Buddenbrook, Thomas
Der älteste Sohn von Elisabeth und Johann (Jean) Buddenbrook junior, Bruder von Tony (Antonie), Christian und Klara (Clara) Buddenbrook, Ehemann von Gerda Buddenbrook (geb. Arnoldsen) und Vater von Hanno Buddenbrook. Thomas, 1826 geboren, tritt mit sechzehn als Lehrling ins väterliche Geschäft ein (II, 5., 81f). Er hat zwar breite Schultern, aber empfindsame Schläfen und Hände und ähnelt im übrigen seinem Großvater. Bald gewöhnt er sich an, sehr viele russische Zigaretten zu rauchen, und dabei bleibt er bis an sein Lebensende (III, 5., 126f.; IV, 10., 257).
Klasse und Geld trennen ihn von seiner Geliebten Anna, einer zarten, malaiisch wirkenden Blumenverkäuferin; er wird eines Tages eine »Partie« machen, geht aber zunächst in eine Firma nach Amsterdam (III, 15., 182 ff.). Dort erkrankt er schwer an einer Lungenblutung (IV, 7.). Sobald er genesen ist, tritt er ins väterliche Geschäft ein. Nach dem Tod des Vaters 1855 wird er Inhaber. Die Firma steht jetzt sehr gut da, das Kapital beträgt 750.000 Mark. Thomas setzt sich eine Million zum Ziel (V, 1., 280).
Nach seinem Onkel Gotthold übernimmt Thomas das Amt des niederländischen Konsuls. Er ist ein ernster, verantwortungsbewusster, noch junger Mann, der aber auch einen gewissen geschäftlichen Wagemut zeigt. Das »retardierende Moment« stellt Teilhaber Marcus dar (V, 3., 292).
Contenance ist ihm wichtig, er hasst Gefühlsäußerungen. Doch 1856 schreibt er enthusiastisch an seine Mutter aus Amsterdam, er liebe Gerda Arnoldsen und habe sich mit ihr verlobt (V, 7.) Nach der Hochzeit im Frühjahr 1857 zieht das Paar in die Breite Straße. 1861 wird der Sohn und Erbe Johann (Hanno) geboren.
Als Senator James Möllendorpf gestorben ist, wird Thomas, nach spannender Wahl zwischen ihm und Hermann Hagenström, in den Senat gewählt, weil er für Tradition steht (VII, 3., 4.).
Der Erzähler, der sich hier zum ersten Mal direkt und in der ersten Person über eine Person äußert (beginnend mit »Unsere Wünsche und Unternehmungen«.), beschreibt Thomas als allzu ehrgeizig und angestrengt; schon jetzt, mit kaum 37, lasse seine Spannkraft nach (VII, 5., 460).
Nun wird aber ein neues repräsentatives Haus gebaut. Es entsteht in der Unteren Fischergrube, gegenüber vom Blumenladen von Anna, jetzt Frau Iwersen – was Thomas nicht zu beschäftigen scheint. Anna hat inzwischen eine große und wachsende Familie. Iwersens besorgen den Blumenschmuck für das Richtfest, und dabei blickt Thomas Anna einmal »hell, fest und freundlich« in die Augen (VII, 5., 468). Das bleibt die einzige Kommunikation zwischen ihnen.
Nach dem Höhepunkt des Hausbaus und der Wahl zum Senator glaubt Thomas plötzlich nicht mehr an sein Glück. 1866 verliert die Firma 20.000 Taler durch den Bankrott einer Frankfurter Firma. Thomas entwickelt eine absurde Sparsamkeit und entlässt seinen Diener Anton (VIII, 4.). Selbstreflexion quält ihn, das wird aus seiner Innenperspektive erzählt – eine Erzählweise, die nur bei ihm und Hanno vorkommt. Einen Vorschlag von Tony, dem in finanzielle Bedrängnis geratenen Herrn von Maiboom die Kornernte »auf dem Halm« abzukaufen, weist er zunächst entrüstet zurück, um ihn dann zur eigenen Belebung doch anzunehmen. Am Tag des Firmenjubiläums, dem 7. Juli 1868, erfährt Thomas, dass Maibooms Ernte verhagelt ist (VIII, 5.).
Nach dem Tod der Mutter geraten Thomas und Christian in einen heftigen Streit. Christian wirft Thomas Kälte in bezug auf das Leiden anderer vor, und Thomas gesteht: »Ich bin geworden, wie ich bin, weil ich nicht werden wollte wie du« (IX, 2., 638). Christians Wesen sei eine Gefahr für ihn.
Nach der Beerdigung soll das Elternhaus verkauft werden. Thomas erinnert die untröstliche Tony an die Ratenkamps, die ausziehen mussten, als der Großvater es gekauft hatte. Sie »sind gestorben und verdorben. Alles hat seine Zeit.« (IX, 2., 643). Auch die Firma Buddenbrook ist im Rückschritt oder doch Stillstand begriffen, sie hat keinen Teil am Aufschwung der Gründerjahre. Immerhin besitzt Thomas noch 600.000 Mark Kapital. Er fühlt sich zunehmend leer, verödet, ohne Zukunft. 1874 ist er 48 Jahre alt und wirkt vorzeitig gealtert; seine Frau musiziert mit Leutnant von Throta und schließt ihn davon aus (VIII, 7.; X, 5.).
Sein Zustand erweckt in ihm ein Bedürfnis nach Denken, nach Wahrheit (X, 5., 721 ff.), und so sucht und findet er eines Tages das Buch eines ungenannten Philosophen (Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 2). Er liest erregt und überwältigt und hat nachts eine Vision vom Tod als Befreiung aus dem Gefängnis des Ich, von Verwandlung und Einssein mit allen Menschen – »Ich werde leben!«, denkt er in einem inneren Monolog (X, 5., 726).
Er macht sein Testament und fährt im September zur Erholung nach Travemünde. Sein Bruder Christian begleitet ihn unaufgefordert (X, 6.). Bei unaufhörlichem Regen findet sich im Kurhaus mit ihnen eine Gruppe resignierter Herren zusammen. Als vom neu gewählten Senator Lauritzen die Rede ist, dessen Vater noch einen Laden hatte, hält Thomas das für Missachtung der Tradition (X, 6., 735).
Ein entzündeter Zahn macht Thomas' Leben ein Ende: im Januar 1876 bricht er nach misslungener Extraktion auf der Straße zusammen und stirbt am selben Abend (X, 7.). Die Trauerfeierlichkeiten übertreffen alle bisherigen, die ganze Stadt ist schwarz beflaggt, Abordnungen aller Stände erscheinen im Hause, wo Senator Buddenbrook aufgebahrt liegt, eine Ehrenkompagnie begleitet die Feier bis zum Begräbnis (X, 9.).
Zum Vermögensverwalter hat Thomas seinen Schulfreund Stephan Kistenmaker bestimmt, der seine Sache nicht gut macht. Die Firma wird liquidiert, das Haus verkauft (XI, 1.).