Lamech

Ein »uraltes Lied, Bruchstück einer halb verwehten, nicht vollständig überlieferten Ballade oder Epopöe aus versunkenen Zeiten« kündet von Lamech, der sich vor seinen Frauen Ada und Zilla brüstet, sich an seinen Beleidigern gerächt zu haben, und für sich selbst siebenundsiebzigfache Rache fordert, elfmal mehr als Gott dem Kain zugestanden hatte (IV, 549).

Während die Brüder auf den Weiden bei Dotan dumpfe Rachegedanken brüten, stimmt Schimeon das Lied in einem »halblauten Singsang« an, und einige der Brüder fallen summend ein. Danach entspinnt sich ein Disput über »Lamech und seine Strieme« (IV, 549-553). Die Brüder suchen in Lamechs »unbestechlich mörderischer Mannheit und anspruchsvoller Rachsucht« eine Rechtfertigung für ihre Rache an Joseph, die sie kurz darauf vollziehen, und hängen den alten Zeiten nach, in denen Männer wie Lamech noch etwas galten, während »Männer in unseren Zeiten viel eklere Schande schlucken, als Lamech sich bieten ließ«, und »da sitzen sie dann, und in ihnen gärt der Schandfraß, daß sie nicht essen noch schlafen mögen« (IV, 551 f.). Schuld an dem zivilisatorischen Fortschritt, der sie vor der Rache an Joseph zurückschrecken lasse, so Sebulun, sei Lamechs Frau Ada, denn sie »gebar Jabal, den Urahn derer, die in Zelten wohnen und Viehzucht treiben, Abrams Ahn, Jizchaks und Jaakobs, unseres sanften Vaters. Da haben wir den Verderb und die Bescherung, daß wir keine Männer mehr sind« (IV, 552).

Nur Ruben widerspricht heftig: »Ich will dir sagen«, entgegnet er Levi, »was aus des Mannes Hand nimmt seine Rache und macht, daß wir ungleich geworden Lamech, dem Helden. Es ist zweierlei: Babels Satzung und Gottes Eifer, die sprechen beide: Die Rache ist mein. Denn die Rache muß von dem Manne genommen sein, sonst zeugt sie wild weiter, geil wie der Sumpf, und die Welt wird voll Blutes« (IV, 550).

Am Ende ist es Juda, der einräumt, dass die Berufung auf Lamech weder Hand noch Fuß hatte, sondern ein »hundsföttisch Zwitterding« war, weil sie es – als Kinder weniger rauer Zeitläufte – nicht fertiggebracht haben, den Bruder »nach Heldenvorbild« zu töten: »Darum sage ich euch: da wir's dem Lamech nicht gleichzutun wußten und mußten den Läuften was drangeben, so wollen wir gleich ganz ehrlich sein und den Läuften gemäß und wollen den Knaben verkaufen!« (IV, 599)

Grundlage des Passus ist das so genannte ›Lamechlied‹ in Genesis 4,23-24. Rubens Rede von »Babels Satzung« bezieht sich auf den Codex Hammurapi.

Letzte Änderung: 01.09.2010  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück