Pudagla, Gräfin Amelie (geb. von Vitzewitz)

Ältere Schwester von Berndt von Vitzewitz, Witwe, Tante von Renate und Lewin von Vitzewitz sowie von Kathinka und Pertubal von Ladalinski, deren Mutter eine Schwester ihres Mannes war. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts geboren, genoss sie eine französische Erziehung, heiratete 1770 den Grafen Pudagla, mit dem sie in Rheinsberg lebte, wo sie sechzehn Jahre lang die »Seele« der höfischen Gesellschaft um Prinz Heinrich von Preußen war (II, 2/163). Nach dem Tod ihres Mannes 1789 bezog sie im Frühjahr 1790 das im westlichen Oderbruch gelegene Schloss Guse, das ihr der Graf »sammt einem bedeutenden Baarvermögen« vermacht hatte (II, 2/168). Mit Prinz Heinrich, den sie nach Meinung ihres Bruders überschätzt (vgl. II, 7/215), blieb sie bis zu dessen Tod (1802) durch einen Briefwechsel in Verbindung. Eine mit den Jahren zunehmende, »fast zur Manie gewordene Abneigung« gegen Frauen hat zur Folge, dass ihr »Gesellschaftszirkel« in Guse nur aus Männern besteht (II, 2/171). Zum engeren Kreis, den ihr Bruder spöttelnd als »allerlei Freunde« bezeichnet (II, 2/172), gehören Drosselstein, Krach, Bamme, Pehlemann, Medewitz, Rutze und Faulstich (vgl. II, 3/172 f.).

Selbstverständnis und Weltbild der Gräfin sind ganz von den Jahren am Rheinsberger Hof, von ihrer Verbindung zu Prinz Heinrich und der französisch geprägten Gesellschaftskultur auf Schloss Rheinsberg bestimmt. Sie spricht vorzugsweise französisch, schwärmt für Henri IV. (vgl. II, 7/212-215), hält sich für aufgeklärt und liberal, zitiert unentwegt Montesquieu und Rousseau, bleibt aber Standesdünkeln verhaftet, ein Widerspruch, den sie immerhin selbst bemerkt (vgl. I, 17/144 f.). Als Witwe trägt sie, »dem Beispiele regierender Häuser folgend«, stets Schwarz und eine Stirnschneppe (II, 4/190). Da sie aller Aufgeklärtheit zum Trotz abergläubisch ist und an das Guser Hausgespenst, eine »schwarze Frau«, glaubt, lässt sie jeden Abend einen großen Trumeau-Spiegel in ihrem Schlafzimmer verhängen aus Angst, dass sie aus Versehen »ihrem eigenen Spiegelbilde zum Opfer fallen« könnte (II, 8/221 f.), was dann auch tatsächlich geschieht (s.u.).

Da sie kinderlos und also Erbtante ihrer Nichten und Neffen Vitzewitz und Ladalinski ist, wünscht sie nichts sehnlicher als eine Verbindung beider Familien durch eine Doppelheirat, die auch den »Herzenswünschen der Hohen-Vietzer Geschwister« entspricht (II, 4/191). Der beiden jungen Ladalinskis ist sie sich weniger sicher, wie sie ihrem Schwager nach dem Jahreswechsel schreibt (vgl. III, 3/42).

Sie stirbt Ende Januar 1813 vor Schreck: Ihr Zimmermädchen hatte vergessen, den Spiegel in ihrem Schlafzimmer zu verhängen (vgl. IV, 8/300). Lewin, der nach seinem Zusammenbruch noch krank im Bohlsdorfer Krug liegt, und Renate, die ihn pflegt, können an ihrer Beerdigung nicht teilnehmen, die streng nach den von ihr hinterlassenen Verfügungen (vgl. IV, 5/278 f.) vollzogen wird. Guse fällt an Berndt von Vitzewitz, der es in Absprache mit Geheimrat von Ladalinski Renate vererben will, sobald sie Tubal heiratet (vgl. IV, 8/301). Da Renate unverheiratet bleibt, übernimmt später Lewin das Gut bis zum Tod seines Vaters.