Opitz
Nachbar und Gegenspieler von Lehnert Menz, gräflicher Förster, »ein breitschultriger und kurzhalsiger Mann von Mitte dreißig«, in seiner ganzen Erscheinung »ein Bild von Selbstbewußtsein und Hochmuth« (1/6). Er ist ein engstirniger Mensch, hält sich viel auf seine Stellung zugute und verlangt von seiner Umgebung Ehrerbietung und Unterwerfung. Seine Frau Bärbel, mit der er grob und launenhaft umgeht, hat Angst vor ihm, und seine Jagdhündin Diana bekommt Fußtritte, wenn sie ihrem Herrn in die Quere kommt (vgl. 4/29). Die autoritäre Ordnung des preußischen Obrigkeitsstaates und seine gesellschaftlichen Hierarchien sind ganz nach seinem Geschmack: »Unterschiede sind Gottes Ordnungen« (4/33), so seine Überzeugung, und »Ordre parieren«, d.h. Gehorsam garantiert deren Bestand. Er hält peinlich genau auf Recht und Gesetz und lässt den armen Leuten der umliegenden Dörfer, wenn sie sich aus dem Wald Brennholz oder ein Stück Wild zu holen versuchen, nichts durchgehen. Lehnert Menz‘ Parteigänger und Kriegskameraden, »kleine Leute von Querseiffen und Wolfshau her« (3/21), nennen Opitz einen »Quäler und Schufter« (3/22), der »nach oben hin kriecht« und »nach unten hin tritt« (3/23), und wünschen ihm den Tod: »Dann wären wir ihn los und das arme Volk wär‘ ihn los, das in den Wald geht, und könnte sich ruhig sein bißchen Holz raffen.« (3/25).
Dass Lehnert Menz sich ihm gegenüber »auf den Ebenbürtigen und Ueberlegenen« ausspielt (4/35), ist Opitz ein beständig erneuerter Anlass zu unversöhnlichem Hass. Schon im Deutsch-Französischen Krieg, in dem er als Oberjäger diente, hat er Menz »chikaniert vom ersten Tag an« (3/22) und ihm die verdiente Auszeichnung, das Eiserne Kreuz, »gestohlen« (3/23). Nach dem Krieg hat er ihn wegen Wilderei für zwei Monate ins Gefängnis gebracht. Der um Vermittlung zwischen den Streithähnen bemühte Pastor Siebenhaar kann beider Feindseligkeit nur oberflächlich und für kurze Zeit besänftigen. Als der Streit erneut eskaliert, schießt Menz seinen Widersacher bei einer nächtlichen Begegnung im Wald nieder. Opitz verblutet qualvoll, ohne seinen Mörder erkannt zu haben. Bei den kleinen Leuten in der Umgebung von Wolfshau hält sich das Mitgefühl in Grenzen: »›Er hat einen schweren Tod gehabt.‹ ›Und wir vorher ein schweres Leben.‹« (14/113) Erst als die letzten Notizen des Sterbenden verlesen werden, in denen er seiner Frau Abbitte leistet und sie der Fürsorge des Grafen empfiehlt, regt sich Mitleid unter den Umstehenden (vgl. 14/115).
Lehnert Menz verfolgt seine Tat wie zuvor der Getötete. Sein Gewissen quält ihn, und noch Jahre später, als der Name Opitz fällt, wechselt er die Farbe, obwohl es dabei nicht um den Förster, sondern um den Dichter Martin Opitz geht, den Obadja Hornbostel bei seiner Aufzählung bedeutender schlesischer Männer erwähnt (vgl. 29/250).