Graf Petöfy (1884)

Theodor Fontane: Graf Petöfy. Hrsg. von Petra Kalbus. Berlin: Aufbau 1999 (Große Brandenburger Ausgabe. Das erzählerische Werk. Bd. 7) – Nachweise von Zitaten erfolgen unter Angabe der Kapitel- und Seitenzahl (z.B. 4/31 = 4. Kapitel, S. 31).

Ambronn, Klaus

Schmied auf Schloss Arpa, ein Deutscher aus dem Rheinland, der in der kleinen Siedlung am Fuß des Schlossberges, in der seine Schmiede steht, zugleich das Amt eines »Vogts oder Schultheißen« versieht (15/118). Gräfin Judith sieht ihm fasziniert beim Beschlagen eines Pferdes zu (vgl. 27/175). Er verwahrt auch den Schlüssel zu der nahebei befindlichen Gruftkapelle der Petöfys, die er den Herrschaften aufschließt (vgl. 27/176 f.).

Andras

Junger Kammerdiener des Grafen Petöfy, ein Sohn von Toldy, erst sechzehn Jahre alt und »Liebling« des Grafen (2/7 f.), der häufig den alten und kranken Kammerdiener Koloman Czagy vertritt. Er und Josephine begleiten das frisch getraute Hochzeitspaar auf der Reise nach Italien. Auf Schloss Arpa dient er Franziska und Egon bei deren Ausritten als Reitknecht. Bei der Suche nach seiner kleinen Schwester Marischka findet er die Schuhe des Kindes, die den Weg zu ihm weisen, und begleitet danach Franziska und Egon auf dem gefahrvollen Heimweg über den See. Zu der Frage, die seinem Herrn auf den Nägeln brennt, ob und was sich dabei zwischen Franziska und Egon zugetragen hat, kann er nichts sagen (vgl. 31/203 f.). Er begleitet den Grafen auf seinem letzten Ritt durch Wien (vgl. 34/216).

Asperg, Egon Graf von

Neffe Graf Petöfys und Gräfin Judiths, Sohn ihrer verstorbenen Schwester Eveline. Er begleitet Franziska nach ihrem ersten Besuch bei der Gräfin heim und stellt in Oeslau den Kontakt zwischen ihr und der Gräfin wieder her (vgl. 5/44). Bei seinem Besuch auf Schloss Arpa unternimmt er mit ihr Ausritte und beginnt sich für sie zu interessieren. Er erkennt bald, dass ihr kühles Auftreten Fassade ist und die Aufgabe, vor die sie die Ehe mit Petöfy stellt, über ihre Kraft geht (vgl. 26/172 f.). Nach der Liebesnacht mit ihr verhält er sich ähnlich befangen wie sie, schwankt zwischen »weiter treiben oder Rückzug« (30/196) und wird ganz buchstäblich von seinem schlechten Gewissen verfolgt (vgl. 30/198). Der kleine Ring, den sie ihm geschenkt hat und den er unter einem anderen Ring verborgen trägt, verrät ihn schließlich (vgl. 32/209). Wie er die nachfolgenden Ereignisse, den Freitod seines Onkels und Franziskas Rückkehr nach Schloss Arpa aufnimmt, erfährt man nicht. Ob Gräfin Judiths Frage an Franziska, ob sie Egon heiraten werde, seine Wünsche spiegelt, bleibt unklar. Franziska ihrerseits beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein. Die Rückfrage, ob Egon die Herbheit, die in dieser Antwort liege, verdient habe, verneint sie freilich ebenfalls: »Aber wir sind allemal hart gegen Die, die schuld sind an unserer Schuld. Und um so härter, je schuldiger wir uns selber fühlen.« (35/224)

Coronini, Graf

Junger Rittmeister und Adjutant des Erzherzogs, Freund von Graf Egon, der bei Petöfys Winterball eine wenig taktvolle Bemerkung über den Selbstmord von Gablenz, einem Freund Graf Petöfys, macht, die dieser mit einer scharfen »Philippika« zurückweist (3/14).

Curatus

Geistlicher aus der Stadt Szegenihaza unterhalb von Schloß Arpa, bei dem Franziska Ungarisch lernt. Er ist ein »rundes und behagliches Männlein«, das »einem immer für ihn bereitstehenden Frühstücke sowohl vor wie nach dem Unterricht lebhaft und geräuschvoll« zuspricht (19/134). Fragen seiner Kirche behandelt er »heiter und humoristisch« und erwirbt sich Franziskas Sympathie dadurch, dass er alles Gravitätische vermissen lässt, das sie früher an ihrem Vater und seinen Amtsbrüdern unangenehm berührt hat (ebd.; vgl. auch 21/144). Franziskas Entsetzen über die ungarische Schauerballade »Barcsai«, die sie übersetzt, erheitert ihn. »Das sei nun ‘mal Balladenrecht, wenigstens in Ungarn.« (20/139) Nach dem Eintreffen von Gräfin Judith und Graf Egon auf Schloss Arpa vernachlässigt Franziska die Ungarisch-Stunden zugunsten des Reitunterrichts, den Egon ihr erteilt. Der »kleine geistliche Herr« beteiligt sich an der Suche nach der kleinen Marischka »aus Vorliebe für die junge Gräfin und in dankerfüllter Erinnerung an die Stunden und Tage, die sein armes, kleines Leben einen Sommer lang beglückt hatten« (27/181).

Czagy, Koloman

Erster Kammerdiener des Grafen Petöfy, alt und kränkelnd, weshalb er meist von Andras vertreten wird. Er ist »mit dem Grafen jung gewesen und gilt fast noch mehr als der Andras« (13/103). Seine Rolle beschränkt sich darauf, auf Schloss Arpa Besucher zu melden oder Franziska Wünsche des Grafen zu überbringen.

Feßler, Pater

Beichtvater der Gräfin Judith, Mitglied des Liguorianerordens (Redemptoristenorden), Steiermärker, ein »schöner Mann« (6/47) mit einem feinen Gespür für Menschen und einer weltoffenen, toleranten Haltung gegenüber Andersgläubigen. Auch Standesdenken liegt ihm fern, die Verbindung zwischen Petöfy und Franziska findet seine ungeteilte Zustimmung (vgl. 9/71). Er verkehrt häufig im Haus der Petöfys, besucht die Gräfin in Oeslau und unternimmt dort mit Graf Petöfy Wanderungen. Zuletzt versieht er das Totenamt für den Grafen (vgl. 35/219). Eine seiner Äußerungen über Franziska – ihre Seele sei »von einer Legierung, aus der eine Glocke werden kann, die klingt« (9/71) – korrespondiert mit der Glocke von Schloss Arpa, die bei Franziskas Ankunft zerspringt und bei ihrer Rückkehr nach dem Tod des Grafen wiederhergestellt an ihren Platz zurückkommt (vgl. 35/221).

Franz, Franziska

Junge Schauspielerin, vornehmlich als Liebhaberin und Soubrette eingesetzt (vgl. 2/11), vierundzwanzig Jahre alt, Tochter eines protestantischen Pastors aus einer norddeutschen Stadt an der Odermündung (vgl. 9/74). Der siebzigjährige Graf und »Theaterhabitué« Petöfy, der sie verehrt, lädt sie zu seinen Gesellschaften, und einige Wochen lang verkehrt sie häufig im Haus des Grafen und seiner Schwester. Dann bricht der Kontakt ab, da Petöfy überraschend nach Paris abreist und sie selbst ein »nervöses Fieber« erleidet, das sie wochenlang ans Bett fesselt (5/35). In Oeslau, wo sie sich im darauffolgenden Frühjahr mit Hannah und Phemi zur Kur aufhält, führt der Zufall sie erneut mit den Petöfys zusammen.

Zurück in Wien, trägt Petöfy ihr die Ehe an, eine Ehe ohne körperliche Liebe, in der sie die Rolle einer unterhaltsamen Gesellschafterin und Freundin übernehmen und im Übrigen, auch in Liebesdingen, alle Freiheiten haben soll, sofern die »Dehors« gewahrt bleiben (vgl. 10/82-87; 11/91). Sie nimmt den Antrag an, obwohl Hannah, ihre Dienerin und Freundin, die sie ihr »besseres Ich« nennt (4/30), sie nachdrücklich warnt. Sie bekennt ihr freimütig, dass es gesellschaftlicher »Ehrgeiz« ist, der sie zur Annahme bewegt und den sie sich bis vor Kurzem selbst nicht zugetraut hätte (12/97). Vor der Aufgabe ihres Berufs fürchtet sie sich nicht (vgl. 11/92); seine geringe gesellschaftliche Reputation, zumal in ihrer protestantischen Heimat, war ihr immer bewusst (vgl. 4/33 f.), und die Verwandtschaft zwischen Schauspielern und Gauklern, die sie noch kurz zuvor beim Gang über einen Jahrmarkt in Oeslau konstatiert hatte, geniert sie (6/55 f.). Auch der Verzicht auf sinnliche Liebe, den sie, die vom Grafen avisierten Freiheiten abwehrend, leisten zu sollen meint, schreckt sie nicht: Sie glaube nicht »an die Hoch- und Siedegrade der Leidenschaft« (11/92) und sei sich sicher, über die Zeit der »großen Passionen« hinaus zu sein (12/95), eine Selbsteinschätzung, die sie freilich durch ihr Erröten beim Empfang eines Blumenbouquets von Graf Egon unbewusst selbst in Frage stellt (vgl. 12/97).

Sie ist dem alten Grafen in freundschaftlicher Sympathie zugetan und nimmt nach der Hochzeit nicht nur die ihr zugedachte Rolle einer Gesellschafterin mit Fleiß wahr, sondern macht es sich zur Aufgabe, sich ganz in die ungarische Lebenswelt ihres Mannes hineinzuleben, Ungarisch zu lernen und sich seinen Anschauungen anzupassen. Denn die »bloße Causerie« reiche nicht aus für ihr gemeinsames Leben, sagt sie ihm, es müsse »noch etwas Ernsthaftes hinzukommen, sonst wird das Scherzhafte bald schal und abständig« (18/133). Sie gehöre, schreibt sie ihrer Schwägerin, »nun diesem Lande mit meinem Herzen, und wenn vielleicht nicht voll mit meinem Herzen, so doch mit meinen Entschlüssen an« und wolle »das ganz sein, was zu sein ich mir an jenem mir unvergeßlichen Tage vornahm« (21/144). Die Langeweile, die zunehmend und vollends in den herbstlichen Regentagen das Leben auf Schloss Arpa bestimmt, stellt sie auf eine harte Probe, und sie muss sich »ein Gefühl unendlicher Sehnsucht« eingestehen, dessen Woher und Wohin sie nicht erkennt (23/159).

Nach einer Liebesnacht mit Graf Egon lebt sie in dauernder Befangenheit und geht Egon aus dem Weg. Petöfys Freitod bindet sie vollends an ihn. Sie kehrt nach Schloss Arpa zurück zu einem Zeitpunkt, an dem auch die Glocke, die bei ihrer ersten Ankunft zersprungen war, wiederhergestellt an ihren Platz zurückkehrt (vgl. 35/221). Sie »will nun Pflichten leben«, zum katholischen Glauben übertreten und alles »Sinnen und Trachten« ihrer ungarischen Umgebung zu ihrem eigenen Sinnen und Trachten machen (35/223). Eine Verbindung mit Egon, die Gräfin Judith in den Raum stellt, lehnt sie ab, und auf die ›Herbheit‹ angesprochen, mit der sie dies bekundet, antwortet sie: »wir sind allemal hart gegen Die, die schuld sind an unserer Schuld. Und um so härter, je schuldiger wir uns selber fühlen.« (35/224)

Gundolskirchen, Judith Gräfin von

Schwester des Grafen Petöfy, seit vielen Jahren verwitwet. In dem gemeinsam mit ihrem Bruder »in getrennter Wirtschaftsführung« bewohnten Wiener Stadtpalais residiert sie in einem der beiden Flügel (I, 5). Anders als ihr Bruder, der sich ganz der Kunst widmet, bewegt sie sich überwiegend in kirchlichen Kreisen, pflegt eine streng katholische Religiösität und spendet der Ordensgemeinschaft ihres Beichtvaters Feßler beträchtliche Summen für mildtätige Zwecke (vgl. 2/12; 8/70). Durch ihre Ehe mit dem steiermärkischen Reichsgrafen Gundolskirchen haben sich ihre Bindungen an ihre ungarische Heimat gelockert, sie wurde »gut steyrisch« (3/16; vgl. auch 20/139). Auch ihr Beichtvater ist ein Steiermärker. Sie hat, was ihrem Bruder fehlt: »Klarheit und Einheit. Sie war jede Stunde dieselbe, während er auf jedem Gebiete schwankte.« (20/140)

Auf Petöfys Wunsch empfängt sie Franziska und findet sie ›charmant‹ und ›pointiert‹ (4/28). In Oeslau nimmt sie den für einige Monate unterbrochenen Kontakt mit ihr wieder auf (vgl. 6/49) und befördert damit ungewollt ihre Verbindung mit ihrem Bruder. Sie warnt ihn eindringlich vor einer Eheschließung, entspricht dann aber seiner Bitte, Franziska seinen Antrag zu überbringen (vgl. 10/81-88). Wie gut sie ihren Bruder kennt, zeigt der Fortgang der Ereignisse, denn ihre Vorhersagen treffen sämtlich ein. Ihr Verhältnis zu Franziska wird zunehmend vertrauter und herzlicher, und selbst Franziskas ›Fehltritt‹ und der Selbstmord ihres Bruders kann ihre Freundschaft nicht erschüttern. Ihre von Anfang an gehegte Hoffnung, Franziska werde zur katholischen Kirche übertreten (vgl. 27/174 f.), erfüllt sich schließlich nach Petöfys Tod (vgl. 35/223 f.).

Hanka

»Zigeunerkönig«, der in der kleinen Siedlung am Fuß des Schlossbergs wohnt und von dort aus »seinen meist auf Wanderschaft begriffenen, ziemlich zahlreichen Clan regierte« (15/118). Während der langen Regentage im Herbst unterhalten er und einige Mitglieder seines Clans die Herrschaften mit Csárdás-Musik (22/147). Als Marischka, das jüngste Kind des Gärtners Toldy, mutmaßlich von Zigeunern gestohlen wird, greift er ein und sorgt dafür, dass das Kind gefunden wird (vgl. 27/179 f.).

Josephine

Ein von Graf Petöfy für Franziska engagiertes »echt wienerische[s] Kammermädchen« (13/98). Schon auf der Italienreise »dalberte« sie mit dem Zimmerkellner und mit Andras, »trotzdem er noch ein halbes Kind ist und erst sechzehn wird« (14/112), und auf Arpa kokettiert sie »nach allen Seiten hin« und lässt sich »von dem halben Schloß Arpa den Hof machen«, obwohl sie in Wien einen Bräutigam hat, der ihr täglich zärtliche Briefe schreibt (20/141). Franziska fühlt sich zwar von ihrem koketten Verhalten unangenehm berührt, schätzt aber ihre Unterhaltsamkeit.

La Grange, Euphemia

Kollegin Franziskas aus dem tragischen Fach, eine unbekümmerte, nüchtern urteilende Vierzigerin, die Franziska auf ihrer Kur in Oeslau begleitet. Sie sucht den Kontakt mit Adeligen, den sie »nützlich« findet (6/45), ohne sich dabei Illusionen über deren Haltung zu Personen ihres Standes und Berufs zu machen (vgl. 7/60 f.). Sie hat eine uneheliche Tochter, die zehnjährige Lysinka, deren Vater mutmaßlich dem Hochadel entstammt (vgl. 5/38) und die bei einer Madame Belmonti aufwächst (vgl. 7/59). In Oeslau hat sie das Kind bei sich und gibt es als ihre Nichte aus (vgl. 7/59). Mit Graf Pejevics steht sie auf vertrautem Fuß. Franziska, die ihr freimütiges Auftreten geniert, möchte die Verbindung zu ihr nach ihrer Eheschließung nicht wieder aufnehmen (vgl. 22/151).

Marischka

Jüngstes Kind Toldys, ein dreijähriges Mädchen, das Franziska besonders ins Herz geschlossen hat und dessen Geburtstagsfeier sie ausrichtet, um der Langeweile auf Schloss Arpa zu entfliehen (vgl. 22/147). Als das Kind vermisst wird, wird eine große Suchaktion unternommen, an der sich auch Franziska und Graf Egon beteiligen (vgl. 27/178-182). Auf dem Heimweg beginnt beider Liebesaffäre.

Pejevics, Graf

Ungarischer Adeliger, Freund Graf Egons und wie er Adjutant des Erzherzogs. Er ist Gast auf dem Winterball des Grafen Petöfy. Mit Egon besucht er Gräfin Judith in Oeslau und nimmt an dem Ausflug in die Berge teil, zu dem die Gräfin Franziska und Phemi, die er von früher kennt, eingeladen hat. Eine Englandreise, die er kurz zuvor beendet hat, gibt Gesprächsstoff (vgl. 6/53 f.). Sein auf dem ungarischen Stammsitz Falcavar lebender Vater veranstaltet im Herbst Jagden, an denen Graf Egon während seines Besuchs auf Schloss Arpa teilnimmt (vgl. 24/163 f.; 26/170).

Petöfy, Adam Graf von

Ungarischer Adeliger, siebzig Jahre alt, ein kinderloser Junggeselle, der die Wintermonate regelmäßig in Wien verlebt, wo er und seine Schwester Judith, die »beiden letzten Petöfys«, das Stadtpalais der Familie in zwei getrennten Flügeln und »in getrennter Wirtschaftsführung« bewohnen (I, 5). Den Sommer verbringt er gewöhnlich auf dem Stammsitz der Familie, Schloss Arpa in Ungarn. Seine Leidenschaft ist die Kunst, vor allem das Theater. Die »mit einer ganzen Galerie von Bühnengrößen« bedeckten Wände seines Zimmers verraten den »Theaterhabitué« (2/8).

Er verliebt sich oder interessiert sich »wenigstens bis zur Thorheit« für die junge Schauspielerin Franziska Franz (5/35) und hat einige Wochen lang regen Umgang mit ihr. Seine plötzliche Abreise nach Paris wird von seiner engeren Umgebung als »Flucht« gedeutet (ebd.). Doch im Frühjahr nimmt er den Umgang mit ihr wieder auf, und seine Schwester, die das Kommende ahnt, schreibt einen besorgten Brief an ihren Beichtvater: Ihr Bruder habe es »versäumt, sich zu rechter Zeit seiner Jahre bewußt zu werden«, er sei »der ewig Jugendliche geblieben«, auch neige er dazu, sich gegen alles, »was er ›Vorurtheile des Standes und der Gesellschaft‹ nennt«, aufzulehnen, und liebe es, »seinem Thun den Stempel des Aparten und Adoleszenten« aufzudrücken (8/69). Tatsächlich bittet er sie schon wenig später, Franziska seinen sehr speziellen Heiratsantrag zu unterbreiten: Er wünsche in ihr eine heitere Gesellschafterin für seine letzten Lebensjahre zu gewinnen in einer Ehe ohne Sexualität, in der sie – unter Wahrung der »Dehors« - alle Freiheiten haben solle, ja, er ist sogar überzeugt, wie er seiner Schwester gesteht, dass es ihn glücklich machen würde, seine Frau »von unseren besten Kavalieren umworben« und Schloss Arpa »zum Minnehof à la Wartburg erhoben« zu sehen, an dem sich ein heiteres »Leben voll Kunst, voll Huldigung und Liebesfreude« entfalten solle (10/86). Verliebt in die (theaterhafte) Vorstellung eines Minne- und Musenhofs schlägt er alle Warnungen der Schwester in den Wind, die Hochzeit wird vollzogen, und nach einer Hochzeitsreise, die das Paar nach Italien führt und Franziska lange, ermüdende Stunden in Museen und Galerien beschert, richtet sich das Paar für den Sommer auf Schloss Arpa ein.

Tatsächlich geht der Plan des Grafen in kaum einem Punkt auf: Die Kavaliere bleiben aus, denn Franziska wird von den benachbarten Adeligen geschnitten (vgl. 20/140), und das Paar führt auf Schloss Arpa ein eher eingezogenes Leben. Franziska selbst macht keine Anstalten, sich der angebotenen Freiheiten zu bedienen, sondern richtet ihr Leben ganz auf den Grafen aus, lernt Ungarisch und gibt sich Mühe, sich ganz ihrer neuen Umgebung anzupassen. Der Mangel an gesellschaftlichem Umgang sorgt schon bald für lastende Langeweile, die schließlich ein Besuch Gräfin Judiths und Graf Egons unterbricht.

Als der Graf ahnt und bald darauf gewiss ist, dass Franziska eine Liebesverhältnis mit Egon eingegangen ist, erweist sich schließlich auch der ihn selbst, seine Haltung und seine Gefühle betreffende Teil seines Plans als falsch und die Voraussage seiner Schwester als richtig: »Du bist weder deines Herzens, noch deiner Meinungen sicher, und was dir heut ein Nichts bedeutet, kann dir morgen eine Welt bedeuten.« (10/87) Ihm fehlt, was seine Schwester auszeichnet: »Klarheit und Einheit. Sie war jede Stunde dieselbe, während er auf jedem Gebiete schwankte.« (20/140) Nicht, wie er sich vorgestellt hatte, »Drüberstehen und Anschauungsfreiheit und Vorurtheilslosigkeit« (10/87) bestimmen nun sein Fühlen und Handeln, sondern Eifersucht und gekränktes Ehrgefühl. Er erkennt indes sehr klar, dass nicht Franziska, sondern er selbst sich betrogen hat, und zieht daraus die denkbar schärfste Konsequenz: Er nimmt sich das Leben und macht Franziska zur Erbin seines Besitzes.

Resi

Wortführerin der drei »jungen Demoiselles« aus dem Konfektionsgeschäft, das dem Palais der Petöfys gegenüberliegt und von dem aus die Mädchen beobachten, was vor und in dem Palais vor sich geht (vgl. 2/7 und 3/15 f.).

Stedingk, Hannah

Dienerin und Freundin Franziskas von Kindertagen her; beide sind in einer Ostseestadt an der Odermündung aufgewachsen; ihr Vater war Küster und Totengräber in der Pfarre von Franziskas Vater. Franziska nennt sie ihr »zweites und […] besseres Ich«, ihren »Trost« und ihr »gutes Gewissen« (4/30). Hannahs sieht Franziskas Verbindung mit Petöfy mit Sorge, bleibt ihr aber treu ergeben, obwohl Franziska ihre Warnungen in den Wind schlägt. Selbst Franziskas Konversion, die ihr zutiefst missfällt und die sie für einen von ihrem Vater geerbten Opportunismus hält, nimmt sie hin: »Ich hab‘ dich nun ‘mal in mein Herz geschlossen, und weil ich Dich liebe, bleib‘ ich. Aber bei meinem lutherischen Katechismus bleib‘ ich auch.« (35/223)

Toldy

Gärtner und Diener auf Schloss Arpa, Vater von zwölf Kindern und seit einem Jahr Witwer. Anders als sein Herr hat er am ungarischen Unabhängigkeitskrieg 1848/49 teilgenommen und hegt gegen Wien und alles Österreichische einen glühenden Hass. Franziska besucht ihn schon bald täglich, hilft ihm, sein Hauswesen in Ordnung zu halten, und lernt alte ungarische Volkslieder kennen, die er mit seinen Kindern, sie auf der Geige begleitend, singt, darunter auch die Schauerballade von »Barcsai«. Als seine Jüngste, Marischka, vermisst wird, verliert er die Nerven und bittet den Grafen wortreich um Hilfe (vgl. 27/178 f.).

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