Melech (Melek, Melkart, Moloch, Molech)
Melech oder Moloch nennen die Jaakobsleute den höchsten Gott der kanaanäischen ›Baalsdiener‹: Er ist »der Baale Stierkönig« (IV, 104, 107, 190, 417), »der mit seinem Feuer die Kinder frißt und die Erstgeburt« (IV, 190 f.) und dem die Männer in Tyrus, wo er ›Melek-Baal‹ oder »›Melkart‹, Stadtkönig« (V, 1732) heißt, »ihren Samen darbrachten in augenverdrehender Narrheit und Todesschamlosigkeit« (IV, 434 f.). Für Jaakob ist die Anbetung des Melech der Inbegriff von »Baalsunflat«, »Sakralhurerei« und »Aulasaukaulala« (IV, 417).
Melech ist ein ›Roter‹ (IV, 192) wie Typhon und der ägyptische Set, mit dem er gleichgesetzt wird (IV, 190). Als ein Kinder verschlingendes Ungeheuer korrespondiert er mit Kronos, der, weil er fürchtete, von einem Sohn gestürzt zu werden (wie sein Vater Uranos durch ihn), seine Kinder verschlang (IV, 191 f.).
Die vereitelte Opferung Isaaks wird daher nicht nur als Moloch-Opfer, sondern auch als Wiederholung des Kronos-Mythos postuliert: »Offenbar war er [Abraham] der schwermütigen Ansicht, er müsse auf dieser Geschichte fußen und dieses Schema erfüllen. Gott aber verwehrte es ihm« (IV, 192).
Dieser Ansicht sind jedenfalls Joseph und sein Erzähler. Sie deuten Abrahams Bereitschaft, Isaak zu töten, nicht, wie Jaakob (IV, 105 f.) und die Bibel (Gen. 22,12), als Beweis seiner Gottestreue, sondern gerade umgekehrt als eine von Gott inszenierte Versuchung zum Baalsdienst, der Abraham erlag (IV, 107): Er wollte den geliebten Sohn »dem roten Moloch« opfern (IV, 192). Die Prüfung, die »den Abraham zu Ende bestehen zu lassen er [Gott] nicht gesonnen gewesen ist« (IV, 107), hat Abraham demnach also nicht bestanden, vielmehr hat Gott ihn in letzter Sekunde vor einem Rückfall in ›Baalsgreuel‹ bewahrt.
Jaakob sieht das anders und hält das Kinderopfer, wenn es denn von Gott gefordert wird, schon aus Eifersucht für seinen Gott für gerechtfertigt: Denn, so entgegnet er einem zweifelnden Einwurf Josephs, »ist Er geringer als Melech, der Baale Stierkönig, dem sie der Menschen Erstgeburt bringen in der Not und überliefern bei heimlichem Fest die Kindlein in seine Arme? Und darf er nicht fordern von den Seinen, was Melech fordert von denen, die ihn glauben?« (IV, 104)
Juda, der trotz seines Widerwillens gegen die Kanaanäer und ihren Baalsdienst eine Kanaanäerin heiratet, nennt seine missratenen Söhne 'Er und Onan »Molechnarren« (IV, 493) und Thamar, seine Schwiegertochter, in deren Armen beide Söhne früh sterben, »Moloch« (V, 1569).
Nach Jeremias I (248) ist ›Molek‹ nicht Name eines bestimmten Gottes, sondern wie Baal (und in Babylonien Bel) Bezeichnung des »betreffenden summus deus des Landes«. In diesem Sinne verwendet Jaakob die Bezeichnung »Melkart« (›Melkart von Tyrus‹; V, 1732), die TM wohl ebenfalls von Jeremias (I, 252) übernommen hat. Jeremias vermutet, dass der ›greuliche Moloch‹ zu guten Teilen auf Übertreibung beruht und »dem Abscheu der Israeliten vor der heidnischen Religion zuzuschreiben« ist (I, 248). – Zum Moloch der Bibel, seiner mutmaßlich phönizischen Herkunft und zu den Moloch dargebrachten Kinderopfern vgl. Pauly (III, 1399) und Rienecker/Maier (1082 f.).