E.T.A. Hoffmann: Das Majorat (1817)

Adelheid

Die Gesellschafterin Seraphines, »ein nicht mehr ganz junges Fräulein, aber sonst nicht häßlich und nicht ohne Geist« (217). 

Sie stellt ihrer Herrin den jungen Theodor vor, der sich sogleich in die Baronin verliebt. Die bedeutungsvollen Blicke, die sie Seraphine zuwirft, lassen vermuten, dass sie sich dessen bewusst ist (218). Sie wirkt tatkräftig an der Beschaffung eines Cembalos mit, und nachdem Theodor eine Weile darauf gespielt hat, bekniet sie ihre Herrin: »Seraphinchen, nun mußt du auch singen!« (223) 

Fortan ruft sie Theodor allabendlich zu Seraphine zum gemeinsamen Musizieren. Wenn die Stimmung allzu vertraut zu werden droht, springt sie »mit allerlei lustigem und etwas konfusem Zeug dazwischen« (225). Später jedoch erscheint sie Theodor wie eine »gemeine Kupplerin« (226). Als sie nach einem Kuss der beiden ins Zimmer tritt und den von »heißen Tränen« übermannten Theodor »verwundert und zweifelhaft lächelnd« betrachtet, konstatiert er: »ich hätte sie ermorden können« (232). 

Bruder, jüngster

Der jüngste Sohn von Freiherr Roderich von R. sen. und Bruder Wolfgangs und Huberts. Von ihm wird berichtet, dass er bereits zu Lebzeiten seines Vaters im Krieg gefallen ist (276). Seinem Schicksal folgt Hubert jun., womit das sagenhafte Unglück der Familie untermauert wird. 

Daniel

Ist schon der Hausverwalter des alten Roderich Freiherr von R. sen. und bleibt in dieser Funktion im Schloss, bis er wegen einer Krankheit von Franz dem Jäger abgelöst wird. Er ist der Mörder von Wolfgang, dem Erben Roderichs. 

Das Motiv dieser Tat war Rachlust, denn Wolfgang hatte ihn beim Antritt seines Erbes gekränkt. Dennoch verschaffte er seinem neuen Herrn Zugang zu den versteckten Schätzen des Ahnherrn, deren Geheimnis er als einziger Vertrauter Roderichs kannte: Mit »widrigem Lächeln« auf den Lippen, das sich »zum abscheulichen Grinsen« verzog, händigte er Wolfgang den Schlüssel zur Kammer mit der Goldtruhe aus und ließ ihn wissen, dass im Schutt des eingestürzten Turmes noch »viele tausend Goldstücke« vergraben seien (252). Fortan benahm er sich zwar »still und demütig gegen den Freiherrn« (255), aber in seinem »Innern kochte blutige Rache« (281). Er schmiedete mit Wolfgangs Bruder Hubert ein Mordkomplott. Gleichzeitig schien er sich täglich mehr zu verjüngen, so dass aus dem »Greise« wieder ein »rüstiger Mann« wurde (256).

Er hatte oft beobachtet, wie Wolfgang nachts am Abgrund des eingestürzten Turmes den Blick sehnsuchtsvoll auf die begrabenen Schätze heftete, von denen er gesprochen hatte. Um den Mord wie einen Unfall erscheinen zu lassen, lauerte er ihm eines Nachts auf und stieß ihn in den Abgrund. Danach brachte er Hubert, der von Skrupeln gepackt abreisen wollte, wie gewünscht das gesattelte Pferd, konnte ihn aber zum Bleiben überreden, weil der Mord schon geschehen war.

Von seiner Schuld verfolgt, schlich Daniel fortan bei Vollmond immer wieder als Schlafwandler durch das Schloss, wiederholte die Szenen der Mordnacht und kratzte sich an der – auf seinen eigenen Vorschlag hin – zugemauerten Tür zum Abgrund die Finger blutig. Mit diesen nächtlichen Auftritten brachte er den Advokaten V. auf die Spur seines Verbrechens, das er ihm schließlich in einem Schreiben eingestand. 

Seit der ersten Konfrontation mit V. war er schwer erkrankt, verweigerte die Nahrung und »starrte, wie festgeklammert von einem entsetzlichen Gedanken, mit Blicken, in denen sich der Tod malte, vor sich hin« (274). 

Seine Stelle wurde dem alten Jäger Franz übertragen und nach monatelangem Siechtum trat er, den »Jedermann in tiefer Krankheit ohnmächtig daliegend, nicht für fähig hielt ein Glied zu rühren«, doch noch einmal schlafwandelnd in den Gerichtssaal (278). Als Roderich jun., der sein Erbe inzwischen angetretten hatte, den Schlafwandler unwissentlich mit denselben Worten ansprach, mit denen sein Vater Wolfgang seinen Mörder angesprochen hatte – »Daniel! – Daniel! – was machst du hier zu dieser Stunde!« –, sank der Alte tot zu Boden (278). 

Seither spukt er in Vollmondnächten als Geist, die Handlungen der Mordnacht wiederholend, im Schloss umher. Auch dem Ich-Erzähler Theodor und V. begegnet er während ihres Aufenthalts. In der Folgenacht scheint der Advokat ihn zwar bannen zu können, aber ohne dauerhaften Erfolg, wie ein alter Bauer Theodor Jahre später zu erzählen weiß. 

Die Persönlichkeitsänderung des jungen Roderich wird ebenso wie der Tod Seraphines immer wieder mit der düsteren Stimmung des Schlosses und Daniels Spuk in Verbindung gebracht. 

Franz

Ein »abgelebter Jäger« und treuer Diener Wolfgangs und einer der wenigen, die dauerhaft auf dem Schloss R…sitten leben (200). Er übernimmt die Aufgaben Daniels nach dessen schwerer Erkrankung und dient noch unter Roderich jun. 

Sein »verschrumpftes, zum freundlichen Lachen sonderbar verzogenes Gesicht« begleitet die Fopperei, mit der er V.  und Theodor bei ihrer Ankunft auf dem Schloss begrüßt (203). Als er sie dann in ihr Quartier, den Rittersaal mit der zugemauerten Tür zum ehemaligen Astronomieturm, führt, deutet er die grausige Geschichte des Raumes an: »Hier ist ja wohl schon Gericht gehalten worden!« (205) 

Er versorgt die beiden während ihres Aufenthaltes und weiß auch »das Unerhörte und Ungesehene« herbeizuschaffen, wie Adelheid verkündet, als es darum geht, ein Musikinstrument aufzutreiben. Mit »behaglichem Schmunzeln« streicht er sich den Bart, ehe er ein Cembalo aus dem Dorf organisiert, mit dem Theodor und Seraphine fortan ihre musikalischen Abende verbringen (219).

Er ist es auch, der V. und Theodor aus dem Bett holt, als die Baronin vermeintlich im Sterben liegt. Er informiert die beiden weiter über ihren Zustand: »es hatte gar nicht viel zu bedeuten, die gnädige Frau Baronin sind wieder ganz munter, und schieben das bißchen Ohnmacht auf einen bösen Traum!« (236) 

Gottfried (Jäger)

Ist anwesend, als Theodors Schuss den Wolf verfehlt, und muss anschließend eine Standpauke des Freiherrn Roderich jun. über sich ergehen lassen, weil er den Wolf nicht augenblicklich unschädlich gemacht hat. Er versichert, dass er nicht habe schießen können, ohne Theodors Leben zu riskieren (227f.). 

Hubert, Baron jun.

Figur der R***schen Familiengeschichte, die der Advokat V. seinem Großneffen, dem Erzähler Theodor, berichtet, um die unheimlichen Geschehnisse während ihres Aufenthalts in R…sitten nachträglich zu erschließen.

Der Sohn von Hubert von R. eilte nach dem Tod seines Vaters herbei, um das »reiche Majorat in Besitz zu nehmen« (264). V. schien es, als würde der Junge alle »bösen Eigenschaften der Vorfahren« in sich vereinen, auch »er bewies sich als stolz, hochfahrend, ungestüm, habsüchtig« (264). Bei seiner Ankunft spielte er sich gleich als Herr auf, entließ Personal und versuchte den Kutscher zu verprügeln. Der Advokat V. versuchte, ihn in seinem Aktivismus zu bremsen, und musste ihn zuletzt des Gutes verweisen, mit dem Bescheid, dass das Testament noch nicht eröffnet sei und so lange alle Vollmachten bei ihm, dem Advokaten, lägen. 

Während der Testamentseröffnung gab Hubert sich betont »gleichgültig«, bis er erfuhr, dass er das Majorat gar nicht erben sollte (265). Mit »Grimm im glühenden Auge« verließ er wortlos den Gerichtssaal und focht das Testament bei der »Landesregierung in K.« (267) an. Als V. ihn mit den bisher geheimen Unterlagen seines Vaters konfrontierte, verzichtete er auf das Erbe und trat in Petersburg ins Militär ein. Er zog gegen die Perser in den Krieg und starb gleich in der ersten Schlacht (274f.).

Hubert, Freiherr von R. sen.

Figur der R***schen Familiengeschichte, die der Advokat V. seinem Großneffen, dem Ich-Erzähler Theodor, berichtet, um die unheimlichen Geschehnisse während ihres Aufenthalts in R…sitten nachträglich zu erschließen.

Der mittlere Sohn von Roderich sen., der jüngere Bruder von Wolfgang und Vater von Hubert jun.Seraphine und einem jüngeren Sohn, dessen Name nicht genannt wird.

Wegen der Majoratsstiftung, die ihn als Zweitgeborenen von großen Teilen des Erbes ausschloss, war er voll »unversöhnlichen Hasses« gegen seinen älteren Bruder. Mit dem Hausverwalter Daniel versuchte er, gegen Wolfgang zu intrigieren, und ließ sich als scheinbar »tätiger Helfershelfer« vom Vater einspannen, um die Verbindung zwischen Wolfgang und Julie von St. Val zu zerstören nicht zuletzt, weil »er selbst sträfliche Neigung zu Julien gefaßt und sie für sich zu gewinnen hoffte« (279). 

Er heiratete dann ein anderes »schönes, armes Fräulein« (258) und tauchte nach dem Tod des Vaters in R…sitten auf, um Geld zu fordern (wie sich später herausstellt, wurde er vom Hausverwalter Daniel mit der Aussicht auf große Geldsummen geködert). Sein Bruder Wolfgang, der ihn für einen Verschwender hielt, bot ihm an, ihm seine Einkünfte aus Curland zu überlassen (258). Doch Hubert lehnte ab, weil dieses Angebot an den Unterhalt seiner Frau und seiner Kinder gebunden werden sollte, die nach Wolfgangs Aussage in Armut lebten. 

Auch der Advokat V. bemerkte eine »besondere unheimliche Manier Huberts in allem, was er sprach und tat« (259f.). Tatsächlich hatte er sich mit dem rachsüchtigen Daniel zusammengeschlossen und plante mit ihm den Mord an Wolfgang, wie Daniel später bekennen sollte. Als Wolfgang ihn mit einer Barzahlung zur Abreise bewegen wollte, plagten ihn Gewissensbisse und er sah tatsächlich seine Abreise für dieselbe Nacht vor (282).  Aber Daniel, der Wolfgang inzwischen ermordet hatte, überredete ihn zum Bleiben.

Beim Anblick des toten Wolfgang klagte Hubert reumütig: »nein, das hab’ ich nicht erfleht von den Teufeln, die über mir waren!« (262) Das Majorat riss er trotzdem an sich, indem er die Existenz des legitimen Erben, Wolfgangs Sohn Roderich jun. verschwieg. Später bereute er diesen Entschluss, sorgte für den Unterhalt des Jungen und verfügte, dass das Erbe nicht seinen Söhnen, sondern dem legitimen Erben zukommen sollte (266f.). 

Ich (Theodor)

Der Ich-Erzähler verbringt eine spätherbstliche Jagdsaison mit seinem Großonkel V. in R…sitten, verliebt sich in die Baronin Seraphine und wird Zeuge des Spuks des toten Daniel. Die Hintergründe der unheimlichen Geschehnisse erfährt er erst später von seinem Großonkel, dessen Erzählung er »beinahe mit seinen Worten« wiedergibt (246). 

Gerade mal »zwanzig Jahr alt«, soll er als Gehilfe seinem Onkel in R…sitten beistehen (207). Die unheimliche Stimmung des Ortes erfasst ihn augenblicklich und wird mit dem »Engel des Lichts« Seraphine kontrastiert, in die er sich auf Anhieb verliebt (215). Die Liebe zur Musik bringt die beiden einander näher, unterstützt von Seraphines Gesellschafterin Adelheid und dem Kastellan Franz, der ihnen ein »Clavizimbel« (Cembalo) beschafft (219ff.). Seraphine ist von Theodors Spiel so begeistert, dass sie ihn nun allabendlich von Adelheid rufen lässt. 

Auf der Jagd hat er unterdessen unerwartetes Glück: Nachdem sein Schuss einen Wolf verfehlt hat, gelingt es ihm, das angreifende Tier im letzten Moment mit den Dolch zu erlegen. So kommt er vor dem Baron zu Ansehen und glaubt, das Recht zu haben, »um Seraphinens Gunst« zu werben (228). In der folgenden Unterhaltung mit ihr kommt die Sprache auf den Geisterspuk, und Theodor versucht, sie zu beruhigen: Er erzählt von der Geisterbannung durch seinen Großonkel und spielt auf dem Cembalo ruhige Töne, bis die tief bewegte Serpahine ihn küsst. 

Er weiß um die Aussichtslosigkeit seines Begehrens, fällt seinen Affekten dennoch immer wieder zum Opfer, vor allem als Seraphine vermeintlich im Sterben liegt. V. weiß sich angesichts des aufgebrachten »Vetters« – wie er ihn nennt (202) – nicht mehr anders zu helfen, als ihn im Zimmer einzusperren. Theodor droht in seiner Rage sogar, sich mit der Büchse umzubringen, lässt sich aber von V. besänftigen (234). 

Von Roderich zur Rede gestellt, erwartet er in seinem jugendlichen Überschwang eine tätliche Auseinandersetzung aus Eifersucht und fühlt sich in seiner vermeintlichen Liebhaberrolle gekränkt, als Roderich ihn stattdessen auffordert, die geschwächte Seraphine mit seiner Musik zu heilen. Er sieht sich zu einem Mittel degradiert, das der Baron »braucht und wegwirft, wie es ihm beliebt« (241). Am darauffolgenden Tag reist der Onkel mit ihm ab. 

Zu Hause pflegt er den plötzlich erkrankten V., bis dieser ihm – in Erwartung seines baldigen Todes – die gesamte Geschichte des R***schen Majorats und von Seraphines Tod erzählt. Diese Schilderung trägt er »so treu im Gedächtnis«, dass er sie »beinahe« mit dessen Worten wiederzugeben vermag (246). 

16 Jahre nach dem Tod von Freiherr Roderich jun. steht Theodor vor den zerfallenen Überresten des Schlosses, aus dessen Steinen der – ehemals von Roderich sen. testamentarisch verfügte – Leuchtturm errichtet worden ist, und beklagt den Stifter des Majorats als unfreiwilligen Urheber des Familiendramas: »Armer alter, kurzsichtiger Roderich! welche böse Macht beschworst du herauf, die den Stamm, den du mit fester Wurzel für die Ewigkeit zu pflanzen gedachtest, im ersten Aufkeimen zum Tode vergiftete« (284).

Julie St. Val (verh. Born)

Heimliche Ehefrau von Wolfgang von R. 

Obwohl ihre Familie »von gutem Adel« war, war sie »sehr arm« (68). Wolfgang verliebte sich in das Fräulein und nahm eine Identität als Kaufmann namens Born aus, weil sein Vater die Heirat niemals gestattet hätte. 

Der gemeinsame Sohn, den sie etwa ein Jahr später bekam, wusste ebenso wenig wie sie von der Herkunft Wolfgangs und konnte deshalb von Hubert um sein Erbe betrogen werden. Sie starb als Frau Born, »trostlos über das unbegreifliche Verschwinden ihres Mannes«, der selbst verstarb, ehe er ihr die Wahrheit erzählen konnte (83).

Kammerfräulein (Mütterchen)

 Ein »sechzigjähriges gebeugtes, in bunte Seide gehülltes Mütterchen«, das sich selbst »Kammerfräulein« der alten Schwestern nennt. Sie führt den Erzähler Theodor und seinen Großonkel, den Advokaten V., zu den alten Tanten (209). 

Roderich, Freiherr von R. jun. (Roderich Born)

Sohn von Wolfgang Freiherr von R., verheiratet mit Seraphine und Gastgeber der alljährlichen Jagdgesellschaft, an der auch der Erzähler Theodor und sein Großonkel, der Advokat V., teilhaben. 

Er ist der geheim gehaltene Sproß aus der vom Großvater Roderich sen. missbilligten Ehe zwischen Wolfgang und Julie von St. Val. Wolfgang hatte heimlich geheiratet und sich bei der Hochzeit als Kaufmann namens Born ausgegeben, weshalb Roderich seine Kindheit mit seiner Mutter unter diesem Namen in Genf verlebte, unwissend, wer sein Vater wirklich war. 

Sein Onkel Hubert behielt dieses Geheimnis nach Wolfgangs Ermordung für sich und trat das Erbe des Majorats an. Jahre später machte er, von Gewissensbissen geplagt, den Jungen ausfindig, sorgte im Verborgenen für seinen Unterhalt und setzte ihn testamentarisch zum Erben ein, so dass Roderich erst nach dem Tod des Onkels von seiner Herkunft erfuhr. 

Eines Nachts, Roderich und der Advokat V. arbeiteten an den Rechnungsbüchern, betrat der todkranke und schlafwandelnde Hausverwalter Daniel den Rittersaal. Unwissend sprach Roderich ihn mit den letzten Worten seines Vaters – »Daniel! – Daniel! – was machst du hier zu dieser Stunde!« – an, worauf dieser tot zusammenbrach (278). Roderichs Schuldgefühle milderte V. mit der Aufklärung über Daniels Mord an Wolfgang und dem Resümee: »Die ewige Macht ließ den Sohn Rache nehmen an dem Mörder des Vaters« (278).

Nach diesen Eröffnungen wollte auch Roderich nicht länger in dem Stammschloss leben und ging mit seiner Frau (und Cousine) Seraphine auf seine Güter in Curland. Nur einmal jährlich, im späten Herbst, hält er sich für kurze Zeit im Schloss auf, um mit der Unterstützung des alten Advokaten V. die wichtigsten Verwaltungsangelegenheiten zu erledigen, und das Leben kehrt mit einer großen Jagdgesellschaft für kurze Zeit in das Schloss zurück. In einer Jagdsaison in den 1790er Jahren spielt die Rahmenhandlung, in der der Erzähler Theodor mit seinem Großonkel V. auf dem Spukschloss weilt, dem Geist Daniels begegnet und sich in Seraphine verliebt. 

Der Advokat hat Roderich als »sanftmütigen, beinahe weichlichen Jüngling« kennengelernt, dann aber beobachtet, dass er mit der Zeit immer mehr das Wesen seiner Vorfahren angenommen hat (202). Und tatsächlich verhält sich der junge Freiherr Theodor gegenüber äußerst ruppig und wie ein »rauher Despot« (220), während er dem Advokaten V. eine »gewisse kindliche Ehrfurcht« entgegen bringt (214). 

Als seine Frau Seraphine einen Schwächeanfall erleidet, beschuldigt er Theodor, diesen »Nervenzufall« durch sein Cembalospiel verursacht zu haben. Mit den »schmachtelnden Pinseleien am Klavier, das so kein Mann spielen sollte«, habe der junge Mann es darauf angelegt, Seraphine »methodisch zu Tode zu quälen« (239). Dass Theodor in Seraphine verliebt ist, scheint er nicht zu bemerken.

Theodor reist am Folgetag mit V. ab und erfährt erst im folgenden Sommer, dass sich zwei Tage nach ihrer Abreise ein Schlittenunfall ereignete, bei dem Roderich aus unerklärlichen Gründen die Kontrolle über den Schlitten verlor und Seraphine zu Tode kam: »Der Freiherr kann sich nimmer trösten, seine Ruhe ist die eines Sterbenden«, schließt V. die Familiengeschichte der Freiherrn zu R. (283). Viele Jahre später erfährt Theodor bei einem Besuch der Schlossruine, dass Roderich erbenlos gestorben und das Majorat an den Staat gefallen ist. 

Roderich, Freiherr von R. sen.

Figur der R***schen Familiengeschichte, die der Advokat V. seinem Großneffen, dem Ich-Erzähler Theodor, berichtet, um die unheimlichen Geschehnisse während ihres Aufenthalts in R…sitten nachträglich zu erschließen.

Roderich war der älteste Freiherr von R. und Vater von drei Söhnen. Um die Familie an das R…sittensche Anwesen zu binden und dieses vor Zersplitterung zu schützen, bestimmte er es zu einem Majorat und griff so radikal in die Erbschaftsverhältnisse zugunsten des Erstgeborenen ein. Der Ich-Erzähler sieht in dieser Stiftung die Ursache allen Unglücks, das sich bis zum gleichnamigen Enkel des Ahnherrn durch die Familiengeschichte gezogen hat: »Armer alter, kurzsichtiger Roderich! welche böse Macht beschworst du herauf, die den Stamm, den du mit fester Wurzel für die Ewigkeit zu pflanzen gedachtest, im ersten Aufkeimen zum Tode vergiftete« (284). 

Im Dorf war Roderich selten zu sehen und lebte mit seinem Hausverwalter Daniel und wenigen Bediensteten auf dem Stammschloss nahe der Ostsee. »Die Gegend ist rauh und öde«, was dem »finstern, menschenscheuen Wesen« des Freiherrn entsprach (199). Mit dem Diener Daniel verbrachte er Nächte mit »astronomischer, oder, wie man wissen wollte, mit astrologischer Arbeit«  in seinem astronomischen Turm, was ihm den Ruf einbrachte, der »schwarzen Kunst« ergeben zu sein (200). 

Der Justitiar V. kennzeichnet ihn als stur, denn »kein menschliches Wesen auf der Welt« sei in der Lage gewesen, »des alten Freiherrn Entschlüsse nur einigermaßen zu lenken«. Die Ehe seines ältesten Sohnes Wolfgang mit der adligen, aber armen Julie von St. Val lehnte er strikt ab, weil er in den »Gestirnen« eine »Verbindung mit einer der ältesten Familien des Vaterlandes« vorhergesehen hatte (279). Selbst nach der heimlichen Hochzeit versuchte er, Wolfgang zur Lösung dieser Beziehung zu zwingen. Der Alte starb 1760 beim Einsturz seines Astronomieturmes. Die näheren Verhältnisse des Unglücks blieben mysteriös, zumal er seinen Tod vorhergesehen hatte.

Schwestern

Zwei unverheiratete Schwestern Wolfgangs von R., denen Wolfgangs Sohn Roderich jun. auf dem Stammschloss Unterkunft und Unterhalt gewährt. Neben einer Dienerin, einem Koch und dem Kastellan Franz sind sie zu der Zeit von Freiherr Roderich von R. jun. die einzigen, die dauerhaft auf dem Stammschloss leben. 

Mit »seltsamen hochaufgetürmten Frisuren« und »gelbverschrumpften Gesichtern« sowie »eingekniffenen blauen Lippen« und »spitzen Nasen« fügen sie sich in Theodors Wahrnehmung in die unheimliche Atmosphäre des Schlosses ein (210). 

Seraphine

Tochter von Freiherr Hubert von R. sen. und zum Zeitpunkt der geschilderten Jagdsaison Ehefrau des gegenwärtigen  Freiherrn Roderich von R. jun. Der Erzähler Theodor verliebt sich in sie und bezaubert sie mit seiner Musik. 

Theodor beschreibt die etwa neunzehnjährige als »Engel des Lichts« und »wunderherrliche Frau«, deren Gesicht »ebenso zart, wie ihr Wuchs« ist (215). In ihren dunklen Augen liege eine »schwermütige Sehnsucht« (215). Gelegentlich huschen »düstre Wolkenschatten über ihr holdes Antlitz«, was Theodor mit dem Spuk im Haus in Verbindung bringt (215). 

Als sie erfährt, dass Theodor auch Musiker ist, gesteht sie ihm, wie sehr sie die Musik auf dem düsteren Schloss vermisse: »O mein Gott! wie würde mich hier Musik erfreun!« (218) Gemeinsam mit ihrer Gesellschafterin Adelheid und dem alten Kastellan Franz wird einiges daran gesetzt, ein »Clavizimbel« (Cembalo) beizuschaffen und zu reparieren (219ff.). 

Bereits bei den ersten Tönen, die Theodor spielt, werden ihre Blicke »leuchtender und leuchtender« und sie lässt sich von Adelheid dazu überreden, selbst zu singen (222). Fortan lässt sie ihn jeden Abend von Adelheid zum Musizieren rufen, bald führen die beiden auch längere Gespräche. 

Von ihrem Mann spricht sie sehr liebevoll und besorgt. Sie spürt, dass sowohl der Aufenthalt in »diesen finstern, unheimlichen Mauern« als auch die Jagd »etwas Zerrissenes in sein Leben« bringen, das auch sie selbst affiziert (230). Theodor versucht sie mit der Schilderung von V.’s Geisterbannung und mit Musik zu beruhigen. Wie berauscht tritt sie auf ihn zu, es kommt zu einem Kuss. Schnell fasst sie sich wieder und wünscht ihm Lebewohl, er dürfe aber nicht vergessen, dass seine Musik noch lange in ihrem »Innern widerklingen« werde (232). In der folgenden Nacht wird sie von einem so heftigen »Nervenzufall« (239) heimgesucht, dass Franz glaubt, sie läge im Sterben (233). Aber am folgenden Tag erscheint sie »im zierlichen Morgenkleide« wieder bei Tisch, und Theodor findet sie in ihrer sinnlichen Fragilität »schöner als jemals« (241). 

Der Erzähler reist mit V. am Folgetag ab und erfährt erst ein Jahr später, dass Seraphine zwei Tage nach ihrer Abreise bei einer Schlittenfahrt tödlich verunglückt ist, den Schrei – »der Alte ist hinter uns her« – auf den Lippen, womit sich der Kreis zum spukenden Geist wieder schließt (283). 

V., Theodor (Advokat, Justiziarius)

Der Aufenthalt des siebzigjährigen Advokaten und seines Großneffen, des Erzählers Theodor, auf dem Stammschloss der Freiherrn von R. im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts liefert die Rahmenhandlung, zu deren Erhellung er Theodor später die Geschichte der Familie von R. erzählt, die dieser »beinahe mit seinen Worten« wiedergibt.

Der Alte regelt als Advokat die Angelegenheiten der Familie von R. seit den Zeiten des alten Roderich. Nach dessen Tod hatte er versucht, zwischen den zerstrittenen Brüdern Wolfgang und Hubert zu vermitteln, war aber bald zu dem Schluss gekommen, dass die »besondere unheimliche Manier Huberts in allem, was er sprach und tat«, die Ablehnung Wolfgangs rechtfertigte (259f.). 

Nach Wolfgangs Tod war er von dessen Bruder und (unrechtmäßigem) Erben Hubert sen. in seinem Amt bestätigt worden, und nach Huberts Tod oblag es ihm, den testamentarisch als legitimen Erben offenbarten Roderich jun. zu seinem Recht zu verhelfen. Dabei kam er dem Mord an Roderichs Vater Wolfgang von R. auf die Spur, auf die ihn der Mörder selbst, der alte Hausverwalter Daniel, mit seinen Schlafwandeleien gebracht hatte. Als bald darauf der junge Schlossherr den erneut schlafwandelnden Daniel mit denselben Worten ansprach, mit denen sein Vater seinen Mörder angesprochen hatte, und Daniel daraufhin tot zusammenbrach, klärte V. den entsetzten Roderich über Daniels Mordtat auf: »Die ewige Macht ließ den Sohn Rache nehmen an dem Mörder des Vaters« (278). 

Von Theodor, der ihn bei seinem letzten Besuch auf dem Stammschloss im Herbst 179- begleitet, wird V. für seine »derben Späße« gleichermaßen geschätzt wie gefürchtet (244). In der ersten Nacht im Schloss erlebt V. die Geistererscheinungen, die sein Großneffe als Spuk wahrnimmt, gleichzeitig als Traum und beschließt, den Geist des toten Daniel zu bannen, was ihm in der folgenden Nacht  gelingt (207ff.). 

Für die Verliebtheit seines Großneffen zeigt er Verständnis, mahnt ihn aber beständig, sich nicht in diese aussichtslose Liebe zu versteigen und sich zu blamieren. Als Seraphine vermeintlich im Sterben liegt, sperrt er ihn kurzerhand im Zimmer ein, damit Theodor nicht versucht, den »liebelnden Schäfer« am Totenbett neben dem Ehemann zu geben (234). Am darauffolgenden Tag beschließt er die Abreise der beiden. 

Zu Hause erkrankt er schwer, nachdem er die Nachricht von Seraphines Tod erhält. Sein drastisch schwankender Gesundheitszustand veranlasst ihn, sich »von jedem Geschäft ganz zurück zu ziehen« (244). Im folgenden Sommer – seinen nahenden Tod erwartend – berichtet er seinem Großneffen vom Tod der Baronesse und erzählt ihm die Geschichte des R***schen Majorats.

Wolfgang, Freiherr von R. (Wolfgang Born)

Figur der R***schen Familiengeschichte, die der Advokat V. seinem Großneffen, dem Ich-Erzähler Theodor, berichtet, um die unheimlichen Geschehnisse während ihres Aufenthalts in R…sitten nachträglich zu erschließen. 

Gleich nach dem Tod seines Vaters Roderich (sen.) beschloss Wolfgang R…sitten zu verlassen und ein neues Schloss in Kurland zu bauen, obwohl die Majoratsstiftung des Vaters genau das verhindern sollte. Auch weigerte er sich, die testamentarisch festgelegten Ausgaben für das Stammschloss und die Erbauung eines Leuchtturms zu tätigen. Bereits zu Roderichs Lebzeiten widersetzte Wolfgang sich dessen Plänen, indem er heimlich – unter dem Namen Wolfgang Born – die adlige, aber arme Julie von St. Val heiratete. 

Auch drohte er, den alten Hausverwalter Daniel zu entlassen, weil er sich nicht von »unbehilflichen, schlotterbeinigen Greisen« bedienen lassen wolle (52). Als dieser schwachen Widerspruch erhob, machte er ihm Vorwürfe, Schuld am Tod seines Vaters zu tragen, und trat ihn in seinem Jähzorn zu Boden. Diese Demütigung bereute er aber sehr bald schon, da ihm bewusst wurde, dass er Daniels Hilfe benötigte, um vermutete Schätze des Vaters finden zu können. Er schmeichelte sich nun bei Daniel ein, und tatsächlich zeigte dieser ihm eine Truhe voll Gold. Darüber hinaus deutete der Hausverwalter an, dass Reichtümer im eingestürzten Turm vergraben seien. Angesichts der vielen Geldsäcke entging ihm Daniels merkwürdiges Verhalten, das ihn hätte warnen können.

Während der Planung seines neuen Schlosses, das »reich« und »großartig« werden sollte, besserte seine Laune sich zusehends, bis sein jüngerer Bruder Hubert auftauchte. Wolfgang erzählte V. bei dieser Gelegenheit, dass dieser ihn wegen des Erbes beneide, ja sogar hasse. Der seiner Meinung nach »wahnsinnigste Verschwender« bekommt von ihm auch kein Bargeld (60). Er zeigte sich allerding bereit, auf seine Einkünfte in Kurland zu verzichten, wenn diese zugunsten von Huberts Familie festgeschrieben würden, was dieser aber ablehnte. 

Hubert, der sich abgelehnt und zurückgesetzt fühlte, schloss mit dem immer noch rachsüchtigen Daniel einen Pakt: Die beiden wollten Wolfgang »wegschaffen« (83). Hubert bereite diesen Plan schnell, Daniel aber hielt am Plan fest, verübte den Anschlag und stieß Wolfgang, der des Nachts oft am Abgrund des eingestürzten Turmes sehnsuchtsvoll nach den vermeintlichen Schätzen in der Tiefe blickte, hinab. 

Wolfgang wollte erst das Schloss so schön wie nur möglich herrichten, ehe er ihr seine wahre Identität preisgeben und seine heimliche Frau nachholen wollte. Da er das nicht mehr erlebte, war es Hubert ein Leichtes, den noch inoffiziellen  Sohn Roderich (jun.) weiterhin zu verschweigen und an seiner statt als rechtmäßiger Erbe aufzutreten (82). 

© Tanja Begon 2012 – Alle Rechte vorbehalten.