Quitt (1890)

Theodor Fontane: Quitt. Herausgegeben von Christina Brieger. Berlin: Aufbau 1999 (Große Brandenburger Ausgabe. Das erzählerische Werk. Bd. 12) – Nachweise von Zitaten erfolgen unter Angabe der Kapitel- und Seitenzahl (z.B. 3/16 = 3. Kapitel, S. 16).

Bartels

Einer der sechs mennonitischen Lehrer und Missionare, die beim »Fest der Fußwaschung« in Nogat-Ehre der Taufe der von ihnen bekehrten Indianer beiwohnen und von denen fünf »sämmtlich gute Deutsche waren, was nicht bloß ihre vierkantigen Köpfe, sondern beinah mehr noch ihre kerndeutschen Namen bezeugten: Bartels und Nickel, Krähbiel, Stauffer und Penner« (24/201). Der sechste ist ein Engländer namens Anthony Shelley.

Böhmer, Frau

Krämerin in Krummhübel, Nachbarin von Klose, eine »für gewöhnlich mit ihren Gunstbezeigungen etwas kargende« Frau, die den an ihrem Haus vorübergehenden Opitz höflich begrüßt (3/16). Am Ende, als Obadja Hornbostels Brief mit der Nachricht von Lehnert Menz‘ Tod in Krummhübel die Runde macht, heißt es von ihr, sie habe »sogar geweint« (37/292).

Brey

Gendarm aus Erdmannsdorf, der auf die Nachricht von Opitz‘ Tod nach Krummhübel kommt, um Gerichtsmann Kloses Ermittlungen zu unterstützen. Bei der Inspizierung des Menzschen Anwesens überwacht er die Absperrung der zum Haus führenden Brückenstege (vgl. 15/121 f.).

Christine

Dienstmädchen der Försterin Bärbel Opitz. Gegen deren eindringlichen Rat ist sie entschieden »für heirathen« und würde Lehnert Menz nehmen, wenn er sie will, »und wenn Lehnert nicht will, nu, dann will er nicht, dann will ein anderer« (4/31). Zaghaft legt sie bei Opitz ein gutes Wort für ihn ein, freilich ohne Erfolg. Sie ist eine »Plaudertasche« (10/80) und befördert, indem sie die alte Frau Menz über die Vorgänge in der Försterei auf dem Laufenden hält, ungewollt die Eskalation des Streits zwischen den beiden Männern. Als Opitz vermisst wird, ahnt sie, was geschehen ist: Sie stiehlt von seinem Schreibtisch das wichtigste Indiz für Menz‘ Mordmotiv, ein Schreiben, in dem er eine erneute Strafanzeige gegen Menz stellt, und übergibt es Lehnert mit der Aufforderung, es zu zerreißen: »Er kommt nicht wieder.« (12/102)

Diana

Hühnerhund des Försters Opitz, »ein schönes, schwarz und weiß geflecktes Thier« (3/15), das von seinem Herrn Fußtritte zu gewärtigen hat, wenn es ihn stört (vgl. 4/29). Diana tötet Lehnert Menz‘ Hahn, der sich zu weit auf das Opitzsche Grundstück gewagt hat (vgl. 9/70), und trägt damit zur Eskalierung des Streits zwischen Menz und Opitz bei.

Espe

Ein Rechnungsrat aus Berlin, der mit seiner Frau Geraldine und deren Töchtern seine Ferien in Krummhübel verbringt und dessen Reaktionen auf Lehnert Menz’ Tat die Perspektive des preußischen Staates repräsentieren. Der »aschfarbene kleine Herr mit dem wenigen Haar und der Goldbrille« (3/19), der seiner selbstbewussten schönen Frau sichtlich nicht gewachsen ist, ist »ein korrekter Mann und sehr ängstlich dazu« (16/127), hält auf Ordnung und Prinzipien, weshalb er auch, anders als Sophus Unverdorben, wünscht, dass der flüchtige Menz gefasst wird (vgl. 16/134). Beim Anblick einer durch Krummhübel ziehenden bunten Schaustellergruppe gerät er in unverhältnismäßige Erregung, weil er für den poesievollen »Zauber des Fremdartigen« keinen Sinn hat, sondern darin »nur eine Welt der Unordnung, der Unsitte, der Faulenzerei« wittert (16/132).

Sieben Jahre später, die Familie verbringt erneut die Ferien in Krummhübel, hat er ein spürbar forscheres Auftreten und verhält sich auch gegenüber seiner Frau deutlich selbstbewusster. Er ist inzwischen zum Geheimrat befördert worden, hat einen Orden bekommen und ist bei der Ordensverleihung vom Kronprinzen freundlich angesprochen worden – Erfolge, die sichtlich auch seine Frau überzeugt haben (vgl. 37/290 f.). Lehnert Menz‘ Schicksal, von dem er durch Marie erfährt, berührt ihn für einen Moment, bevor ihn die »Forderungen staatlich-gesellschaftlicher Sicherheit« wieder ganz erfüllen: »Was heißt quitt? Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen; das ist ›quitt‹. Der Staat, wenn ich mich so ausdrücken darf, ist in diesem Fall in seinem Recht leer ausgegangen, und die Justiz hat das Nachsehen. Und das soll nicht sein und darf nicht sein. Ordnung, Anstand, Manier. Ich bin ein Todfeind aller ungezügelten Leidenschaften.« (37/293 f.) Das letzte Wort im Roman aber hat nicht er, sondern seine Frau: »Ach, Espe, laß das« (37/294).

Espe, Geraldine

Urlaubsgast in Krummhübel, Ehefrau des Rechnungsrats Espe aus Berlin. Der Förster Opitz, der die Familie am Nachbartisch in Exners Wirtshaus »Schneekoppe« sitzen sieht, fragt sich beim Anblick der »trotz ihrer neununddreißig immer noch sehr schönen Dame«, wie sie wohl zu diesem »Hutzelmännchen« gekommen sein mag (3/19). Die Kellnerin Marie klärt ihn auf: Die Rätin ist eine Frau mit ›Vergangenheit‹, sie hat vor ihrer Ehe ein Verhältnis mit einem Adeligen gehabt, aus dem auch ihre Töchter Selma und Frida stammen (vgl. 3/20). Die Eheschließung mit Espe wird also in erster Linie der Wiederherstellung ihrer gesellschaftlichen Reputation und der Legitimation ihrer Töchter gegolten haben. Ihren Mann behandelt sie mit einer gewissen Herablassung, während sie mit Leutnant Kowalski, einem Urlaubsgast, der sich den Espes angeschlossen hat, kokettiert. Opitz vermutet, dass sie mit ihm eine Affäre hat (vgl. 3/19). Als Kowalski abreist, nimmt Assessor Unverdorben seine Stelle ein, auch wenn er ihr »den auf der hohen Tatra weilenden Kowalski nicht voll ersetzen konnte« (16/128). Sie nimmt den Assessor als potentiellen Heiratskandidaten für ihre ältere Tochter Selma ins Visier. Seine menschliche Sicht auf Lehnert Menz und seine Tat berühren sie. »Denn sie war eine Frau, die, wie die meisten, die sich einer Vergangenheit rühmen dürfen, ein gutes und starkes Herz und jedenfalls eine Verachtung gegen alle Tugend- und Offiziositätsphrasen hatte.« (16/135)

Sieben Jahre später hat sie, befördert durch den gesellschaftlichen Prestigegewinn ihres Mannes, zu der Einsicht gefunden, »daß das Eheliche, bei maßvollen Ansprüchen, eigentlich angenehmer und besser als das ›ewige Gehabe‹ sei, das, bei Lichte besehen, wenig Vergnügen und bloß viel Klatschereien einbringe« (37/290 f.). Als Espe seine mitleidlos staatstragenden Ansichten über Lehnert Menz‘ Schicksal zum Besten gibt, stehen ihr freilich für einen Moment wieder »Bilder anderer Tage« vor der Seele (37/294).

Exner junior

Wirt des Gasthauses »Zur Schneekoppe« in Krummhübel, ein Jahr jünger als Lehnert Menz, der »bei den Görlitzern gedient und den Schneid und Pli dieser erlesenen Truppe weggekriegt hatte«. Als »Reichster und deshalb erster im Dorf« steht er der Feuerwehr vor (6/49). Bei einer Feuerwehrübung lässt er die Mannschaft vor dem zufällig des Weges kommenden Siebenhaar antreten und das Gewehr präsentieren, sehr zur Freude des alten Pastors (vgl. 6/50).

Exner, Frau

Mutter des jungen Wirts der ›Schneekoppe‹ in Krummhübel. Pastor Siebenhaar, der sie vor vierzig Jahren eingesegnet und zehn Jahre später getraut hat, sucht »seine liebe, alte Freundin« (7/53) auf und bittet sie um Unterstützung bei der Suche nach einer Wohnung für einen notleidenden Amtsbruder.

Gunpowder-Face

Alter Arapaho-Häuptling in der Indianersiedlung Navaconsin in der Nähe von Nogat-Ehre, ein von den Mennoniten zum Christentum Bekehrter und Heilkundiger, der Lehnert Menz nach dessen Unfall in Fort Mac Culloch behandelt hat (vgl. 17/136). In Nogat-Ehre trifft Lehnert ihn wieder. Er ist mit L’Hermite befreundet, was Obadja Hornbostels damit erklärt, dass beide »Ordensbrüder« seien, deren »gemeinsames Gelübde [...] das Groteske« sei (28/231). Bei dem großen »Fest der Fußwaschung« im September schlägt er die Kesselpauken und das Tamtam und gibt dabei, »glühäugig und erregt« (24/200), das Bild eines »mexikanische[n] Oberpriester[s]« ab (24/198). Wenige Wochen später stirbt er an einer Verletzung, die ihm bei der Jagd ein Hirsch beigebracht hat. Nach Krähbiels Aussage bekennt er sich kurz vor seinem Tod erneut zur christlichen Lehre (vgl. 27/223 f.) und erhält ein christliches Begräbnis, sehr zum Missfallen der Männer seines Stammes, »die noch zu Manito hielten« (27/227) und die schon an der Ankunft Obadja Hornbostels zur Beerdigung erkennen, »daß ihnen der Todte, den ihre Zauberer in der Sterbestunde noch wieder zurückerobert zu haben glaubten, nun doch entrissen werden würde« (27/226). L’Hermite ist sicher, dass sie »nicht eher ruhen [werden], als bis sie dem Segen, den ihm Obadja mit ins Grab gegeben, ihr Paroli gebogen haben« (27/230).

Hornbostel, Obadja

Oberhaupt der Mennonitengemeinde in Nogat-Ehre, Vater von Tobias und Ruth Hornbostel, auf dessen Hof Lehnert Menz ein Unterkommen findet. Er ist 73 Jahre alt, stammt aus Westpreußen, wo er mit seiner ersten Frau und seinen beiden ältesten Söhnen in einem Mennonitendorf lebte, und wanderte vor fast vierzig Jahren (vgl. 25/211) mit seiner Familie, Maruschka und Totto (vgl. 24/191, 194) nach Amerika aus. Er lebte zunächst als Oberhaupt der Mennonitengemeinde Dirschau in Dakota. Nach einem »Streit mit dem Government«, zog er »wie Abraham und die ganze Kolonie mit ihm« nach Süden und gründete im Indian Territory (im heutigen Oklahoma) die Mennonitensiedlung Nogat-Ehre (17/143). Er ist dreifacher Witwer, die Kinder aus erster Ehe sind nach Preußen zurückgegangen, die der zweiten leben in Dakota. Tobias und Ruth, die Kinder aus dritter Ehe, leben bei ihm in Nogat-Ehre, ihre Mutter starb noch in Dirschau (vgl. 18/151).

Der »Hohepriester von Nogat-Ehre« (25/211), der nach L’Hermites Urteil etwas von einem Mormonen hat (vgl. 22/183), ist der unangefochtene Patriarch in Haus und Gemeinde, sieht auch, wie Kaulbars bemerkt, aus »wie Abraham oder wie Noah oder so einer von die Allerältesten« (25/206). »Er befiehlt nie« (17/144), man »sah kein Regieren«, ein »Geist der Ordnung und Liebe sorgte dafür, daß alles nach Art eines Uhrwerks ging« (21/166). Auch ist ihm »alles Erziehen, wenn es sich nicht von selbst machte, zuwider« (22/176). Der Alte weiß freilich auch, »wo Bartel Most holt« (25/207), und hat »nach Art vieler Frommen einen stark ausgebildeten Sinn für die Güter dieser Welt« (22/181). Er ist ein erfolgreicher, Neuerungen aufgeschlossener Farmer mit ausgeprägtem Geschäftssinn und hat ein offenbar nicht geringes Vermögen, das er auf verschiedene Banken in Amerika und Europa verteilt hat. »Er hat überall was liegen.« (25/207)

Lehnert Menz fühlt sich von dem Leben in seinem Haus an einen Schaukasten erinnert, den er in San Francisco gesehen hat und in dem einander feindliche Tiere friedlich miteinander lebten: »A happy family« (21/167). Die »happy family« von Nogat-Ehre verdankt sich nach Lehnerts Überzeugung ganz dem »Hausgeist«, Obadja selbst, »der das Friedensevangelium nicht bloß predigte, sondern in seiner Erscheinung und in seinem Tun auch verkörperte« (21/167). Das gilt auch für seinen Umgang mit seinem neuen Verwalter, dem er sogleich die Schuld ansieht, die auf seiner Seele lastet, und den er dennoch im Geist christlicher Vergebung und Liebe willkommen heißt (vgl. 19/158). Seine Toleranz und freiheitliche Gesinnung lassen sich an seiner Hausgemeinschaft ablesen, in der Andersgläubige wie Maruschka und Kaulbars oder der Atheist und Kommunarde L’Hermite einen Platz gefunden haben. Grundsätzlich überzeugt von der Republik, sieht er sie dennoch kritisch: »Denn die Freiheit, deren wir uns hier rühmen und freuen, ist ein zweischneidig Schwert, und die Despotie der Massen und das ewige Schwanken in dem, was gilt, erfüllen uns, so sehr ich die Freiheit liebe, mit einer Unruhe, die man da nicht kennt, wo stabile Gewalten zu Hause sind.« (19/156)

Bei Gelegenheit der gemeinsamen abendlichen Lektüre von Pestalozzis Roman »Lienhard und Gertrud« legt Fontane ihm ein kleines literaturkritisches Manifest in den Mund. Der Alte begrüßt den »republikanische[n] Geist« des Romans und fährt dann fort: »Und daß derselbe hier lebendig ist, hier in dieser herrlichen alten Schweizergeschichte, das ist ein Vorzug, dessen sich nur wenig deutsche Bücher rühmen dürfen. Ueber allen deutschen und namentlich über allen preußischen Büchern, auch wenn sie sich von aller Politik fern halten, weht ein königlich preußischer Geist, eine königlich preußische privilegierte Luft; etwas Mittelalterliches spukt auch in den besten und freiesten noch, und von der Gleichheit der Menschen oder auch nur von der Erziehung des Menschen zum Freiheitsideal statt zum Unterthan und Soldaten ist wenig die Rede. Darin ist die schweizerische Litteratur, weil sie die Republik hat, der deutschen überlegen, und alle Deutsche, die, wie wir, das Glück haben, Amerikaner zu sein, haben Grund, sich dieses republikanischen Zuges zu freuen.« (25/216)

Hornbostel, Ruth

Tochter von Obadja und Schwester von Tobias Hornbostel, ein knapp sechzehnjähriges Mädchen, »un ange«, wie L’Hermite sie nennt (18/149). Ihr unschuldiges, heiteres Wesen und glockenreiner Gesang bezaubern L’Hermite ebenso wie Lehnert Menz, der sie nicht ansehen kann, »ohne an die Lilien auf dem Felde zu denken« (21/170). Wie ein »Lichtstrahl« kommt sie ihm vor, und er ist überzeugt, dass sein Leben anders verlaufen wäre, wenn ihm »ein solches Licht geleuchtet hätte, ja, wenn er nur gewußt hätte, daß es Erscheinungen wie diese gäbe« (20/165). Ihr Gesang löst in ihm ein religiöses Erweckungserlebnis aus, in dessen Folge er der mennonitischen Glaubensgemeinde beitritt. Als sie von einer Schlange gebissen wird, rettet er ihr das Leben. Am Weihnachtsfest bittet er ihren Vater um ihre Hand. Obwohl er sich ihr selbst nie erklärt, spürt und erwidert sie seine Liebe und ist glücklich, als der Vater seine baldige Einwilligung andeutet (32/264). Wenig später erfüllt sich L’Hermites Voraussage, dass beide nicht zusammenkommen werden (vgl. 32/267): Lehnert verunglückt tödlich.

Hornbostel, Tobias (Toby)

Sohn von Obadja und Bruder von Ruth Hornbostel, achtzehn Jahre alt, ein junger Mann, an dessen Erscheinung und ungezwungenem Auftreten Lehnert Menz sogleich den »amerikanisch geschult[en]« Deutschen erkennt (17/141). Die Begegnung mit ihm im Zug nach Darlington bestimmt Menz, in die Farm Obadja Hornbostels einzutreten. Beide teilen die Jagdleidenschaft, der sie oft gemeinsam nachgehen. Bei der Suche nach dem bei einer Adlerjagd verirrten Freund kommt Lehnert Menz ums Leben.

Italiener

Ein Schausteller, der in Begleitung einer »phantastisch gekleidete[n] schwarze[n]« Frau mit zwei Tanzbären, zwei Affen und einem Karren mit Leierkasten durch das Riesengebirge zieht (16/131 f.). Am Wirtshaus »Schneekoppe« lässt der »Abruzzenmann« halten und einen der Bären seine Kunststücke vorführen. Das Bild einer »poetische[n], mit dem Zauber des Fremdartigen ausgestattete[n] Welt« (7/132) entzückt alle außer Rechnungsrat Espe (vgl. 7/133 f.).

Kaulbars, Martin

Verwalter von Obadja Hornbostels Anwesen, gebürtiger Preuße und Lutheraner aus Glien im Havelland, dessen preußisch-protestantische Tugenden Hornbostel einerseits lobt, andererseits deren Kehrseite – Eigensinn, Besserwisserei, starres Festhalten an Traditionen, »todter Gehorsam« – beklagt (vgl. 19/157 f.). Tatsächlich hat Kaulbars an dem Tun und Lassen seiner Umgebung, Obadjas eingeschlossen, regelmäßig etwas auszusetzen, lässt in seiner »selbstgefälligen Enge« (22/174) fremde Meinungen und Werte nicht gelten und liebt es, sich »auf den superioren Mann aus dem Glien hin auszuspielen« (28/241). Die Amerikaner hält er für verweichlicht und »verloddert«. Er verachtet ihre Kriege, ihr »Schlachtenschlagen« sei »bloß ‘ne Hasenjagd« (20/170), ihre Soldaten seien schlecht ausgerüstet, weil bei ihnen »alles Geschäft« und »Schwindel« sei, weil »sie nichts kennen als Geld und nichts wollen als Geld« (21/171). Unvergleichbar dagegen das preußische Militär: »das war was, das kommt vons ›Dienen‹ und Gehorchenkönnen und von der Strammheit und der Propreté, und wenn Sie die ganzen achtunddreißig ›States‹ umstülpen […], so was fällt nich ‘raus und kann auch nich ‘rausfallen, weil's nich drin is und weil alles Schwindel is ...« (21/173). Hornbostels Tochter Ruth nennt ihn »sauertöpfisch« (18/151), L’Hermite eine »Tête carrée«, einen Querkopf (22/183).

Kaulbars, Rosalie (Röse)

Mitglied von Obadja Hornbostels Hauswesen, Frau von Martin Kaulbars, »nüchtern« wie dieser (21/168) und von derselben »selbstgefälligen Enge« (22/174), aber eine gute Köchin und Pfefferkuchenbäckerin, die zunehmend Maruschkas Aufgaben versieht. Sie ist vornehmlich Stichwortgeberin und Publikum der sauertöpfischen Reden ihres Mannes.

Klose

Gerichtsmann in Krummhübel, ein »rüstige[r] Fünfziger« (14/107), der die Ermittlungen im Mordfall Opitz leitet. Er vergibt die Chance, Opitz noch lebend zu finden, indem er weder Lehnert Menz‘ Meldung von einem Hilferuf im Gebirge noch das dringliche Hilfeersuchen von Bärbel Opitz ernst nimmt und seine Skatpartie mit Neigenfink und Maywald nicht unterbrechen möchte (vgl. 13/106 und 108). Erst am nächsten Morgen lässt er die Suche aufnehmen, Opitz kann nur noch tot geborgen werden. Klose hat von Anfang an Menz in Verdacht (vgl. 15/117), aber erst der Fund des Kalenderpapiers, das Menz als Schusspfropfen benutzt hat (vgl. 15/119), und die Feststellung seiner Herkunft von dem im Menzschen Haus hängenden Kalender verschafft ihm ein belastbares Indiz. Als er ihn verhaften will, ist Menz schon spurlos verschwunden (vgl. 15/123).

Kowalski

Urlaubsgast in Krummhübel, ein Leutnant a. D., Angestellter einer Hagelversicherungsgesellschaft, der sich den Espes angeschlossen hat. Bei einer Meinungsverschiedenheit des Ehepaars über Kindererziehung spricht er sich dezidiert für »laisser aller« und für die Freiheit als »Lebensprincip« aus, was, so der Erzähler, »durchaus zu dem phrasenhaften Wesen« dieses Herrn passe, der »seine ganz auf Flunkerei, Cynismus und Prosa gestellte Natur hinter hochtönenden Redensarten« verberge (3/18). Förster Opitz, der ihn in Exners Wirtshaus mit den Espes am Tisch sitzen sieht, vermutet, dass der im Unterschied zu Espe »große stattliche Herr« ein Verhältnis mit Geraldine Espe hat (vgl. 3/19). Einige Zeit später reist er ab, um den Rest seines Urlaubs in der Hohen Tatra zu verbingen. Von dort schickt er Geraldine eine Ansichtskarte mit einem als dunkel-poetische Anspielung auf ihre Beziehung gedachten Heine-Zitat: »Ein Fichtenbaum steht einsam…« (16/128). Seine Rolle als Gesellschafter der Familie Espe übernimmt Assessor Unverdorben, der Geraldine freilich »den auf der hohen Tatra weilenden Kowalski nicht voll ersetzen konnte« (16/128).

Krähbiel

Einer der sechs mennonitischen Lehrer und Missionare, die beim »Fest der Fußwaschung« in Nogat-Ehre der Taufe der von ihnen bekehrten Indianer beiwohnen und von denen fünf »sämmtlich gute Deutsche waren, was nicht bloß ihre vierkantigen Köpfe, sondern beinah mehr noch ihre kerndeutschen Namen bezeugten: Bartels und Nickel, Krähbiel, Stauffer und Penner« (24/201). Der sechste ist ein Engländer namens Anthony Shelley. Krähbiel kommt einige Wochen nach dem Fest nach Nogat-Ehre, um Obadja Hornbostel über den Tod von Gunpowder-Face zu informieren und dessen Bestattung mit ihm zu regeln. Er leitet den Kinderchor, der am Grab des Häuptlings singt. Zum Weihnachtsfest kommt er mit den Indianerkindern seiner Missionsschule nach Nogat-Ehre (29/246). Er nimmt auch an dem Ausflug zum Fort O’Brien teil (vgl. 31/259). Zu Lehnert Menz' Beerdigung kommt er mit seinem Kinderchor.

L’Hermite, Camille

Mitglied von Obadja Hornbostels Hauswesen, ein »hagere[r] Mann von Mitte Fünfzig, mit Zwickelbart und Käppi« (20/162), mit dem Lehnert Menz sich nach anfänglicher Abneigung anfreundet und der ihm »mit jedem Tage teurer« wird (22/174). Er hat, wie Lehnert, »ungesühntes Blut« (20/163) an seinen Händen. Seine Tat war allerdings politisch motiviert: Als Führungsmitglied der Pariser Kommune (1871) ließ er einen Erzbischof füsilieren. Obwohl er weiterhin an seiner kommunistischen »Menschheitsbeglückungsidee« festhält und ihr alles zu opfern bereit ist (20/163), leidet er wie Lehnert an Schuldgefühlen (vgl. 20/163, 23/185 f.) und ist überzeugt, dass »Leute wie wir« – Lehnert und er – ihren Anspruch auf persönliches Glück verwirkt haben und vom Schicksal »zermalmt« werden, »wenn sie glücklicher sein wollen, als sie noch dürfen« (32/267). »In seinen Ideen ist er ein Fanatiker und thut das Aeußerste, sonst aber ist er wie ein Kind« und »der Friedliebendste von uns allen« (20/163).

L‘Hermite ist Franzose, aber stolz darauf, »die nationalen Vorurteile hinter sich« gelassen zu haben (20/162). Geboren in einem Bergwerksort im Département Creuse, hatte er schon als Kind in Bergwerken gearbeitet, ging mit 19 Jahren nach Paris und schloss sich dort den »Rothen« an, mit denen er an der »Junischlacht« teilnahm (22/179). Nach Verhaftung und Gefangenschaft wurde er Soldat, kämpfte im Krimkrieg (1853-56) und im Sardinischen Krieg bei Solferino (1859), nahm dann seinen Abschied, und »mit der Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft« war auch »sofort der ›Rothe‹ wieder da« (22/180). Nach dem Ende der Pariser Kommune wurde er verhaftet und nach Neu-Kaledonien deportiert, konnte fliehen und »kam bis hierher« (20/163).

Er hält Freundschaft mit Gunpowder-Face, eine Sympathie, die Obadja damit erklärt, dass beide »Ordensbrüder« seien, deren »gemeinsames Gelübde [...] das Groteske« sei (28/231). Sein Zimmer ist ein »unordentliches Durcheinander von Schlosserwerkstatt und chemischem Laboratorium, von physikalischem Cabinet und Mineraliensammlung« (22/175), denn er ist ein »Entdecker und Erfinder« (22/179). Für die Kommune baute er »Höllenmaschinen und Dynamitbomben«, aber auch »Pencils mit Mechanik, neue Tornisterschnallung, Apfelschälmaschinen und ähnliches« (22/180). Auch in Nogat-Ehre ist sein »Düftelgenie« (ebd.) gefragt, das neben allerlei technischen Vorrichtungen für den Haushalt an dem »Plan einer ›Exploitierung‹ der Ozark-Mountains auf Blei« arbeitet (22/181).

Auch deshalb schätzt der geschäftstüchtige Obadja Hornbostel seinen wunderlichen Hausgenossen, obwohl der weder seine Lebensprinzipien noch auch seine religiösen und politischen Anschauungen teilt, denn L‘Hermite raucht und trinkt viel, ist »schlechtweg Atheist« (21/167) und kennt »nichts Lächerlicheres als jene ›Halbheitszustände‹ […], die sich Republik nennen« (25/216). Auch wenn ihn die feierliche Stimmung des Weihnachtsfestes wider Willen anrührt, besteht er darauf, dass Erlösung nicht von Christus, sondern nur von der politischen Idee zu erhoffen ist: »Heiland, Erlöser. Bah! Le grand Sauveur c'est l' idée.« (29/251)

Bei der Datierung von L’Hermites Leben ist Fontane ein Fehler unterlaufen: Wenn er 1849 nach Paris gegangen ist (22/179), kann er nicht an der »Junischlacht«, d. h. an dem (auf die Februarrevolution 1848 folgenden) Juniaufstand, teilgenommen haben, denn der hat ein Jahr zuvor stattgefunden (22.-26. Juni 1848).

Lissi

Kellnerin in der Hampelbaude, eine hübsche Böhmin und »gute Freundin« Lehnert Menz‘ (12/95). Als er nach dem Schuss auf Opitz in der Hampelbaude einkehrt, fordert sie ihn zum Tanzen auf, doch er lehnt ab und erzürnt sie damit. Am nächsten Morgen serviert sie ihm das Frühstück und reagiert schnippisch auf seine Versuche, die Kränkung vom Vorabend vergessen zu machen.

Lösche

Ein Lehrer, der sich an der Suche nach Opitz beteiligt und ihn findet. Das »Grauen, auf das er sich gefaßt gemacht hatte, blieb aus, und er empfing nur den Eindruck eines erschütternden Todesernstes« (14/111).

Marie

Bedienung in Exners Wirtshaus »Zur Schneekoppe«, eine »schöne, schwarze Person, von der es hieß, daß sie Kunstreiterin gewesen« sei (3/16). Der Förster Opitz erkundigt sich bei ihr nach einem Urlaubsgast, Espe, der mit seiner Familie am Nachbartisch sitzt (vgl. 3/19 f.), und unterhält sich später mit dem Lehrer Wonneberger über das »Blitzmädel« (4/26), das »so was« habe, »was nicht jede hat« (4/27). Sieben Jahre später, »noch etwas korpulenter, aber, trotz aller Korpulenz, nur eleganter und hübscher geworden« (37/290), gibt Marie den Espes Auskunft über den Mordfall Opitz und Lehnert Menz' Schicksal und zeigt ihnen eine Abschrift von Obadja Hornbostels Brief aus Amerika: »Es ist alles sehr rührend und alle sind wieder für ihn und gegen Opitz und die alte Frau Böhmer hat sogar geweint.« (37/292)

Maruschka

Älteste »Dienerin und Freundin« Obadja Hornbostels, die ihren Dienst in der Hauswirtschaft und Küche altersbedingt nur noch eingeschränkt versieht (19/155). Sie ist Polin und Katholikin und fährt »alle Jahre zweimal zur Beichte nach Denver« (21/166). Ihren »eigentlichen Namen« kennt niemand. Sie wurde als Kind in Danzig elternlos aufgefunden und in ein Krankenhaus gebracht, in dem sie nach ihrer Genesung jahrelang gearbeitet hat, bevor sie von Obadja Hornbostel aufgenommen wurde und ein halbes Jahr später mit ihm und seiner Familie nach Amerika ging (vgl. 24/193). »Anhänglichkeit und Treue waren allezeit ihre Tugenden gewesen und in ihren jungen Jahren auch Fleiß und wirtschaftliches Geschick.« (24/194) Inzwischen ist sie 60 Jahre alt und nachlässig geworden. »Un peu de cochon«, urteilt L’Hermite (22/183), der ihr von seiner Reise nach Galveston Süßigkeiten mitbringt (vgl. 24/196). Ihre »Geistesarmut« wird »nur noch von der Unfähigkeit sich auszudrücken übertroffen«, aber Obadja ist nach dem Vermuten des Erzählers der Ansicht, »daß Maruschka zu den Auserwählten gehöre, die nicht um ihres Glaubens, wohl aber (wie Totto) um ihrer Einfalt willen selig werden« (24/194). Dass sie als Katholikin in Obadjas Haus lebt, stößt bei einigen Gemeindemitgliedern auf Kritik (vgl. 25/212).

Menz, Frau

Die alte Mutter von Lehnert Menz ist, wie ihr Sohn feststellt, »noch ganz aus der Kriechezeit«, unterwürfig und unaufrichtig, und kennt »nur zwei Gedanken: Angst und Vortheil« (1/7), die ihr jegliches Ehrgefühl genommen haben. Ihr Nachbar Opitz meint, ihr stecke »noch so was polnisches im Blut, kriecht und scherwenzelt immer hin und her, und kann keinem ins Gesicht sehen« (4/34). Auch ihm gegenüber verhält sie sich kriecherisch und übertrieben liebedienerisch, womit sie ihrem Sohn peinigende Momente bereitet. Über ihr Leben nach Lehnerts Flucht wird nicht berichtet.

Menz, Lehnert

Held der Geschichte, bei deren Beginn ein »schlanker, hübscher Mensch von siebenundzwanzig« (1/5). Durch Vermittlung seines Mentors, Pastor Siebenhaar, hat er eine gute Schulbildung in Jauer genossen, dann seinen Militärdienst absolviert und im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) bei den Görlitzer Jägern gedient. Nun lebt er mit seiner alten Mutter in Wolfshau bei Krummhübel im Riesengebirge, wo er die Werkstatt seines früh verstorbenen Vaters, eines Stellmachers und Schreiners, weiterführt (vgl. 2/8).

Er ist stolz und leicht reizbar, nach dem Urteil Siebenhaars »ein Trotzkopf, voll Selbstgerechtigkeit«, der glaubt, »alles am besten zu wissen« (2/11). Er hasst den Untertanengeist in Preußen, liest liberale Blätter und hat undeutliche Ideen von einer freiheitlichen Republik, die er in dem »glücklichen Amerika« verwirklicht glaubt (2/11). Ihm ist »alles so klein und eng hier, ein Polizeistaat, ein Land mit ein paar Herren und Grafen, so wie unserer da, und sonst mit lauter Knechten und Bedienten« (8/63). Das hindert ihn freilich nicht, seinerseits Standesdünkel zu hegen und etwa eine Heirat mit Christine auszuschließen: »Christine ist eine Magd, und eine Magd heirathe ich nicht« (8/62 f.). Er »hat einen Nagel«, stellen auch seine ehemaligen Kriegskameraden fest, es sei »schwer, Friede mit ihm halten«, weil er aufbrausend und immer »gleich aus dem Häuschen« sei; gleichwohl schätzen sie ihn, denn im Grunde sei er »ein guter Kerl und ein guter Kamerad und dabei grundehrlich« (3/24 f.).

Mit seinem Nachbarn, dem gräflichen Förster Opitz, verbindet ihn eine wechselseitige tiefe Feindschaft. Opitz hat ihn beim Militär »vom ersten Tag an« schikaniert (3/22), im Krieg seine verdiente Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz verhindert (vgl. 2/13 f.; 3/23 f.) und ihn nach dem Krieg zudem wegen Wilderei für zwei Monate ins Gefängnis gebracht. Pastor Siebenhaar verlangt von Menz, das alles zu vergessen (2/14), und versucht, auf beide versöhnlich einzuwirken. Unter seinem Einfluss kommt Lehnert auch zu der Einsicht, dass »er sein Recht geradeso heftig und eigensinnig vertrete wie Opitz das seine« und dass »Opitz' Recht […] das anerkannte, das gültige, das uralt bestätigte« Recht sei (7/59). Als der Streit aber erneut eskaliert, gewinnen Hass und verletztes Ehrgefühl wieder die Oberhand. Schließlich schießt er seinen Widersacher bei einer nächtlichen Begegnung im Gebirge nieder. Opitz verblutet qualvoll. Die Tat geschieht zwar in Notwehr, da Opitz zuerst auf ihn anlegt, ist aber doch halb und halb geplant. Auch wenn Menz nicht mit dem festen Vorsatz ins Gebirge geht, Opitz zu erschießen, sondern sich einredet, alles dem Zufall überlassen zu wollen, sucht er doch die Begegnung und bereitet die Tat vor, indem er sich mit einem falschen Bart unkenntlich macht. Als er tags darauf einen Schuss und einen Hilferuf des Sterbenden hört, ist er zutiefst erschüttert und macht dem Gerichtsmann Klose Meldung von dem Hilferuf, obwohl er sich damit in Gefahr bringt, als Täter entlarvt zu werden: »Nun denn, dann mag mir das Messer an die Kehle gehen. Ich kann ihn nicht verkommen lassen in seiner Noth und seinem Blut.« (13/105) Klose indes gibt nichts auf seine Meldung, Opitz wird erst am darauffolgenden Tag tot gefunden. Menz flieht, als der Verdacht auf ihn fällt, und schifft sich nach Amerika ein.

Dort nimmt der Erzähler ihn sechs Jahre später wieder in den Blick. Er ist in den »Indian-Territories« südlich von Kansas unterwegs von Fort Mac Culloch zum Fort Holmes. Ein Empfehlungsschreiben des Kommandanten von Fort Mac Culloch, wo er nach einem Eisenbahnunfall ärztlich versorgt und gesundgepflegt worden ist, unterrichtet über sein Leben in den zurückliegenden Jahren: Er hat als Goldgräber ein Vermögen gemacht und wieder verloren und ist nun auf dem Weg zum Mississippi, wo er als Schreiner oder Zimmermann arbeiten will. Eine Zufallsbegegnung mit Tobias Hornbostel, dessen Vater Obadja er schon sechs Jahre zuvor als Oberhaupt einer Mennonitengemeinde in Dakota kennengelernt und erwogen hatte, in dessen Farm einzutreten, verändert seine Pläne. Er nimmt die erneute Begegnung als Zeichen des Schicksals und bittet Hornbostel, der mit seiner Gemeinde inzwischen nach Nogat-Ehre (Oklahoma) umgesiedelt ist, um Aufnahme in  seine Farm. Er schließt Freundschaft mit dem ebenfalls auf dem Hof lebenden Camille L’Hermite, einem ehemaligen Pariser Kommunarden, der wie er einen (freilich politisch begründeten) Mord auf dem Gewissen hat. L’Hermite nennt ihn »Caïn le Sentimental« (22/183). Mit Ruth, der Tochter des Hauses, verbindet ihn eine lange Zeit uneingestandene Liebe. Ihr glockenreiner Gesang beim Gottesdienst zum »Fest der Fußwaschung« löst in ihm ein religiöses Erweckungserlebnis aus, er beichtet Obadja Hornbostel seine Tat, tritt der Glaubensgemeinschaft bei und hofft auf Erlösung von seiner Schuld (vgl. Kap. 24 f.). Bei der gemeinsamen Lektüre von Pestalozzis »Lienhard und Gertrud« identifiziert er sich mit seinem literarischen Namensvetter (vgl. 25/216). Am ersten Weihnachtstag hält er um Ruths Hand an, die Obadja Hornbostel ihm weder verwehrt noch umstandslos zuspricht, er soll nach seinem Willen um sie dienen wie Jakob um Rahel, allerdings denn doch keine sieben Jahre. Schon ein Jahr nach seinem Eintreffen in Nogat-Ehre, nachdem er Ruth nach einem Schlangenbiss das Leben gerettet hat (vgl. 31/262), rückt die Hochzeit in greifbare Nähe (vgl. 32/264 f.).

Lehnerts Glück bekommt einen Dämpfer durch L’Hermite, der ihm prophezeit, dass aus der Ehe mit Ruth nichts werden kann, weil »Leute wie wir« vom »Schicksal« bestraft werden, »wenn sie glücklicher sein wollen, als sie noch dürfen« (32/267). Er behält recht: Bei dem Versuch, den bei der Jagd vermissten Tobias zu retten, verunglückt Menz im Gebirge und stirbt ähnlich lang und qualvoll wie Opitz, dessen Hilferuf er noch einmal zu hören meint (vgl. 34/278). Und wie dieser hinterlässt er einen Zettel mit einer letzten Nachricht. Darauf steht, mit Blut geschrieben: »Vater unser, der Du bist im Himmel ... Und vergieb uns unsere Schuld ... Und Du, Sohn und Heiland, der Du für uns gestorben bist, tritt ein für mich und rette mich ... Und vergieb uns unsere Schuld ... Ich hoffe: quitt.« (35/283). Obadja Hornbostel lässt ihn in seiner Familiengruft begraben und schreibt einen Brief nach Wolfshau mit der Nachricht von seinem Tod (vgl. 36/287 f.).

Nickel

Einer der sechs mennonitischen Lehrer und Missionare, die beim »Fest der Fußwaschung« in Nogat-Ehre der Taufe der von ihnen bekehrten Indianer beiwohnen und von denen fünf »sämmtlich gute Deutsche waren, was nicht bloß ihre vierkantigen Köpfe, sondern beinah mehr noch ihre kerndeutschen Namen bezeugten: Bartels und Nickel, Krähbiel, Stauffer und Penner« (24/201). Der sechste ist ein Engländer namens Anthony Shelley. Zum Weihnachtsfest kommt er mit den Indianerkindern seiner Missionsschule nach Nogat-Ehre (29/246), ebenso zu Lehnert Menz' Beerdigung.

Opitz

Nachbar und Gegenspieler von Lehnert Menz, gräflicher Förster, »ein breitschultriger und kurzhalsiger Mann von Mitte dreißig«, in seiner ganzen Erscheinung »ein Bild von Selbstbewußtsein und Hochmuth« (1/6). Er ist ein engstirniger Mensch, hält sich viel auf seine Stellung zugute und verlangt von seiner Umgebung Ehrerbietung und Unterwerfung. Seine Frau Bärbel, mit der er grob und launenhaft umgeht, hat Angst vor ihm, und seine Jagdhündin Diana bekommt Fußtritte, wenn sie ihrem Herrn in die Quere kommt (vgl. 4/29). Die autoritäre Ordnung des preußischen Obrigkeitsstaates und seine gesellschaftlichen Hierarchien sind ganz nach seinem Geschmack: »Unterschiede sind Gottes Ordnungen« (4/33), so seine Überzeugung, und »Ordre parieren«, d.h. Gehorsam garantiert deren Bestand. Er hält peinlich genau auf Recht und Gesetz und lässt den armen Leuten der umliegenden Dörfer, wenn sie sich aus dem Wald Brennholz oder ein Stück Wild zu holen versuchen, nichts durchgehen. Lehnert Menz‘ Parteigänger und Kriegskameraden, »kleine Leute von Querseiffen und Wolfshau her« (3/21), nennen Opitz einen »Quäler und Schufter« (3/22), der »nach oben hin kriecht« und »nach unten hin tritt« (3/23), und wünschen ihm den Tod: »Dann wären wir ihn los und das arme Volk wär‘ ihn los, das in den Wald geht, und könnte sich ruhig sein bißchen Holz raffen.« (3/25).

Dass Lehnert Menz sich ihm gegenüber »auf den Ebenbürtigen und Ueberlegenen« ausspielt (4/35), ist Opitz ein beständig erneuerter Anlass zu unversöhnlichem Hass. Schon im Deutsch-Französischen Krieg, in dem er als Oberjäger diente, hat er Menz »chikaniert vom ersten Tag an« (3/22) und ihm die verdiente Auszeichnung, das Eiserne Kreuz, »gestohlen« (3/23). Nach dem Krieg hat er ihn wegen Wilderei für zwei Monate ins Gefängnis gebracht. Der um Vermittlung zwischen den Streithähnen bemühte Pastor Siebenhaar kann beider Feindseligkeit nur oberflächlich und für kurze Zeit besänftigen. Als der Streit erneut eskaliert, schießt Menz seinen Widersacher bei einer nächtlichen Begegnung im Wald nieder. Opitz verblutet qualvoll, ohne seinen Mörder erkannt zu haben. Bei den kleinen Leuten in der Umgebung von Wolfshau hält sich das Mitgefühl in Grenzen: »›Er hat einen schweren Tod gehabt.‹ ›Und wir vorher ein schweres Leben.‹« (14/113) Erst als die letzten Notizen des Sterbenden verlesen werden, in denen er seiner Frau Abbitte leistet und sie der Fürsorge des Grafen empfiehlt, regt sich Mitleid unter den Umstehenden (vgl. 14/115).

Lehnert Menz verfolgt seine Tat wie zuvor der Getötete. Sein Gewissen quält ihn, und noch Jahre später, als der Name Opitz fällt, wechselt er die Farbe, obwohl es dabei nicht um den Förster, sondern um den Dichter Martin Opitz geht, den Obadja Hornbostel bei seiner Aufzählung bedeutender schlesischer Männer erwähnt  (vgl. 29/250).

Opitz, Bärbel

Ehefrau des Försters Opitz, »eine hagere Frau mit tiefliegenden dunklen Augen, die ‘mal schön gewesen sein mochten, jetzt aber nur noch geängstigt in die Welt blickten« (4/29). Sie lebt in ständiger Furcht vor ihrem Mann, der sie schlecht behandelt. Ihrem Mädchen Christine klagt sie ihr Leid und rät ihr, nicht zu heiraten, die Männer seien alle gleich: »Sie quälen uns bloß, heute mit Eifersucht und morgen mit Liebe.« (4/30) Und wenn man alt sei, dann sei »man bloß noch dazu da, sich schimpfen und schelten zu lassen und Strümpfe zu stopfen und einen Knopf anzunähen« (4/31). Opitz‘ Tod erschüttert sie dennoch tief (vgl. 15/116).

Penner

Einer der sechs mennonitischen Lehrer und Missionare, die beim »Fest der Fußwaschung« in Nogat-Ehre der Taufe der von ihnen bekehrten Indianer beiwohnen und von denen fünf »sämmtlich gute Deutsche waren, was nicht bloß ihre vierkantigen Köpfe, sondern beinah mehr noch ihre kerndeutschen Namen bezeugten: Bartels und Nickel, Krähbiel, Stauffer und Penner« (24/201). Der sechste ist ein Engländer namens Anthony Shelley.

Schmidt

Einer der »kleine[n] Leute« und Freunde Lehnert Menz‘ (3/21), die in Exners ›Schneekoppe‹ den an einem Tisch im Garten sitzenden Opitz beobachten und sich über dessen unlauteres Verhalten gegen Lehnert während des Krieges unterhalten (vgl. 3/22-25).

Shelley, Anthony

Einer der sechs mennonitischen Lehrer und Missionare, die beim »Fest der Fußwaschung« in Nogat-Ehre der Taufe der von ihnen bekehrten Indianer beiwohnen, ein Engländer »mit einem feinen Windhundkopf« (24/201).

Shortarm

Junger Arapaho-Indianer, der Tobias Hornbostel zur Jagd auf den Steinadler begleitet und allein nach Nogat-Ehre zurückkehrt, um Hilfe bei der Suche nach dem verschwundenen Toby zu holen. Er ist ein Neffe von Gunpowder-Face. Seinen Namen verdankt er einem nach einem Bruch verkürzten Arm (vgl. 33/270).

Siebenhaar

Der alte Pastor in Arnsdorf, seit über vierzig Jahren im Amt, hat Lehnert Menz nach Kräften gefördert, ihm einen Freiplatz in der Schule in Jauer besorgt und seinen weiteren Werdegang aufmerksam verfolgt. Bei aller Wertschätzung des jungen Mannes bleibt ihm seine Gedankenwelt doch fremd: Sein Freiheitsbedürfnis hält er für Trotz, seine politischen Ideen für abwegig und die freiheitlichen Zeitungen, die Lehnert liest, für »dumme Blätter, in denen hochmüthige Schulmeister und verlogene Winkeladvokaten ihre Weisheit zu Markte bringen« (2/11). Er versucht, zwischen ihm und Opitz zu vermitteln und den »Geist christlicher Liebe« zu stiften (7/59), hat damit aber nur kurzfristigen Erfolg.

Stauffer

Einer der sechs mennonitischen Lehrer und Missionare, die beim »Fest der Fußwaschung« in Nogat-Ehre der Taufe der von ihnen bekehrten Indianer beiwohnen und von denen fünf »sämmtlich gute Deutsche waren, was nicht bloß ihre vierkantigen Köpfe, sondern beinah mehr noch ihre kerndeutschen Namen bezeugten: Bartels und Nickel, Krähbiel, Stauffer und Penner« (24/201). Der sechste ist ein Engländer namens Anthony Shelley.

Totto

Mitglied von Obadja Hornbostels Hauswesen, ein alter, über siebzigjähriger »litthauischer Knecht«, der wie Maruschka schon in Westpreußen in Obadja Hornbostels Diensten gestanden hat und mit ihm nach Amerika übergesiedelt ist (24/191). Dort hat er seinem Herrn etwa zwanzig Jahre lang »in Eifer und Treue« gedient, bevor er, von anderen überredet, nach New Orleans verschwand, wo er als »Cabkutscher« viel Geld verdiente und wieder verlor. Nach fünf Jahren kehrte er zurück, wurde ohne viele Worte wieder aufgenommen und »mit einer Art Oberaufsicht über das gesammte Pferdewesen betraut […], auf das er sich, als Litthauer, gut verstand«. Nun genießt er »schon seit etlichen Jahren eine Art Gnadenbrot« und sitzt den ganzen Tag in der Sonne, weil er beständig friert (24/191 f.). Auch er teilt den Glauben seines Herrn nicht. Er »glaubte, wenn überhaupt an was, höchstens an das schwarze und weiße Pferd seiner litthauischen Urahnen« (21/166 f.). Jeden Sonntag zieht er »seinen aus seiner großen Zeit in Neu-Orleans mitgebrachten Staat an: einen blauen Frack mit kurzen Schößen und hechtgraue Hosen, dazu Cylinder und Vatermörder, ganz spitz, deren Plättung er überwachte. Alle liebten ihn und ließen ihn gewähren, weil er einfältigen Herzens war.« (24/192) Als Lehnert Menz vor dem Altar aufgebahrt wird, »schlug Totto die Decke zurück und knieete nieder und sagte, während er des Todten Hand streichelte: ›poor man ... dead ... quite dead‹. Und dann sang er vor sich hin, was keiner verstand.« (36/284)

Touristen

Bei seinem Imbiss in Exners »Schneekoppe« beobachtet Pastor Siebenhaar eine kleine Gruppe sächsischer »Touristen von eleganter und beinah weltmännischer Haltung« (6/50 f.) und verfolgt amüsiert die »Fehde« (7/53) zwischen zwei Männern der Gruppe, die sich, der eine die Wanderkarte, der andere das Kursbuch studierend, nicht über den weiteren Verlauf ihrer Wanderung einigen können, während die Frauen »die ›ewige Rennerei‹ schon längst satt hatten« (6/52).

Uncas

Ein »wundervoller, schwarz und weiß gefleckter Neufundländer« (20/159) auf Hornbostels Farm, der Ruth als seine Herrin betrachtet, die überzeugt ist: »Der schützt mich besser als ihr alle zusammengenommen« (28/239). Mit Lehnert Menz schließt er schnell Freundschaft, »das bedeutet was« (20/160). Er begleitet ihn bei seiner Suche nach dem vermissten Toby, weigert sich, den tödlich Verletzten allein zu lassen (vgl. 34/277 f.) und läuft erst am Morgen zur Farm zurück, um Hilfe zu holen (vgl. 35/279).

Unverdorben, Dr. Sophus

Urlaubsgast in Krummhübel, »Kammergerichtsassessor und Lieutenant der Reserve« aus Berlin (16/125), der bald nach Kowalskis Abreise dessen Rolle als Gesellschafter der Familie Espe übernimmt. Anders als Kowalski ist er ein »feiner, kluger Herr«, dafür freilich nicht so gut aussehend wie jener, denn er ist ein »Kakerlak«, ein Albino, ein Handicap, dem er mit dessen »Uebertrumpfung« begegnet, indem er sich stets vollständig in Weiß kleidet und so »das, was ihn ridikülisiren sollte«, als »Schemel seiner Macht« nutzt (16/124). Dies und ein offenbar ansehnliches Vermögen verschaffen ihm gesellschaftlichen Respekt. Rechnungsrat Espe ist von ihm »einfach entzückt« (16/128), woran auch das »kleine Rencontre« nichts ändert, das sich an einer kritischen Äußerung Unverdorbens über Blücher entzündet (vgl. 16/129 f.). Espes Frau Geraldine kann er zwar »den auf der hohen Tatra weilenden Kowalski nicht voll ersetzen« (16/128), dennoch ist sie von seiner weißen Wäsche und seiner Distinguiertheit beeindruckt und zieht ihn als möglichen Heiratskandidaten ihrer älteren Tochter Selma in Betracht. Für den Fall Lehnert Menz‘, über den er sich eingehend erkundigt, findet er kluge, menschliche Worte, die denen Espes genau entgegengesetzt sind, und wünscht ihm, dass ihm die Flucht gelingen möge (vgl. 16/134 f.).

Wonneberger

Ein Lehrer aus Baberhäuser »hoch oben im Gebirge« (3/20). Zusammen mit dem Förster von der Annakapelle und dem Grenzaufseher Kraatz leistet er Opitz in Exners Wirtshaus Gesellschaft und begleitet ihn später ein Stück weit auf dem Heimweg, auf dem Opitz über Geraldine Espe schwadroniert und ihm rät, seinen offenbar regen Umgang mit Lehnert Menz einzuschränken. Wonneberger gefällt beides nicht. Er möchte Menz verteidigen, »weil er eigentlich eine Liebe für Lehnert hatte«, aber Opitz lässt ihn nicht zu Wort kommen (4/28).

© Anke-Marie Lohmeier 2015 – Alle Rechte vorbehalten.