Franz, Franziska
Junge Schauspielerin, vornehmlich als Liebhaberin und Soubrette eingesetzt (vgl. 2/11), vierundzwanzig Jahre alt, Tochter eines protestantischen Pastors aus einer norddeutschen Stadt an der Odermündung (vgl. 9/74). Der siebzigjährige Graf und »Theaterhabitué« Petöfy, der sie verehrt, lädt sie zu seinen Gesellschaften, und einige Wochen lang verkehrt sie häufig im Haus des Grafen und seiner Schwester. Dann bricht der Kontakt ab, da Petöfy überraschend nach Paris abreist und sie selbst ein »nervöses Fieber« erleidet, das sie wochenlang ans Bett fesselt (5/35). In Oeslau, wo sie sich im darauffolgenden Frühjahr mit Hannah und Phemi zur Kur aufhält, führt der Zufall sie erneut mit den Petöfys zusammen.
Zurück in Wien, trägt Petöfy ihr die Ehe an, eine Ehe ohne körperliche Liebe, in der sie die Rolle einer unterhaltsamen Gesellschafterin und Freundin übernehmen und im Übrigen, auch in Liebesdingen, alle Freiheiten haben soll, sofern die »Dehors« gewahrt bleiben (vgl. 10/82-87; 11/91). Sie nimmt den Antrag an, obwohl Hannah, ihre Dienerin und Freundin, die sie ihr »besseres Ich« nennt (4/30), sie nachdrücklich warnt. Sie bekennt ihr freimütig, dass es gesellschaftlicher »Ehrgeiz« ist, der sie zur Annahme bewegt und den sie sich bis vor Kurzem selbst nicht zugetraut hätte (12/97). Vor der Aufgabe ihres Berufs fürchtet sie sich nicht (vgl. 11/92); seine geringe gesellschaftliche Reputation, zumal in ihrer protestantischen Heimat, war ihr immer bewusst (vgl. 4/33 f.), und die Verwandtschaft zwischen Schauspielern und Gauklern, die sie noch kurz zuvor beim Gang über einen Jahrmarkt in Oeslau konstatiert hatte, geniert sie (6/55 f.). Auch der Verzicht auf sinnliche Liebe, den sie, die vom Grafen avisierten Freiheiten abwehrend, leisten zu sollen meint, schreckt sie nicht: Sie glaube nicht »an die Hoch- und Siedegrade der Leidenschaft« (11/92) und sei sich sicher, über die Zeit der »großen Passionen« hinaus zu sein (12/95), eine Selbsteinschätzung, die sie freilich durch ihr Erröten beim Empfang eines Blumenbouquets von Graf Egon unbewusst selbst in Frage stellt (vgl. 12/97).
Sie ist dem alten Grafen in freundschaftlicher Sympathie zugetan und nimmt nach der Hochzeit nicht nur die ihr zugedachte Rolle einer Gesellschafterin mit Fleiß wahr, sondern macht es sich zur Aufgabe, sich ganz in die ungarische Lebenswelt ihres Mannes hineinzuleben, Ungarisch zu lernen und sich seinen Anschauungen anzupassen. Denn die »bloße Causerie« reiche nicht aus für ihr gemeinsames Leben, sagt sie ihm, es müsse »noch etwas Ernsthaftes hinzukommen, sonst wird das Scherzhafte bald schal und abständig« (18/133). Sie gehöre, schreibt sie ihrer Schwägerin, »nun diesem Lande mit meinem Herzen, und wenn vielleicht nicht voll mit meinem Herzen, so doch mit meinen Entschlüssen an« und wolle »das ganz sein, was zu sein ich mir an jenem mir unvergeßlichen Tage vornahm« (21/144). Die Langeweile, die zunehmend und vollends in den herbstlichen Regentagen das Leben auf Schloss Arpa bestimmt, stellt sie auf eine harte Probe, und sie muss sich »ein Gefühl unendlicher Sehnsucht« eingestehen, dessen Woher und Wohin sie nicht erkennt (23/159).
Nach einer Liebesnacht mit Graf Egon lebt sie in dauernder Befangenheit und geht Egon aus dem Weg. Petöfys Freitod bindet sie vollends an ihn. Sie kehrt nach Schloss Arpa zurück zu einem Zeitpunkt, an dem auch die Glocke, die bei ihrer ersten Ankunft zersprungen war, wiederhergestellt an ihren Platz zurückkehrt (vgl. 35/221). Sie »will nun Pflichten leben«, zum katholischen Glauben übertreten und alles »Sinnen und Trachten« ihrer ungarischen Umgebung zu ihrem eigenen Sinnen und Trachten machen (35/223). Eine Verbindung mit Egon, die Gräfin Judith in den Raum stellt, lehnt sie ab, und auf die ›Herbheit‹ angesprochen, mit der sie dies bekundet, antwortet sie: »wir sind allemal hart gegen Die, die schuld sind an unserer Schuld. Und um so härter, je schuldiger wir uns selber fühlen.« (35/224)