Christian Fürchtegott Gellert: »Leben der schwedischen Gräfin von G*« (1747)
Amalia (Amalie)
Amalia, die Gattin des sibirischen Gouverneurs, sorgt dafür, dass der schwedische Graf aus der russischen Gefangenschaft freikommt, und schenkt ihm kostbare Juwelen. Nach dem Tod ihres Gatten lernt sie den in Sibirien zurückgebliebenen Freund des Grafen, Steeley, kennen und lieben. Sie reist mit ihm nach Holland, wo sie den Grafen wiedersehen.
In einer langen Erzählung macht sie die Freunde mit ihrer und Steeleys Liebesgeschichte vertraut. Nach dem plötzlichen Tod des Gouverneurs war sie frei, sich um die Bedrückten zu kümmern, ein edler Jude bringt Steeley zu ihr, und sie verliebt sich alsbald in ihn. Der Bericht über sein Schicksal rührt sie, er gefällt ihr im sibirischen Pelz, und sie möchte auch schön aussehen – so beobachtet sie die überraschenden Bewegungen ihres Herzens (123). Vier Wochen lang kommt er täglich zum Essen, sie spielen Schach miteinander, aber beide können nicht glauben, dass die/der andere sie liebt. »Ich konnte mich in das Geheimnis unsrer Herzen nicht finden« (132). Als er dann nach Moskau zurückreisen soll, kommt es zum Bekenntnis, und sie fahren glücklich fünf Wochen lang über Land bis dorthin. Erfreulicherweise hatte ihr Gemahl ihr Gold und Juwelen im Wert von 100.000 Rubel (50.000 Talern) hinterlassen. So kommen sie nach Den Haag. Ihre Trauung wird dann privat von einem Geistlichen vollzogen (137).
Als Steeleys Vater sich eingefunden hat, reist der ganze Haushalt nach London, wobei allerdings die Schatulle mit Amalias Kleinodien ins Meer fällt – ein Gelassenheitstest. Der alte Steeley, ein Kaufmann, hält aber ohnehin mehr von selbst erworbenem Vermögen und vererbt das seine dem Sohn, als er bald darauf stirbt (146).
Andreas
In Amsterdam lebender Bruder von Caroline, die ihm ihre Tochter Mariane (vom schwedischen Grafen) anvertraut hatte.
Die Nachricht, das Kind sei gestorben, war falsch. Andreas hatte Bankrott gemacht und das Kind in ein katholisches Kloster gegeben. Als er nach Marianes Heirat mit Carlson aus Ostindien zurückkehrt, wird klar, dass beide Bruder und Schwester sind. Nach Carlsons Tod bei der Armee stirbt bald auch Mariane. Die Gräfin und Herr R** verlassen Amsterdam und ziehen nach Den Haag zu Andreas, der nun wieder wohlhabend ist (60). Nach der Rückkehr des Grafen aus zehnjähriger russischer Gefangenschaft lebt die Gräfin wieder mit ihrem ersten Gemahl und mit Herrn R** als Hausfreund. Auch Caroline, Andreas’ Schwester, ist bei ihnen.
Dass Andreas ein etwas derber, stürmischer Mann ist, zeigt sich, als er die Zusammenführung des wiedergekehrten Steeley samt der russischen Gouverneurswitwe Amalia mit dem Grafen und seiner Familie arrangiert (119).
Carlson
Der Sohn Carolines und des schwedischen Grafen reist als 13-Jähriger mit der schwedischen Gräfin und Herrn R** nach Amsterdam, wo er von den beiden erzogen werden soll. Nach vier Jahren wird er Soldat, nach weiteren vier Jahren – die Gräfin und Herr R** sind inzwischen verehelicht – schreibt er ihnen, er sei Leutnant geworden und habe ein junges Mädchen namens Mariane geheiratet, die seinetwegen aus einem Kloster geflohen sei. Herr R** und die Gräfin besuchen das glückliche junge Paar und bleiben ein Jahr. Auch Caroline, Carlsons Mutter, trifft aus Livland ein.
Als sich durch die Rückkehr von Carolines Bruder Andreas aufklärt, dass Carlson und Mariane Geschwister sind, geht Carlson wieder zur Armee. Bald trifft die Todesnachricht ein, auch ein Abschiedsbrief (52), in dem er seinen Tod für die beste Lösung der Verwirrung hält.
Caroline
Die bürgerliche Geliebte des schwedischen Grafen vor dessen Ehe mit der Gräfin. Sie hat zwei Kinder von ihm, Mariane und Carlson. Der Graf hatte sie heiraten wollen, aber der Hof hatte ihnen die Heiratserlaubnis verwehrt. Als die Gräfin Caroline kennenlernt, gibt er ihr deren Abschiedsbrief zu lesen, in dem sie großmütig auf ihn verzichtete. Die junge Gräfin ist beeindruckt. Caroline wird nach Livland geschickt und angemessen materiell versorgt.
Die beiden Frauen sehen sich Jahre später wieder, als die Gräfin mit Herrn R** aus Schweden flieht, weil sie nach dem (vermeintlichen) Tod des Grafen von dem Prinzen von S** verfolgt wird. Sie sucht Caroline in Livland auf und stellt dabei fest, dass Caroline eine gebildete Leserin ist und viele fremdsprachige Bücher besitzt. Caroline gibt ihr ihren inzwischen fast 13-jährigen Sohn Carlson mit nach Amsterdam und will bald nachfolgen, weil sie einen Bruder in Amsterdam habe, in dessen Obhut sie einst ihre Tochter Mariane gegeben habe, die aber gestorben sei (30), was sich später als Fehlinformation herausstellt.
Es dauert Jahre, bis Caroline nach Holland kommt, inzwischen hat ihr Sohn Carlson Mariane geheiratet, ohne zu ahnen, dass sie seine Schwester ist. Sie haben eine Tochter.
Erst als Carolines verschollener Bruder Andreas aus Ostindien zurückkehrt, klärt sich alles auf: Er erkennt in Mariane die ihm anvertraute Tochter seiner Schwester. In der Folge geht Carlson zur Armee und sein Tod wird gemeldet, Mariane heiratet seinen Freund Dormund, erfährt, dass dieser Carlson umgebracht hat, und stirbt ebenfalls.
Caroline trägt all dies mit Fassung, sie akzeptiert das Verhängnis und findet Beistand »vermutlich« in der Religion (58) – sie »verherrlicht ihr Unglück durch Standhaftigkeit«, heißt es in barocker Wendung (59). In der Folge lebt sie mit der Gräfin und Herrn R**. Herr R** schreibt ein Buch über das Thema.
Dormund
Ein Freund und Regimentskamerad von Carlson, der nach dessen Tod Mariane heiratet. Als er selbst todkrank ist, gesteht er, dass er Carlson vergiftet hat, um Mariane für sich zu gewinnen. Er schreibt einen Abschiedsbrief an Herrn R** . Allerdings überlebt er und verschwindet plötzlich. Auch ihm wird ein gewisses Maß an Mitleid zuteil, denn »O Gott, wozu kann einen nicht die Liebe verleiten?« (57)
Florentine
Kind der Amsterdamer Wirtsleute der Gräfin – Verwandten von Herrn R**. Es wächst unter Männern auf, was die Gräfin sachlich gut findet, aber durch eine mehr weibliche (»manierliche«) Bildung ergänzt (60). Nach dem Tod der Eltern, in deren Geschäft die Gräfin und Herr R** ihr Kapital angelegt hatten, nehmen sie das nun 15-jährige Mädchen mit nach Den Haag.
Gräfin von G***, Die schwedische
Die Gräfin von G*** (einen anderen Namen hat sie nicht) erzählt ihr Leben in Ich-Form für Leser und Leserinnen. Ihre Eltern starben früh, der Vater war ein rechtschaffener und nicht wohlhabender livländischer Adliger (Livland war seit 1721 russische Ostseeprovinz mit der Hauptstadt Riga). Als kleines Mädchen wurde die Waise von einem Verwandten aufgenommen, einem Landadligen in Livland, der ein Ritter war, aber ein studierter.
Nach seinem Konzept wurde sie die »Vormittage […] als ein und Nachmittage als eine erzogen« (5). »Als Mann« bedeutete, dass sie z.B. Sprachen lernen (Französisch, Latein, Italienisch, S. 18), aber nicht »gelehrt« – d.h. einseitig – werden sollte. Nach der anderen Seite war allerdings die Abgrenzung gegen das galante Weiblichkeitsideal noch aktueller, zumal das Mädchen schön ist. Dieses Ideal wird von der Muhme, der Frau des »Vetters« (d. h. Onkels) vertreten, die das Kind zu eitler Galanterie erziehen möchte (daneben auch zu Wirtschaftskenntnissen). »Aber zu meinem Glücke starb meine Frau Base, ehe ich noch das zehnte Jahr erreicht hatte« (6). Nun kann der Onkel nach seiner Einsicht das Mädchen zu Vernunft und Tugend bilden, auch Fragen und Zweifel sind ihr erlaubt. Die Religion gilt als schätzenswerte Begleiterin im Leben. Die ohnehin guten Neigungen des Mädchens machen ihm die Erziehung leicht.
Das Ziel dieser Erziehung ist, sie »klug, gesittet und geschickt« zu machen, denn da sie arm ist, wird nur ein vernünftiger Mann sie heiraten, der solche Eigenschaften zu schätzen weiß (5). So kommt es dann auch.
Ein schwedischer Graf von G*** lernt sie kennen, nach einem Jahr wirbt er um sie in einem Liebesbrief, der ohne die zeitgemäßen Floskeln auskommt. Er liebe sie, aber nur wenn sie frei einwillige, wolle er sie heiraten. Das tut sie. Sie ist 16, und es ist ihre erste Liebe (10). Da er abwesend ist, füllt ihre Liebesphantasie das Vakuum. Eine »zärtliche Braut ist in der Tat eine Kreatur aus einer andern Welt, die man nicht ohne Erstaunen betrachten kann« (10).
Sie reist dann mit ihrem Onkel zu dem Grafen, den sie seit einem Jahr nicht gesehen hat, und liebt ihn, weil er sie liebt. Er ist ein schöner Mann (13). »Unser Beilager wurde […] sehr still, aber gewiss sehr vergnügt vollzogen« (11) und zwar nach 9 Tagen. Die Trauung findet im Hause (Schloss) statt, es gibt keine große Feier, man besucht stattdessen einen guten Freund des Grafen, Herrn R** (11).
Bald muß der Graf als Obrist wieder zu seinem Regiment, sein Vater fährt unterdessen mit seiner Schwiegertochter zu seinen anderen Gütern. Dort trifft sie eine sympathische junge Frau, Caroline, angeblich eine Witwe, mit ihrem kleinen Sohn: ein Ebenbild des Grafen. Der alte Graf erklärt ihr, dass Caroline, eine Bürgerliche, die Geliebte seines Sohnes war. Nach seiner Rückkehr erklärt ihr Gemahl ihr, dass er Caroline heiraten wollte, aber der Hof die Erlaubnis verweigerte. Er zeigt ihr den großmütigen Brief, in dem Caroline auf ihn verzichtete (17). Die Gräfin ist frei von Haß oder Eifersucht, sie bewahrt den erlernten Gleichmut und vermeidet heftige Gefühle (15). Sie hat sogar Mitleid mit der jungen Frau, die den Grafen nicht heiraten durfte. Dennoch wird Caroline mit ihrem Kind nun »entfernt«, um keinen Anstoß zu erregen, nicht ohne eine großzügige Entschädigung (15 f.).
Es folgen Jahre glücklicher Ehe, dann wird der Graf an den Hof befohlen und von dort bald wieder abberufen. Sie bleibt allein am Hof zurück und muß sich der Galanterien der Höflinge erwehren (22). Ein Prinz von S** ist dadurch beleidigt, und in der Folge wird dem Paar der Hof verboten. Sie leben ruhig auf dem Land, bis der Graf in den Krieg ziehen muß und alsbald für tot erklärt wird. Der beleidigte Prinz lässt dessen Güter einziehen, die Gräfin flieht rechtzeitig mit dem treuen Freund R** und nimmt nur eine Schatulle mit Schmuck und 1000 Dukaten mit. Sie reisen zunächst nach Livland (auf welchem Wege, wird nicht berichtet), um sich dann nach Amsterdam zu begeben. Sie treffen mit Caroline und ihrem Sohn zusammen, den sie auf ihren Wunsch mit nach Holland nehmen.
In Amsterdam suchen sie eine Verwandte von Herrn R** auf, und das Unglück der Gräfin macht sie den Menschen liebenswert (31). Sie lässt ihre Juwelen für 12.000 Taler verkaufen und legt sie im Geschäft von R**s Muhme an; dafür gewinnt sie ihren Unterhalt. Inzwischen kümmert sie sich um die Bildung eines kleinen Mädchens, Florentine.
Nach einigen Jahren denkt die Gräfin wieder an Heirat, sie weist mehrere Bewerber ab, um zu entdecken, dass sie R** liebt und er sie. Er wird ihr Mann, ohne dass von einer Heiratszeremonie die Rede ist. Zur Natur des Menschen gehören Seele und Körper (38), und man soll auch genießen und glücklich sein, hat sie erkannt (35). Standesunterschiede spielen dabei keine Rolle. Sie nennt Herrn R** ihren Mann, den Grafen ihren Gemahl, das ist alles. Nach einiger Zeit bekommt sie eine Tochter.
Ihr gut angelegtes Kapital wächst, sie und ihr Mann verschenken viel Geld (59). Sie ziehen nach Den Haag zu Carolines Bruder Andreas, mit drei Mädchen: der eigenen Tochter, der Tochter von Mariane und mit Florentine.
Als Andreas Waren aus Russland erwartet, fahren die Gräfin und ihr Mann dem Schiff entgegen, und dort findet sie den Grafen wieder, den sie seit zehn Jahren für tot hielten. Verwirrung. Umarmungen. Sie läuft »ohne meine beiden Männer« davon (62), »von zween Affekten zugleich bestürmt« (63). Das Erscheinen ihrer fünfjährigen Tochter klärt den Grafen auf. Die Gräfin liebt beide – was soll sie tun? In ruhigerer Verfassung beschließt man, dass der Graf wieder Ehemann sein, Herr R** aber als Freund bei ihnen bleiben soll. Es gibt keine Schuld, nur »Schicksal«. Auch Caroline bleibt im Hause. Die Gräfin muß – als »kleine Strafe« – in Anwesenheit von Herrn R** dem Grafen ihre Liebesgeschichte mit R** erzählen (108).
Nachdem auch Steeley, ein Freund des Grafen, aus Sibirien zurückgekehrt ist, reisen alle nach London zu Steeleys Vater. Sie verbringen einige Zeit auf einem Landgut, werden von einem Nachbarn, Staatssekretär Robert, eingeladen, und dort erscheint jener Prinz von S***, der der Gräfin nachgestellt hatte und der für die Verbannung des Grafen verantwortlich war. Der Schrecken macht den Grafen krank, er stirbt (152). Zuvor will er seine Gemahlin dem Freund R** zurückgeben, aber sie lässt sich nicht darauf ein (152 f.). Auch die Werbung des Prinzen S*** weist sie entsetzt zurück.
Graf von G***, Der schwedische
Er ist gebildet, tolerant, schön und begütert. Seine 16jährige spätere Gemahlin verliebt sich sehr rasch in ihn, als er um sie wirbt. Die Trauung findet dann in seinem Herrenhaus statt, Zeremonien gibt es nicht, man besucht abends nur einen Freund, Herrn R**.
Zuvor hatte er ein Liebesverhältnis mit Caroline, einer Bürgerlichen, die zwei Kinder von ihm hat. Er hatte sie heiraten wollen, aber der Hof hatte ihm die Heiratserlaubnis verweigert. Daraufhin hatte Caroline großmütig auf ihn verzichtet (17). Als seine Gemahlin auf einem der Güter auf Caroline stößt, erklärt er ihr die Zusammenhänge. Obwohl die Gräfin sogar Mitleid mit Caroline hat, wird die junge Frau mit ihrem Kind »entfernt«, um keinen Anstoß zu erregen, nicht ohne eine großzügige Entschädigung (15 f.).
Die Ehe ist glücklich, der Graf ist ein guter Hausherr, bildet seine junge Frau auch weiter, ebenso tut das sein alter Vater. Dessen Sterben ist »lehrreich« (19) – er ruft alle Bediensteten und Untertanen zu sich und erklärt, dass er und sie im nächsten Leben gleich sein werden.
Das junge Paar lebt gern in Ruhe auf dem Land, besonders nachdem sein befohlenes Erscheinen bei Hofe unerwünschte Annäherungen des Prinzen von S** an die Gräfin zur Folge hatte. Beide genießen die Gesellschaft seines Freundes, Herrn R**.
Der Graf muß an einem Feldzug gegen Polen teilnehmen und soll dann wegen eines militärischen Misserfolgs exekutiert werden – die Rache des abgewiesenen Prinzen. Er schreibt einen Abschiedsbrief an seine Frau, stirbt dann aber an seinen Verwundungen (26). So scheint es wenigstens. Aber nach zehn Jahren, als seine Gemahlin längst mit seinem Freund R** verheiratet ist, kommt er plötzlich mit einem russischen Schiff in Amsterdam an. Was tun? Verwirrung erfasst alle drei. Der Graf sieht ein Verhängnis am Werk – oder die Strafe für seine Liebe zu Caroline. Aber dann kommen sie überein, die erste Ehe wiederherzustellen, R** bleibt Freund der Familie, und auch Caroline bleibt (64).
Im zweiten Teil erfahren wir, was dem Grafen in den vergangenen zehn Jahren zugestoßen ist. Er war in Russland gefangen, davon 5 Jahre in Sibirien. Von seinen Geschicken berichtete er seiner Gemahlin in drei Briefen, von denen zwei – allerdings erst nach seiner Rückkehr – eintrafen, da er nicht wusste, wohin sie geflohen war. Diese langen Briefe werden nun wiedergegeben (68-94). Der zweite Brief (79 ff.) sollte durch einen polnischen Juden überbracht werden, der sich als hilfreicher Mensch erwies.
Wie verhält man sich im Elend? Zunächst steht die Sehnsucht nach Gattin und Heimat im Vordergrund. Die erwünschte Gelassenheit ist gefährdet (74), auch bei Steeley, einem englischen Freund, mit dem der Graf das Elend teilt. Steeley kann ihre äußeren Umstände durch etwas Geld verbessern. Auch unter den schwedischen Gefangenen gibt es rührenden Altruismus. Aber der Graf und Steeley machen sich einen Popen in Moskau zum Feind, Steeley und dessen Vetter Sidne werden gefoltert, der Vetter stirbt daran. Die beiden werden nun nach Sibirien verbannt, wo sie im Wald Zobel fangen müssen; sie werden getrennt und hoffen nur noch auf den Tod. Doch der Jude vermittelt Bauzeichnungen des Grafen an den Gouverneur. Der Graf hat eine Unterredung mit dessen Gattin Amalia, die aus Kurland stammt. Sein Vater war Gesandter in Moskau. Ihr Mitleid kontrastiert mit der Barbarei der Russen, deren gelegentliche Freundlichkeit nur gegen Bezahlung zu haben ist – bei Gefängniswärtern wie beim Gouverneur. Heimlich schenkt Amalia dem Grafen wertvolle Juwelen.
Seine Geschichte in den nächsten eineinhalb Jahren gibt dann die Gräfin als Erzählung wieder. Der Graf wurde mit Steeley wieder vereinigt, die Freude überwältigte beide. Steeley war es noch schlimmer ergangen, ein Mitgefangener hatte ihn gequält. Aber ein kosakisches Mädchen hatte sein Leben als Zobelfänger leichter gemacht. – Die Gouverneursgattin Amalia sorgte im Stillen für die Freilassung des Grafen, bevor die Reizbarkeit des Gouverneurs gefährlich wurde. Steeley mußte bleiben – heftige Empfindungen beider. Der Graf kann mit genügend Geld – durch den Verkauf der Juwelen – auf die Rückreise gehen, die ihn zufällig nach Holland führt (106 f.).
Die Gräfin setzt die Erzählung fort (107-153), unterbrochen durch eine lange Erzählung Amalias. In Den Haag lebt das Paar nun wieder glücklich zusammen. Als kleine Strafe für ihre unschuldige Untreue veranlasst er sie, die Geschichte ihrer Ehe mit R** in dessen und Carolines Gegenwart zu erzählen (108).
Sie lesen viel und üben Wohltätigkeit. Nach einem halben Jahr ist der ehrliche alte Jude zu Gast bei ihnen, der dem Grafen so unschätzbare Dienste geleistet hat. Auch zu Steeleys Rückkehr hat er geholfen, nachdem der Gouverneur gestorben war. Steeley trifft mit Amalia ein, und nach beider Trauung reist der ganze Haushalt nach London zu Steeleys Vater. Sie verbringen einige Zeit auf einem Landgut, werden von einem Nachbarn, Staatssekretär Robert, eingeladen, und dort erscheint jener Prinz von S***, der der Gräfin nachgestellt hatte und der für die Verbannung des Grafen verantwortlich war. Der Schrecken macht den Grafen krank, er stirbt (152). Dann wirbt der Prinz um die Gräfin, natürlich vergebens.
Herr R**
Ein bürgerlicher Freund des schwedischen Grafen, den das Hochzeitspaar nach der Trauung besucht und der ihnen später während ihrer Ehe öfter Gesellschaft leistet. Er ist noch jung, sehr belesen und ein Verfechter der Tugend, des unhöfischen Verhaltens unter wohlmeinenden Menschen (23). Seinen Bedienten hält er zum Lesen an, denn Dienen allein sei kein Lebenszweck (24). Dafür schenkt ihm der Diener vor seinem Tod 400 Dukaten, die er im Dienst gespart hat (30).
Als die Nachricht vom (vermeintlichen) Tod des Grafen im Krieg eintrifft und der rachsüchtige Prinz von S*** dessen Güter einziehen lässt, begleitet R** die schwedische Gräfin auf ihrer Flucht nach Amsterdam. Er hat dort Verwandte, in deren Geschäft er und die Gräfin Geld anlegen. R** widmet sich der Bildung von Carolines Sohn Carlson, den sie auf Wunsch der Mutter mitgenommen haben. Er und die Gräfin werden, aus Rücksicht auf Natur und Vernunft, ein Paar. (Ehen sind in diesem Buch freie Vereinbarungen, mit oder ohne geistlichen Segen.)
Im folgenden nimmt R** als ruhiger Freund teil an den Schicksalsschlägen, die die Familie von Caroline betreffen. Nach dem Tod von Carolines inzestuösen Kindern schreibt er ein Buch »Der standhafte Weise im Unglück« (59).
R** bekommt bald Gelegenheit, sich als solcher zu erweisen, denn nach zehnjähriger Abwesenheit kommt der totgeglaubte Graf plötzlich zurück. Nun hat die Gräfin zwei Ehemänner. Zunächst will der brave R** sie verlassen, aber er soll als Freund bei ihnen bleiben und tut es bis zuletzt.
Jude, Ein
Ein edler polnischer Jude erweist sich dem gefangenen Grafen in Sibirien als außerordentlich hilfreich, nachdem dieser ihn einmal vor dem Erfrieren gerettet hatte (79). Er stellt Verbindungen her, tauscht Geld ein, verschafft dem zurückbleibenden Steeley Erleichterungen. Er wird als »der ehrliche Jude« bezeichnet, als er nach der Rückkehr des Grafen nach Den Haag kommt und acht Tage als geehrter Gast im Hause des Grafen zubringt (112). Danach schenkt er der kleinen Tochter der Gräfin 10.000 Taler. Die Gräfin äußert, dass die Juden besser wären, wenn man sie nicht so schlecht behandelte (114). Auch Steeleys Rückkehr organisierte er nach dem Tod des Gouverneurs.
Mariane
Mariane ist aus dem Kloster geflohen, um Carlson zu heiraten (39). Herr R** und seine Frau, die Gräfin, lernen sie in Holland kennen. Sie ist ein schönes, blondes, blauäugiges Mädchen, die beiden ein reizendes, verliebtes Paar. R** und seine Frau bleiben für ein Jahr bei ihnen, Mariane bekommt eine Tochter.
Auch Caroline, Carlsons Mutter, trifft ein und alsbald ihr verschollener Bruder Andreas. Ihm hatte sie einst ihre kleine Tochter anvertraut, die dann anonym in einem katholischen Kloster aufwuchs. Nun klärt sich auf, dass Mariane eben diese Tochter ist und also Mariane und Carlson Geschwister sind. Die Affekte brechen sich »gewaltsam« Bahn (46) – müssen die Liebenden sich trennen? Was wird aus ihrem Kind? Mariane bricht zusammen, Carlson geht wieder zur Armee. Von Sünde wird nicht gesprochen – das Herz hieß sie lieben, von Verwandtschaft wusste es nichts. Was gebietet die Religion? Können Geistliche sie freisprechen? Selbstbetrug – in der Liebe und im Traum ist alles möglich (49). Die bisherige Nüchternheit weicht zunächst dem heftigen Ausdruck von Gefühlen.
Auf die Empfindungen nach Carlsons Tod einzugehen, versagt sich die erzählende Gräfin aus Rücksicht auf ihre Leser (52). Mariane fasst sich schließlich und heiratet Dormund, einen Freund von Carlson, sie ist erst 19. Aber auch Dormund wird krank und schickt sich zum Sterben an, gesteht aber vorher, dass er Carlson vergiftet hat, um Mariane zu gewinnen (56).
Nach diesem neuen Schicksalsschlag stirbt Mariane, nicht ohne eigenes Zutun: Sie reißt nach einem Aderlaß die Verbände ab.
Prinz von S***
Er stellt der schwedischen Gräfin nach, als sie mit ihrem Gemahl an den Hof gerufen worden ist, und danach, als der Graf zur Armee befohlen wird. Der Prinz sorgt dafür, dass der Graf wegen einer missglückten militärischen Operation vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt wird. Aber ein Überfall der Russen bringt ihn in russische Gefangenschaft, und es dauert zehn Jahre, bis er aus Sibirien zurückkehrt. Später reisen Graf und Gräfin nach England, wo sie zu ihrem Schrecken den Prinzen treffen. Der Graf stirbt, und der Prinz erneuert seine Werbung um die Gräfin, die sie mit Entsetzen abweist.
Steeley
Steeley, ein englischer Freund, mit dem der Graf das Elend der Gefangenschaft in Russland teilt (von ihm erzählen die Briefe des Grafen). Steeley, der Kriegsdienste genommen hatte, weil seine Braut vom Blitz erschlagen worden war, hat etwas Geld und kann ihre äußeren Umstände etwas verbessern. Leider diskutiert er gern und macht sich dadurch einen Popen in Moskau zum Feind. Steeley und Sidne, ein Vetter von ihm, werden gefoltert, der Vetter stirbt daran (80).
Steeley und der schwedische Graf werden nun nach Sibirien verbannt, wo sie im Wald Zobel fangen müssen. Sie hoffen nur noch auf den Tod. Für die nächsten Jahre werden sie getrennt. Aber ein wohlmeinender und umsichtiger Jude stellt eine Beziehung des Grafen zum Gouverneur her und es gelingt – mit Hilfe des Geldes, das die Gouverneursgattin Amalia dem Grafen schenkte –, die Freunde wieder zu vereinen. Die Freude des Wiedersehens überwältigt beide (95).
Steeley war es noch schlimmer ergangen als dem Grafen, ein Mitgefangener hatte ihn boshaft gequält (was er ihm dann mit Güte vergilt). Aber ein kosakisches Mädchen verliebte sich in ihn und machte sein Leben als Zobelfänger leichter. – Als der Graf frei kommt, muß Steeley bleiben – heftige Empfindungen beider (103).
Schließlich kommt auch Steeley frei und trifft in Holland ein. Sie genießen die Wollust der Freundschaft zu dritt mit der Gräfin (116). Steeley hat Amalie mitgebracht, die hilfreiche Gattin des sibirischen Gouverneurs, der inzwischen gestorben ist. Sie wollen heiraten, ein Geistlicher vollzieht die Trauung (137). Vorher erzählt Amalie aber noch ihre rührende Liebesgeschichte mit einem Engländer (122-136).
Am Tag nach der Trauung trifft Steeleys Vater aus London ein und kann Wiedersehen mit seinem Sohn feiern. Danach reisen alle nach London, wo der Vater, ein Kaufmann, ein großes Haus besitzt. Amalias Gold und Kleinodien vom Gouverneur fallen ins Meer, an dem Schrecken stirbt erst der fahrlässige Diener, dann Vater Steeley. Aber der Schrecken ist nur physischer Natur, denn der Handel hat dem Alten genug Vermögen eingebracht, das nun sein Sohn erbt (146).