »Sein ganzes Wesen hatte so sehr den Ausdruck des Gütigen und Vertrauenerweckenden, daß die Frage nach seiner Klugheit nur sehr wenig daneben bedeutete.« (16/132) In seinem Äußeren fällt der Kontrast zwischen dem »überaus hohen und steifen Uniformkragen« und seinem Zopf auf, der zu Frau von Carayons Erheiterung »ein eigenes Leben zu führen [schien]« und »sich leicht und mit einer gewissen Koketterie hin und her[bewegte], auch wenn an dem Manne selbst nicht die geringste Bewegung wahrzunehmen war« (16/132).

Das historische Vorbild für die Figur war Karl Leopold von Köckritz (1744-1821).

König von Preußen

Bei der Militärparade auf dem Tempelhofer Feld, von der es heißt, dass der König sie anlässlich seines Besuches in Berlin veranstalte (vgl. 8/71), tritt er selbst nicht in Erscheinung, sondern erst, als Josephine von Carayon ihn aufsucht, um ihn um Hilfe zu bitten. Zuvor von seinem Generaladjutanten Köckritz in den höchsten Tönen gelobt, begeht er schon mit den ersten Worten, die er an Frau von Carayon richtet, einen Fauxpas: »Erinnre Kinderball ... schöne Tochter ... Damals ...« (16/135) Auch im Gespräch mit Schach spricht er einen abgehackten Militärjargon, in dem kaum ein vollständiger Satz vorkommt: »Spiele nicht gern den Moralisten und Splitterrichter; mir verhaßt; auch meine Verirrungen. Aber in Verirrungen nicht stecken bleiben; wieder gut machen.« (17/137) Er stellt Schach vor die Wahl, entweder Victoire zu heiraten oder den Dienst in der Armee zu quittieren (vgl. ebd.). Nach dieser einseitigen Unterredung schickt er Schach zur Königin, die ihn aus einer »Frauenlaune« heraus ebenfalls zu sehen wünsche (17/138), und bestätigt damit das Bild des liebenden, seiner Frau ergebenen Ehemanns, das Köckritz zuvor von ihm gezeichnet hat (vgl. 16/134) 

Es handelt sich um Friedrich Wilhelm III., König von Preußen (1770-1840). Im Roman wird sein Name nicht genannt.

Königin von Preußen

Sie erscheint im Roman nur im Gespräch mit Schach und ist im Gegensatz zu ihrem Gatten sehr eloquent. Unter Berufung auf ihre »Frauenart«, die sie nicht unterdrücken will, nur weil sie eine Königin ist, erklärt sie sich für mitzuständig in einer solchen »question d'amour« (17/138). Anders als der König erpresst sie Schach nicht, sondern begegnet ihm mit Sympathie und Verständnis für seine Verwirrung infolge der Karikaturen. Dennoch macht auch sie deutlich, dass nur eine Handlungsweise Schachs in Frage kommt. Sie geht davon aus, dass zwischen Schach und Victoire »eine recht eigentliche Liebe« besteht, denn das Gegenteil mag sie nicht annehmen (17/139). Sie entlässt Schach mit Glückwünschen und dem Auftrag, ihren Namen als erste Taufpatin ins Wuthenower Kirchenbuch eintragen zu lassen (vgl. 17/140).

Es handelt sich um Luise, Königin von Preußen (1776-1810). Im Roman wird ihr Name nicht genannt.

Kracht

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Krist

Der alte Diener Schachs auf Schloss Wuthenow, Ehemann von Mutter Kreepschen. Das Paar lebt im Gesindehaus neben dem Schloss und kümmert sich in Schachs Abwesenheit um das Gut. Da Schach in seiner Jugend »mit Krist das erste Wasserhuhn geschossen und die erste Bootfahrt über den See gemacht« hat, lehnt er es ab, sich von dem alten Diener ›Gnädiger Herr‹ nennen zu lassen; Krist nennt Schach daher immer noch »junge Herr«, obwohl Schachs Vater seit Jahren tot ist (14/108). Krist spricht wie seine Frau nur Plattdeutsch und reagiert sehr verwundert, als Schach unangemeldet und zu später Stunde in Wuthenow anreist. Im selben Atemzug behauptet er jedoch, eine Vorahnung gehabt zu haben: »Awers ick wußt' et joa, as de Poggen hüt Oabend mit ehr Gequoak nich to Enn' koam' künn'n. ›Jei, jei, Mutter,‹ seggt ick, ›dat bedüt' wat.‹« (14/108) Seiner Frau zufolge wird Krist »ook ümmer dümmscher« (14/115).

Küfer

Angestellter des Lokals »Sala Tarone«. Er öffnet Sander, Bülow und Alvensleben die Tür, nachdem ein Blick auf Alvenslebens Uniform ihn »über den Charakter der etwas späten Gäste beruhigt hatte«, und führt sie in das eigentlich bereits geschlossene Lokal (3/19).

Küsterstochter

Ein »halberwachsenes Mädchen« (4/40), das beim Ausflug nach Tempelhof den Besuchern die Kirche zeigt und ihnen von dem Tempelritter erzählt, dessen Grab die Kirche angeblich beherbergt. Auf Schachs Frage, ob sie mehr aus dem Leben des Tempelritters wisse, erzählt die Küsterstochter den Besuchern eine das Grab betreffende Spukgeschichte.

Kutscher

Er trägt einen alten Tressenhut und fährt die Kutsche, in der Josephine von Carayon und der Lohndiener in Potsdam spazieren fahren.

Lakai

Er sitzt im Vestibül, als Josephine von Carayon in Paretz ankommt, und meldet General von Köckritz den Besuch.

Lohndiener

Er betätigt sich als Touristenführer und fährt mit Josephine von Carayon in der Kutsche spazieren, als sie in Potsdam die Stunden bis zum Abend überbrücken will. Der Lohndiener radebrecht zunächst einige Worte auf Französisch, da er sich angewöhnt hat, seine Kundschaft grundsätzlich für Halbfranzosen zu halten (vgl. 16/129). Auch ist er offensichtlich stolz auf seine Beziehungen, die trotz der späten Stunde den Besuch des Marmor-Palais (und dort speziell des Zimmers, in dem der frühere König seine Wassersucht kurierte) ermöglichen würden, doch Josephine von Carayon lehnt ab. Am nächsten Tag greift sie allerdings für die Fahrt nach Paretz erneut auf die Dienste des Lohndieners zurück, der sich »aller kleinen Eigenheiten seines Standes unerachtet, so vorzüglich bewährt hatte« (16/131).

Louis, Prinz von Preußen

Der Prinz liebt Unterhaltung jeder Art, nicht zuletzt durch Personen, die eine andere Meinung vertreten als er: »Opposition, die mich erquickt, auch wenn ich sie bekämpfe« (6/51). Die Information, dass er sich den tollkühnen »Kour- und Schuldenmacher« Nostitz als Adjutanten ausgewählt hat (3/23), gibt Auskunft über ihn selbst. Sein illegitimes Verhältnis mit der im Roman mehrfach erwähnten, aber nicht in Erscheinung tretenden Pauline, stößt allgemein auf Ablehnung, ohne dass der Prinz dies offenbar versteht. So wartet er bei der Soiree vergeblich »auf einen allseitigen Ausdruck des Bedauerns« als Reaktion auf seine Bemerkung, dass Pauline leider nicht da sei (7/69). Schach charakterisiert den Prinzen Victoire gegenüber wenig schmeichelhaft als »ein Licht mit einem reichlichen Schatten«, »in Kriegs- und in Liebesabenteuern gleich hervorragend«, darüber hinaus »grundsatzlos und rücksichtslos« (8/76). Im Gespräch über die verschiedenen Arten von Schönheit präsentiert sich der Prinz als ein Mensch, »der ein sich Einbohren in Fragen über die Maaßen« liebt (7/67), auch wenn seine Gesprächspartner wenig geneigt sind, ihm darin zu folgen. Gleichzeitig ist ihm aber auch daran gelegen, Verstimmungen seiner Gäste zu beheben, sofern er sie bemerkt (vgl. ebd.). Des Prinzen Wunsch, die Carayons kennen zu lernen, verdankt sich mehr seiner Neugier als einem echten Interesse. Politisch ist er zwar gegen die Haugwitzsche Friedenspolitik eingestellt, gleichzeitig aber nicht ernsthaft interessiert, wie sich seiner Verteidigung Lombards entnehmen lässt, in der eine Anekdote ihm wichtiger ist als Lombards Politik (vgl. 6/53).

Das historische Vorbild für die Figur ist Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1772-1806).

Marguerite, Tante

Offenbar unverheiratete Schwester des verstorbenen Herrn von Carayon, mithin Victoires Tante. Sie ist eine alte, ein wenig verwachsene Dame, die jeden Dienstag zu den Carayons zum Mittagessen zu Besuch kommt. Dass im Hause Carayon um 15 Uhr zu Mittag gegessen wird, ignoriert sie und kommt stets schon um 12 Uhr. Als »echte Koloniefranzösin« pflegt Marguerite die Aussprache von ›i‹ als ›ü‹ und verwendet oft und gern französische Ausdrücke (4/31). Sie ist ›genferisch reformiert‹ und erschrickt aufrichtig, als sie in der Tempelhofer Kirche die noch aus katholischen Zeiten stammenden Altarheiligen erblickt – für sie ein Zeichen von Aberglauben, den man bekämpfen müsste (4/41). Sie selbst fürchtet sich vor Gespenstern, bestreitet aber umso mehr ihre Existenz (vgl. 4/43).

Tante Marguerites große Vorliebe sind Klatschgeschichten, insbesondere vom Hofe, wobei sie allerdings die »Schwäche« hat, »die doch immerhin wichtige Personalfrage mit einer äußersten Geringschätzung zu behandeln«, sie verwechselt also die Namen der Beteiligten (4/32), ohne das selbst im Geringsten problematisch oder peinlich zu finden (vgl. 4/33). Gleichzeitig gibt sie nicht gern zu, »etwas nicht zu wissen oder wohl gar nicht gesehen zu haben«, antwortet deshalb auch dann, wenn sie gar nicht weiß, um wen oder was es sich handelt (4/35). Sie ist nicht besonders gebildet, was den Carayons manchmal peinlich ist (4/34 f.), aber sie ist gutherzig, liebt Victoire und reagiert mit ›naiver Glückseligkeit‹ auf die Hochzeitsvorbereitungen (18/144). Als einzige hält sie die Verbindung zwischen Schach und Victoire für eine echte Liebesheirat, freut sich aufrichtig und behauptet, »es alles vorher gewußt« zu haben (19/148).

Mutter Kreepschen

Ehefrau von Krist, Bedienstete von Schach auf Schloss Wuthenow. Sie kümmert sich mit ihrem Mann in Schachs Abwesenheit um das Gut und spricht wie Krist nur Plattdeutsch. Sie ist äußerst praktisch veranlagt und nimmt weder ihrem Mann noch Schach gegenüber ein Blatt vor den Mund. Auf ihres Mannes etwas abergläubische Bemerkung, das endlose Quaken der Frösche müsse doch etwas bedeuten, antwortet sie trocken, dass es Regen bedeute: »Un dat's man gaud. Denn uns' Tüffeln bruken't.« (14/108) Als Schach sie morgens um Kaffee bittet, entgegnet sie, dass sie sich zuerst noch um ihre Ziege kümmern müsse, »de geiht för« (14/116). Auch verwundert sie sich darüber, dass Schach nicht auf die Idee gekommen ist, das Licht zu löschen, als er im Schlaf von Insekten gestört wurde: »Dat weet doch jed-een, wo Licht is, doa sinn ook ümmer Gnitzen un Motten.« (14/115)

Nostitz

Adliger Leutnant, Regimentskamarad von Schach und Alvensleben, der, »trotzdem er aus dem Sächsischen stammte« (3/22), aufgrund seiner enormen Körpergröße in das Elite-Regiment Gensdarmes aufgenommen wurde, »mit einem verbliebenen kleinen Reste von Antagonismus mittlerweile längst fertig geworden« ist und sich großer Beliebtheit erfreut (3/23). Nostitz ist ein »tollkühner Reiter und ein noch tollkühnerer Kour- und Schuldenmacher« (3/23), was möglicherweise der Grund dafür ist, dass Prinz Louis ihn sich als Adjutanten ausgewählt hat. Nostitz ist es, der zu Beginn des Romans das Verhältnis zwischen Schach und Josephine von Carayon als ein »ziemlich vorgeschrittenes« (3/24) bezeichnet und über ihre künftige Verbindung spekuliert. Im Unterschied zu Schach und Alvensleben macht Nostitz bei der Organisation und Durchführung der von Zieten angeregten Schlittenfahrt mit und übernimmt die Rolle der Katharina von Bora. Wie Sander und Alvensleben ist Nostitz Gast bei der Hochzeit von Victoire und Schach.

Das historische Vorbild für die Figur war der spätere russische Generalleutnant und Generaladjutant Johann Karl Georg von Nostitz (1781-1838). Das Buch »Aus Karls von Nostitz Leben und Briefwechsel« (1848) war für Fontane eine der Quellen bei der Abfassung des Romans (vgl. Kommentar, S. 212 und zur Entstehungsgeschichte im Allgemeinen S. 182-189).

Perbandt, Lisette von

Eine enge Vetraute Victoires, vermutlich eine langjährige Freundin, mit der sie sich Briefe schreibt. Lisette von Perbandt ist seit kurzer Zeit verheiratet und lebt daher nicht mehr in Berlin, sondern mit ihrem Mann in Masuren. Der Roman enthält zwei Briefe von Victoire an Lisette und eine längere Passage eines Briefes von Lisette an Victoire, von der es heißt, dass Victoire sie sich mit einem Bleistiftstrich markiert habe. Die erneute Lektüre des Briefes liegt zeitlich unmittelbar vor dem folgenreichen Besuch Schachs bei Victoire. Aus Lisettes Zeilen geht hervor, dass sie Victoires Gefühle für Schach erkannt hat. Auf die Beschreibung des Ausfluges nach Tempelhof reagierend, rät Lisette ihrer Freundin, Schach gegenüber nicht so misstrauisch zu sein oder aber ihre gute Meinung von ihm fallen zu lassen (vgl. 8/74). Victoires Selbstbild kommentiert sie mit den Worten »Dir lügt der Spiegel« (8/74).

Putlitz, von

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Recke, Herr von der

Ein alter Herr, ehemaliger Offizier und ein Verwandter Schachs, mit dem Josephine und Victoire von Carayon zur Militärparade auf dem Tempelhofer Feld fahren. Herr von der Recke äußert bei der Betrachtung der Parade »mit bewegter Stimme« die Vorahnung, dass man »diese Pracht nicht wiedersehen« werde – es sei »die Abschiedsrevue der friedericianischen Armee« (8/73).

Rochow, von

Ein Regimentskamerad von Schach und Alvensleben, der an der Versammlung zur Organisation der von Zieten angeregten Schlittenfahrt teilnimmt.

Sander, Daniel

Verleger der Schriften von Bülows, eine der wenigen bürgerlichen Figuren im Roman. Er ist verheiratet, um einige Jahre älter als Bülow und wird als dessen »vollkommener Widerpart« bezeichnet, soweit es das Äußere betrifft (1/6). Sander hat einen schwarzen Vollbart, trägt »feinste weiße Wäsche« und sein Gesicht drückt »ebensoviel Behagen wie Sarkasmus« aus (ebd.). Er schätzt gutes Essen und ist sehr korpulent. Schach, der ihn zunächst nicht mag, nennt ihn deshalb einen »aufgedunsenen Roturier« und ein »wahres Mammuth« (4/38). Sander ist gebildet und schlagfertig, verdankt den Verkehr in den adligen Kreisen aber offenbar seiner Freundschaft mit Bülow. So bezeichnet Josephine von Carayon Sander als den »Schatten Bülows« (ebd.), Schach sieht ihn eher als Bülows »Sancho Pansa« (ebd.) und für Prinz Louis ist er Bülows »verlegerischer Anhang« (6/51).

Dass Sander viele Bekannte hat, lässt sich aus Bülows an ihn gerichteter Bitte ersehen, dem Ursprung der Karikaturen nachzugehen: »Sie wissen ja alles, und hören das Berliner Gras wachsen.« (13/104) Wie Bülow bedauert auch Sander die Boshaftigkeit der Karikaturen nur um der Carayons, nicht um Schachs willen (vgl. 13/105). Dass er die Veröffentlichung der Bilder verweigert, wird ihm jedoch später von Schach »um so höher« angerechnet, »als er es von dieser Seite her nicht erwartet hatte« (19/146). Aus diesem Grund besteht Schach auf der Einladung Sanders zur Hochzeit. Dort erfreut Sander die naive Tante Marguerite mit ›allerlei kleinen Neckereien‹, sodass diese später Victoire zuflüstert: »Charmanter Herr. Und so galant. Und so bedeutungsvoll.« (19/149)

Was Sander wirklich denkt und meint, wird oft durch seine sarkastische Sprechweise überdeckt, wie z.B. seine überspitzte Aussage, dass »Freundschaften am besten ohne Freunde« bestehen (7/66). Der Prinz vermutet denn auch, dass es sehr gut mit Sander stehen müsse, wenn er sich »zu solchen Ungeheuerlichkeiten offen bekennen« könne (ebd.). Auch zu den politischen Diskussionen des Romans trägt Sander wenig Konkretes bei, er scheint aber, wiewohl er an Bülows Schriften gut verdient, dessen politische Ideen für wenig realistisch zu halten. Auf Bülows Plädoyer für die »Ausrottung« von Orden entgegnet Sander z.B. trocken, Bülow arbeite an der »Errichtung eines neuen Königreichs Utopien« (7/63). Dreht es sich um Kunst, so wird Sander mehrfach von anderen Figuren um seine Meinung gebeten; und Sander ist es auch, der zu Beginn des Romans im Gespräch über den Schauspieler und Dramatiker Iffland den vorausdeutenden Satz äußert: »Unsere Prinzipien dauern gerade so lange, bis sie mit unsern Leidenschaften oder Eitelkeiten in Konflikt geraten und ziehen dann jedesmal den kürzeren.« (2/14)

Das historische Vorbild für die Figur war der Verleger und Schriftsteller Johann Daniel Sander (1759-1825), der jedoch nicht der Verleger der Schriften des historischen Bülow war (vgl. Kommentar S. 206).

Schach, Herr von

Rittmeister im preußischen Regiment Gensdarmes. Er ist genauso alt wie Frau von Carayon, also ungefähr 40 Jahre alt, und sehr gutaussehend (vgl. 4/30). Sein bereits vor Jahren verstorbener Vater war General, seine erst vor einem Jahr verstorbene Mutter eine ›sehr vornehme und sehr stolze‹ (vgl. 14/109), zudem außergewöhnlich schöne Dame.

Schach verkehrt regelmäßig im Haus der Carayons, mit der Dame des Hauses scheint ihn eine alte Liebe zu verbinden (vgl. 12/96 u. 19/150). Er schwängert jedoch die ebenfalls in ihn verliebte, durch Blatternarben entstellte Tochter Victoire, heiratet diese gezwungenermaßen und erschießt sich unmittelbar nach der Hochzeit.

Schach hängt an Preußen und der friderizianischen Armee, die Haugwitzsche Mission sieht er daher kritisch (vgl. 1/9). Über politische Fragen gerät er immer wieder mit Bülow in Streit, in denen er regelmäßig unterliegt, weil er Bülow geistig nicht gewachsen ist. Das bemerkt auch Victoire, wenn sie an Lisette von Perbandt schreibt: »Du hast ihn nie für sehr gescheidt gehalten, und ich meinerseits habe nur schüchtern widersprochen.« (5/49) Victoire zufolge hat Schach »aber doch die beste Gescheitheit, die mittlere« (ebd.).

Schachs hervorstechendstes Merkmal ist jedoch seine Eitelkeit, gepaart mit einer »eigentümlichen Mischung von Artigkeit und Grandezza« (4/33). Victoire beschreibt ihn nach seinem Tod als »seiner ganzen Natur nach auf Repräsentation« eingestellt (21/157), »wie dazu bestimmt, der Halbgott eines prinzlichen Hofes zu sein« (21/158). In der Tat verkehrt Schach gern in höheren Kreisen, wo ihm die eine oder andere Liaison nachgesagt wird. Sander vermutet, dass die Schach und die Carayons verunglimpfenden Karikaturen »aus dem Prinz R[adziwill].schen Kreise« stammen, die »Anstoß an seinem Gelieble mit der Prinzessin« nehmen (13/105). Falls nicht, so steckten sicher Schachs Regimentskameraden dahinter, denn, wie Sander hinzufügt: »Er ist nichts weniger als beliebt. Wer den Aparten spielt, ist es nie.« (Ebd.)

Schachs Eitelkeit ist immer wieder Thema in den häufigen Gesprächen über ihn, in denen meistens schlecht von ihm geredet wird. Als zu Beginn des Romans Nostitz über eine mögliche Verbindung Schachs mit Frau von Carayon spekuliert, widerspricht ihm Alvensleben und liefert dabei eine umfassende Beschreibung von Schachs Charakter. Dieser sei ein Mensch, »bei dem alles so ganz und gar auf das Ästhetische zurückzuführen« sei, dass die ›unrepräsentable‹ Victoire jeden Heiratsplan scheitern lassen müsse. Schach fühle sich »durch ihre mangelnde Schönheit geradezu geniert« und erschrecke davor, »seine Normalität […] mit ihrer Unnormalität in irgend welche Verbindung gebracht zu sehen« (3/24). Das Problem liegt, Alvensleben zufolge, darin, dass Schach »krankhaft abhängig« ist, »abhängig bis zur Schwäche, von dem Urteile der Menschen, speziell seiner Standesgenossen« (3/24 f.). Victoire im Falle einer Ehe mit Frau von Carayon einfach vor der Öffentlichkeit zu verstecken, käme aber auch nicht in Frage, denn »das widerstreitet seinem feinen Sinn, dazu hat er das Herz zu sehr auf dem rechten Fleck« (3/25).

Sehr ähnlich beurteilen auch Josephine und Victoire von Carayon Schachs Charakter. Für die Mutter ist er »schwach und eitel nach Art aller schönen Männer, aber von einem nicht gewöhnlichen Rechtsgefühl und einer untadligen Gesinnung« (12/94), und auch Victoire hält ihn trotz seiner Eitelkeit und Unfähigkeit, »sich über das Gerede der Leute hinwegzusetzen«, für einen ›redlichen Mann‹ (5/49). Schachs Versuche, sich der Eheschließung mit Victoire zu entziehen, lassen allerdings einige Zweifel an seiner Redlichkeit aufkommen, bestätigen dafür umso mehr seinen Hang zu Äußerlichkeiten, wenn er sich in Wuthenow z.B. schaudernd vorstellt, wie das Bild Victoires einst in der Galerie neben dem seiner schönen Mutter hängen könnte: »Und zwischen die Generäle rück ich dann als Rittmeister ein, und zwischen die schönen Frauen kommt Victoire.« (14/120) Gleichzeitig zeigen seine Gedanken in Wuthenow, dass es ihn vor dem beengten Leben als Ehemann graust; er selbst sieht deutlich, dass er »die Gebote« durchaus kennt – ihm fehlt »bloß die Lust, ihnen zu gehorchen« (14/119). Bülow sieht den Grund dafür im Rückblick in Schachs Eitelkeit und Schwäche, und diese wiederum hält er für typisch für das in der Armee herrschende falsche Ehrgefühl (vgl. 20/154). Victoire dagegen registriert zwar Schachs Schwäche und seine Überbewertung von Äußerlichkeiten, erinnert sich aber gleichzeitig an das Gespräch mit Schach über den Orden der Tempelritter (vgl. 4/44 f.) und ist davon überzeugt, dass er zu den Männern gehörte, »die nicht für die Ehe geschaffen sind«, dass der Kampf gegen den Spott der Welt deshalb nicht das war, was Schach am meisten fürchtete, sondern »daß er diesen Kampf umsonst kämpfen, und daß er, wenn auch siegreich gegen die Welt, nicht siegreich gegen sich selber sein würde« (21/157). Schachs Abschiedsbrief ist für Victoire der Beweis dafür, dass er »voll Weichheit und Mitgefühl« war und den Schmerz ausgleichen wollte, den er ihr zugefügt hat (21/158).

Bülow hingegen ist überzeugt, dass Schachs Eitelkeit »ihn zeitlebens bei voller Herzenskühle gehalten« hat, er gesteht ihm aber auch Ehrgefühl zu (20/155). War für ihn Schach zunächst »nichts als ein Pedant und Wichtigthuer«, Repräsentant einer »preußischen Beschränktheit« (3/25), so schließt er sich später Alvenslebens Ansicht an, dass Schach »all seiner Fehler unerachtet, immer noch einer der besten war« (20/153). Indem Bülow ihn aber gleichzeitig als Repräsentanten der friderizianischen Armee betrachtet, wird Schachs Untergang verknüpft mit dem Untergang des alten Preußen.

Das historische Vorbild für die Figur war Otto Friedrich Ludwig von Schack (1763-1815), der sich 1815 in seiner Wohnung erschoss (zum Stoff vgl. Kommentar S. 163-165).

Viereck, Fräulein von

Hofdame der Königin, die diese im Park begleitet, sich dann aber entfernt, als Schach die Königin trifft.

Zieten, Lieutenant von

Ein schon älterer Regimentskamerad von Schach und Alvensleben. Zieten ist »ein kleines, häßliches und säbelbeiniges Kerlchen, das durch entfernte Vetterschaft mit dem berühmten General und beinahe mehr noch durch eine keck in die Welt hineinkrähende Stimme zu balanciren wußte, was ihm an sonstigen Tugenden abging« (10/86).

Als die Regimentskameraden besprechen, in welcher Form man das viel diskutierte Theaterstück »Die Weihe der Kraft« von Zacharias Werner parodieren könnte – ein Stück über Martin Luther –, hat Zieten die Idee, eine sommerliche Schlittenfahrt zu veranstalten, eine Art Karnevalsumzug: »Unter den Linden wird Salz gestreut, und über diesen Schnee hin, geht unsre Fahrt. Erst ein paar aufgelöste Nonnen; in dem großen Hauptschlitten aber, der die Mitte des Zuges bildet, paradieren Luther und sein Famulus, jeder mit einer Flöte, während Katharinchen auf der Pritsche reitet.« (10/87) Seine Regimentskameraden, die es als ihre Verpflichtung ansehen, von Zeit zu Zeit mit einem Streich von sich reden zu machen, reagieren begeistert auf diese Idee. Zieten selbst übernimmt die Rolle der Äbtissin.

Gegen Schach hegt er eine »Specialmalice« und profitiert von der Zusammenkunft der Kameraden, um einige Boshaftigkeiten über diesen zu äußern (10/88). Als die Karikaturen erscheinen, ist Zieten schadenfroh und begegnet Schach auf der Straße mit Häme (vgl. 13/104). Für Bülow ist es kein Kompliment an Schach, dass dieser »nun mal Zietens spöttischen Blick nicht ertragen« kann (20/154).

Das Stück »Martin Luther oder Die Weihe der Kraft« von Zacharias Werner (1768-1823) wurde am 11. Juni 1806 in Berlin uraufgeführt (vgl. Kommentar, S. 209 f.). Auch eine Parodie in Form einer »Schlittenfahrt« gab es tatsächlich (vgl. Kommentar S. 227).

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