Israel (Jisrael)
»Jisrael, ›Gott führt Krieg‹« (IV, 95) ist der Name, den Jaakob sich durch den mysteriösen Kampf am Jabbok erringt, von dem er fortan aus der Hüfte hinkt (IV, 95 f.; vgl. Mann, der eigentümliche). Der Name ist »keine Erfindung seines eigentümlichen Gegners«, denn, so der Erzähler, Israel, »Gottesstreiter«, habe sich schon zu Zeiten Abrahams ein »räuberisch-kriegerischer Wüstenstamm von äußerst ursprünglichen Sitten« genannt (IV, 130), der einem nicht minder kriegerischen Gott, Jahu, huldigte. Einzelne Gruppen dieses Stammes waren dann aber »durch geistliche Werbung und Verständigung zu einem Bestandteil von Abrahams Glaubenssippe geworden«, was nicht nur ihrem wüstenhaften Gott Jahu, sondern auch ihrem Stammesnamen »eine große theologische Laufbahn« verhieß (IV, 131 f.).
Der Name ›Israel‹ steht nämlich »ebenjetzt, eben zu der Zeit, in die wir eingetreten sind« (IV, 130), im Begriff, zum Namen des Volkes Gottes zu werden. Denn Jaakob hat beschlossen, den Namen »nicht auf seine Einzelperson allein zu beziehen, sondern ihm eine weitere und größere Meinung zu geben«. Israel sollte alles genannt sein, »was zu ihm [...] gehörte, die Sippe, der Stamm, das Volk, dessen Zahl wie der Sterne Zahl sein sollte und wie des Sandes am Meer« (V, 1544).
Durch Jaakobs Beschluss wird der Name ›Israel‹ zugleich auch zum »unterscheidenden Merkmal reineren und höheren Ebräertums, zur Kennzeichnung von Abrahams geistigem Samen« (IV, 132). Um ein solches namentliches Kennzeichen war Abrahams »geistige Sippschaft« lange verlegen gewesen, denn sie musste die Stammesbezeichnung Ebräer mit »den Söhnen Moabs, Ammons und Edoms« teilen (IV, 130). Durch Jaakobs Kampf am Jabbok haben die »Chabiren oder Ibrim im engeren Sinne« einen eigenen Namen, sie sind und heißen nun »bene Israel«, Söhne Israels (IV, 158).
In Jaakobs Vorstellung ist Israel ein ›elfköpfiger Löwe‹, nach der Zahl seiner Söhne, denn »Joseph war tot« (V, 1545). Was immer die »Elfe, um ihre Tierkreiszahl gebracht durch früh gegründeten und immer seienden Bruderzwist«, auf dem Gewissen haben mögen, bleiben sie doch Israel, denn »das wußte Jaakob, lange bevor es geschrieben stand – und es steht nur geschrieben, weil er es wußte –, daß Jisrael, auch wenn es gesündigt hat, immer Israel bleibt« (V, 1544 f.).
Gott hat sich dem Stamm Israel verlobt »im Fleische durch den Bund Abrahams«, so belehrt Joseph seinen kleinen Bruder Benjamin, »er ist uns ein Blutsbräutigam voller Eifer und Israel die Braut« (IV, 458). Das Bewusstsein bräutlichen Aufgespartseins prägt – in stark individualisiertem Sinn – Josephs Selbstverständnis; es findet im Tammuz-Mythos sein ›Muster‹ (vgl. auch V, 1128).
Der Mann auf dem Felde fordert Joseph barsch auf, »den guten Jaakob« vor ihm »nicht ›Jisrael‹ zu nennen«, das sei »unschicklich« und ihm »ärgerlich«. Joseph möge seinen Vater bei seinem »natürlichen Namen« nennen und »hochtrabende Bezeichnungen« unterlassen. Als Joseph sich gekränkt zeigt und den »in schwerem Sieg« errungenen Ehrennamen verteidigt, spöttelt der Fremde: »›Ein artiger Sieg, von dem einer aus dem Hüftgelenk hinkt sein Leben lang und trägt zwar einen Namen davon, aber nicht gerade dessen, mit dem er rang‹« (IV, 539). Dann besinnt er sich ganz unvermittelt: »›laß es gut sein und nenne deinen Vater nur Jisrael – bitte sehr. Es hat seine Richtigkeit, und meine Widerrede entfuhr mir nur so‹« (IV, 540). Aber beim Wiedersehen auf der Reise durch die Wüste von Gaza zur Feste Zel kann er sich der leisen Spöttelei doch nicht ganz enthalten und nennt Jaakob den »sogenannten Israel« (IV, 705).