Paepcke, Hilde (geb. Papenbrock)
Ehefrau von Alexander Paepcke, geb. 1904; Mutter von Ulrike (Alexandra), geb. 1933, Eberhardt, geb. 1935, und Christine, geb. 1937. Sie ist die älteste Tochter von Louise und Albert Papenbrock und Schwester von Lisbeth Cresspahl, Robert und Horst Papenbrock. Heiratet ihren Alexander Paepcke im Juni 1928, lebt mit ihm bis Ende 1933 in Krakow am See, dann in Jerichow. Wenige Jahre später (wohl Ende 1935 oder Anfang 1936) siedelt die Familie nach Podejuch bei Stettin um. Kommt im März 1945 bei einem Angriff sowjetischer Tiefflieger auf einer Straße in Vorpommern mit ihren drei Kindern ums Leben.
50 Imaginiertes Gespräch zwischen Heinrich Cresspahl und Lisbeth Papenbrock im Sommer 1931: »Meine Schwester ist verheiratet in Krakow mit einem Rechtsanwalt, der Geld veruntreut.«
58 Imaginiertes Gespräch Gesine Cresspahls mit ihrer toten Mutter Lisbeth: »Als Robert siebzehn war, mußte Hilde ihn immer zwei Stunden vor Schulanfang wecken, damit Louise Papenbrock nicht das Dienstmädchen in seinem Bett fand.«
114 Auf einem der Hochzeitsfotos sieht man den Bräutigam Heinrich Cresspahl »im Gespräch mit einem Rechtsanwalt aus Krakow, der Hilde Papenbrocks Erbteil vertrunken hat und ihr ein Unglück nach dem andern beibringt«.
158 Hilde »stellte sich nicht gegen ihren Dr. Paepcke, ehemals Rechtsanwalt und Notar, nicht einmal wenn er mit Schwiegervaters unwiderruflich letztem Darlehen nicht seine Veruntreuungen bereinigte, sondern eine Ziegelei in Pacht nahm. Sie hatte sich einreden lassen, daß da genug Gewinne gegen die Schulden ins Haus standen, und ließ sich für die Angst entschädigen mit Ausflügen nach Berlin, Besuchsfahrten von Gut zu Gut, Festen im Kurhotel Krasemann am See. Das Gerücht beschrieb sie in einer anbetenden Haltung vor ihrem Alexander; wirklich mochte sie ihn nur keinen Spaß entbehren lassen.«
159 Über den Brand der Ziegelei in Krakow 1932, die Alexander Paepcke nach seinem Ausschluss aus der Anwaltskammer gepachtet hat. Die Kriminalpolizei »wollte den Herrschaften aus der eben erst angehobenen Versicherung eine Anwesenheit und Brandstiftung nachsagen. Hilde Paepcke wurde gefragt: ob sie Hindenburglichter kenne. Sie hatte das dann zu rasch und rundheraus abgestritten.« – Heinrich Cresspahl in einem (imaginierten) Gespräch mit seiner Frau Lisbeth: »Die stellen ein Hindenburglicht auf Ziegelboden. Den Brandherd erkennt ein Kind.« – Vgl. auch Anhang XV: Danach hat Hilde den Brand gelegt, weil sie nicht mit ansehen konnte, »daß Alexander in Verlegenheit war«.
261-262 Im Frühjahr 1933 besucht sie ihre Schwester Lisbeth in Jerichow, um ihr gerade geborenes Kind Gesine zu sehen. Sie ist schwanger (mit Alexandra): »Sie wollte noch Kinder haben, ehe Alexander sich ganz und gar durch den Boden des Bürgertums gescheuert hatte; sie wollte etwas ›aus der Konkursmasse retten‹.« – Geht in dieser Zeit öfter mit ihrem Schwager Cresspahl im Seebad Rande spazieren, »Arm in Arm, in ganz plötzlicher, nie beredeter Vertrautheit. Als Cresspahl endlich wahrnahm, daß sie nicht aus Versehen ihn Brust und Hüften spüren ließ, einigten sie sich in einem ganz unverhohlenen, vergnügten Seitenblick, und Hilde sagte übermütig, ohne jede Trauer: Dascha nu bannig schåde. [Das ist ja nun sehr schade.] – Was ein nich allns verpaßt [Was man nicht alles verpasst]: sagte Cresspahl.«
355-356 Will sich am 1. April 1933, dem Tag des »Judenboykotts«, in Gneez »beim alten Tannebaum« einen »gebrauchten Pelzmantel« kaufen. »Eine Tochter von Papenbrock ließ sich nicht vom Betreten eines Ladens abhalten durch irgend welche Leute in Uniform, die Gereimtes aufsagen und Pappschilder schwenken.« Sie kauft den Mantel dann doch nicht, wird aber beim Verlassen des Ladens »empfangen mit einem Sprechchor, der sie eine Verräterin am deutschen Volk nannte«. Dabei wird sie von einem SA-Posten fotografiert und muss befürchten, dass das Bild in der Zeitung erscheinen wird. Aus Angst vor ihrem Vater fährt sie zurück nach Krakow zu ihrem Mann.
367 Im Sommer 1933 holt Albert Papenbrock seine Tochter Hilde nach Hause: »Alexander Paepcke sollte erst einmal etwas Solides vorweisen, ehe er sie hier wieder abholen durfte.«
412 Geburt des ersten Kindes Ulrike, genannt Alexandra, 1933. – Gerede der Jerichower im Dezember 1933: »Denn weißt du wohl, was Hilde Papenbrock, Hilde Paepcke, zu Weihnachten und zur Geburt ihres Kindes geschenkt gekricht hat? Jawohl, die Pacht der Ziegelei. [...] Paepcke, Hildes Mann, der hatte ja wohl was angestellt. Wenn sie einen nich einsperren, dann war nichts. Na, wart du man. Wart du man, bis die Ziegelei auch in Jerichow brennt.«
417-418 Hilde und Alexander leben unbeschwert in Jerichow. – »Es war angenehm, den beiden zuzusehen, wie sie lebten, so unbefangen wie Kinder; es war unheimlich, daß die jetzt schon vergessen hatten, mit welch genauer Not sie durch Papenbrock gerettet worden waren.«
473 Geburt des zweiten Kindes Eberhardt im August 1935 in Jerichow.
505 Die Jerichower über die Papenbrocks: Als junges Mädchen war Hilde »ein wenig von oben herab, wenn sie bei Tisch etwas nachforderte oder Einheimischen eine Antwort nicht verweigern durfte; die hielt den Namen Papenbrock offensichtlich für großartig«.
507 Für seine Mädchen fand Papenbrock »Jerichow nicht gut genug, nicht einmal Gneez. Hilde hatte er auf eine Töchterschule nach Lübeck gegeben. Lisbeth hatte Wissenschaften und obendrein den Haushalt in Rostock lernen müssen.« – Die Hochzeit mit Alexander Paepcke fand im Juni 1928 in Jerichow statt.
530-531 Umzug der Familie nach Podejuch bei Stettin (1936 oder 1937). Da Alexander Paepcke mit seiner Jerichower Ziegelei rote Zahlen schreibt, verzieht er sich mit seiner Familie »in den östlichsten Zipfel des Wehrbereichs II, in die Heeresintendantur Stettin«.
631-635 Über Ostern 1938 besuchen Heinrich, Lisbeth und Gesine Cresspahl die Paepckes in Podejuch. Ein Jahr vorher wurde Paepckes drittes Kind, Christine, geboren. – Am zweiten Abend »bei Bier, Mosel und Aussichten des nächsten Krieges« setzt Hilde »die jeweils neuen Gläser etwas hart auf den Tisch«.
827-830 Nach Lisbeth Cresspahls Tod bringt Cresspahl die fünfjährige Gesine zu den Paepckes nach Podejuch, wo sie mehr als ein halbes Jahr bleibt (vgl. 836).
836-841 Über Gesines Leben bei den Paepckes 1938/1939. – »Bei Paepckes hatte ein Kind keine Pflichten, keine Beschwernis. Wenn Gesine und Alexandra sich anboten für einen Gang zum Kaufmann, gab Hilde sich ein grüblerisches Aussehen und war imstande, abzulehnen, wenn sie erst noch ein neues Spiel für die Kinder gefunden hatte.« – Über ihr Verhältnis zu ihrem Mann aus Gesines Sicht: »Mit ihrem Alexander hatte Hilde es, so habe ich es nicht wieder gesehen. [...] Hilde sah von weitem, an welchen Abenden er nicht einmal mit Worten angehalten werden wollte. Dann kümmerte Hilde sich um nichts, als daß das Abendbrot rasch lief, die großen Mädchen mußten das kleine versorgen, alle bekamen noch eine Hand übers Haar, an die Backe; dann aber ging Hilde zu ihrem Mann ins Wohnzimmer und war für den Rest der Nacht nicht zu haben.« – Alexander revidiert seine Bemerkung, sie habe schöne Beine: »Lebendige Beine hast du! Den beiden machte es nichts, daß die Kinder das anhörten. Übriggeblieben ist ein Gefühl ansteckender Begeisterung, von dem Vergnügen, bei solchem Leben dabeizusein.« – Schreibt für Alexandra und Gesine, die einen Impftermin haben, einen Entschuldigungsbrief: »Am 21. März können meine Kinder nicht kommen, da feiern wir den Frühlingsanfang.« – Auch die Geburtstage der Katzen werden bei Paepckes »heftig gefeiert«. – »Bei Paepckes lernten die Kinder fühlen, wer sie waren.« – Im Sommer 1939 verbringen die Paepckes ihre Ferien mit Gesine auf dem Fischland in Althagen. Am letzten Tag holt Cresspahl Gesine ab und nimmt sie wieder mit nach Jerichow.
840 Hilde »trug ihr Haar gern im Kopftuch nach hinten gebunden, wie die Schnitterinnen. Nähte vieles selber, trug gern Hosen, erwiderte tadelnde Grüße mit harmloser Freundlichkeit, als hätte sie nicht verstanden.«
860 Im März 1942 besuchen Cresspahl und Gesine die Paepckes in Podejuch. Cresspahl und Alexander hören Sendungen des BBC.
878-887 Im Sommer 1942 verbringen die Paepckes ihre Ferien mit Gesine und dem siebenjährigen Klaus Niebuhr in Althagen auf dem Fischland.
951-956 Sommer 1944: Alexander Paepcke ist von der Organisation Todt wieder zur Wehrmacht zurückgeschickt worden, die ihn nach Südfrankreich beordert. Entgegen seinem Befehl steigt er in Ribnitz aus, um seine Familie und die aus Jerichow anreisende Gesine nach Althagen zu bringen. Er verbringt eine Nacht mit seiner Familie in Althagen und reist in den Morgenstunden nach Frankreich weiter. – Hilde »sprach nicht viel, gab Alexander mit halben Sätze Stichworte, drückte manchmal mit beiden Zeigefingern gegen ihre Nasenwurzel, als müsse sie gegen einen Schmerz angehen. Den Kindern kam sie nur müde vor, und keines ahnte ein Unglück.« – Alexanders Verwandtschaft meint, »daß Hilde in diesem Sommer nicht allein bleiben sollte«, und kommt umschichtig nach Althagen.
973 Hildes Tod im März 1945: »Im März wurde ein Lastwagen der Heeresintendantur Stettin auf einer Landstraße in Vorpommern von sowjetischen Tieffliegern beschossen und brannte halb aus. Bis auf den Fahrer wurden alle Insassen getötet. Cresspahl bekam das Telegramm erst, als Hilde Paepcke mit Alexandra und Eberhardt und Christine schon begraben waren in einem Grab, das wir nach dem Krieg nicht finden konnten.«
1343-1344 Das Mädchen Slata, das Robert Papenbrock aus der Sowjetunion nach Jerichow geschickt hat, unterhält sich gern mit Cresspahl über Hilde Paepcke, »die das Haar im Kopftuch trug wie sie, offenbar eine Person, die ihm auch gefiel«.
Vgl. auch 57. 279. 281-282. 317. 319. 400-4001. 415. 424. 455. 467. 692. 760. 767. 813. 853. 911. 936. 937. 1001. 1140. Anhang V, XV-XVI.
Dass Paepckes schon zu Ostern 1935 in Podejuch wohnen, wie Hildes Einladungen an ihre Schwester Lisbeth »zu Ostern 35, 36, 37« implizieren (631), widerspricht der Auskunft, dass Alexander Paepcke zunächst von dem Bau des Flugplatzes in Jerichow Nord profitiert, der 1935 beginnt, und dass er seine Ziegelei zum Zeitpunkt der Geburt des Sohnes Eberhardt im August 1935 noch betreibt (473). – Einige der im Anhang XIV-XVI zu Band 2 (»Mit den Augen Cresspahls«) genannten Zeitangaben stimmen nicht mit den in Gesines Erzählungen genannten Daten überein (Alexandras Geburt: 1934 vs. 1933; Übernahme der Ziegeleipacht in Jerichow: 1931 vs. 1935).