Hradscheck, Abel
Inhaber eines Gasthauses und »Materialwaarengeschäfts« (1/5) in Tschechin, einem Dorf im Oderbruch, in dem er seit etwa zehn Jahren ansässig ist. Hradscheck, Anfang Vierzig, stammt aus Neu-Lewin, einem benachbarten Dorf, in dem er ebenfalls einen Kramladen betrieben hatte, den er aber »um eines ihm unbequem werdenden ›Verhältnisses‹ willen« aufgab (9/53; vgl. Rese), um nach Amerika auszuwandern. Nach der Begegnung mit seiner späteren Frau Ursel ließ er diesen Plan fallen und siedelte sich mit ihr in Tschechin an. Ihre Kinder starben im siebenten Ehejahr.
Um die extravaganten Einrichtungswünsche seiner Frau zu erfüllen, hat er sich stark verschuldet und steht nun kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. In wenigen Wochen steht ihm der Besuch des Vertreters einer Krakauer Firma ins Haus, der eine beträchtliche Schuldsumme bei ihm eintreiben soll. Als er beim Umgraben seines Gartens unter einem alten Birnbaum auf die sterblichen Überreste eines französischen Soldaten stößt, fasst er einen verbrecherischen Plan und bringt seine Frau dazu, an dessen Ausführung mitzuwirken.
Die Einzelheiten dieses Plans bleiben zunächst im Dunkeln, werden erst nach und nach und nur indirekt enthüllt: Zunächst bringt Hradscheck das Gerücht von einer Erbschaft in Umlauf, die seiner Frau zugefallen sei, und übergibt dann dem Vertreter der Krakauer Firma, Szulski, im Beisein seiner Gäste die volle Schuldsumme. In der Nacht bringt er den Polen um und verscharrt seine Leiche im Keller seines Hauses. Danach gräbt er, beobachtet von der alten Jeschke, unter dem alten Birnbaum, genau an der Stelle, an der er die Gebeine des Soldaten gefunden hatte, ein Loch und schaufelt es sogleich wieder zu. Am nächsten Morgen inszenieren er und Ursel für das Hausgesinde die Abreise Szulskis, wobei Ursel den Polen spielt und die Kutsche am Oderdamm hinter Orths Mühle in die Oder stürzen lässt.
Obwohl Hradscheck sich am nächsten Tag unbefangen an der Suche nach Szulski beteiligt, gerät er unter Verdacht und wird von Justizrat Vowinkel aus Küstrin in Untersuchungshaft genommen. Die Ermittlungen bleiben indes ergebnislos, und nachdem bei einem Lokaltermin in Hradschecks Garten nicht Szulskis Leiche, sondern nur die Überreste des französischen Soldaten gefunden werden, wird er aus der Haft entlassen, und schon um die Fastnachtszeit haben auch die Tschechiner »die ganze Szulski-Geschichte so gut wie vergessen« (13/77).
Wenig später, um Ostern, gibt Hradscheck bei Zimmermeister Buggenhagen die Aufstockung seines Hauses in Auftrag und lässt wissen, dass die Mittel dazu aus der Erbschaft seiner Frau stammen. Ursels Tod im Herbst desselben Jahres erschüttert ihn nur kurzfristig. Schon kurze Zeit nach ihrer Beerdigung führt er ein geselliges Leben, fährt in regelmäßigen Abständen zur Erledigung von Geschäften nach Frankfurt und Berlin und findet dort bald eine Frau, Editha, dreißigjährige »Tochter aus einem Destillationsgeschäft«, die seinen Heiratsplänen nicht abgeneigt ist (17/108). Bei jedem seiner Aufenthalte in der Stadt besucht er das Theater, aus dem er allerlei »Lieder und Arien« mitbringt, die er seinen Tschechiner Stammgästen mit seiner »gute[n] Tenorstimme« vorträgt (17/105).
An einem dieser feuchtfröhlichen Abende weigert Ede sich, Wein aus dem Keller zu holen, weil es dort spuke. Dies und die »dunklen Andeutungen« der alten Jeschke (19/116) verunsichern Hradscheck so sehr, dass er beschließt, die Leiche des Polen schon in der nächsten Nacht aus dem Haus zu schaffen und in die Oder zu werfen. Dabei sperrt er sich versehentlich im Keller ein und wird am nächsten Morgen tot aufgefunden, neben ihm die halb ausgegrabene Leiche des Polen. Ede ist sich sicher: »Dat 's de Spök. De Spök hett noah em grappscht. Un denn wull he 'rut un kunn nich.« [Das ist der Spuk. Der Spuk hat nach ihm gegrapscht. Und dann wollte er raus und konnte nicht] (20/124) Pastor Eccelius aber ist überzeugt, dass er »von der Hand Gottes getroffen« wurde, und beendet die Notiz über die tags darauf erfolgte Beerdigung Hradschecks im Kirchenbuch mit der »Spruchweisheit«, die schon Ursel Hradscheck anzitiert hatte, als Hradscheck ihr seinen verbrecherischen Plan auseinandersetzte (vgl. 3/23): »›Es ist nichts so fein gesponnen, ’s kommt doch alles an die Sonnen.‹« (20/127)