Poggenpuhl, Sophie Pogge von

Die zweitälteste Tochter der Familie hat etwas, »was die Poggenpuhls bis dahin nicht ausgezeichnet hatte: Talente« (1/10). Sie musiziert, malt, zeichnet, schreibt Gedichte zu Familienfesten, weiß überdies, wie man einen Hasen spickt, und bewährt sich auch als Nachhilfelehrerin, die »nicht einmal vor Physik und Spektralanalyse« zurückschreckt (1/11). Für die gewinnbringende Anwendung dieser Talente sorgt Manon, die ihrer Schwester in den meist kinderreichen Bankiersfamilien, in denen sie verkehrt, regelmäßig Aufträge verschafft. Auf diese Weise ist Sophie zur »Hauptstütze der Familie« geworden, die die kleine Witwenpension der Majorin regelmäßig aufbessert. Anders als ihre ältere Schwester Therese ist sie frei von Standesdünkel, hält es mit dem ›Natürlichen‹ und weiß: »Das Herz bleibt doch die Hauptsache.« (10/83) Das alte Dienstmädchen der Poggenpuhls, Friederike, urteilt kurz und bündig: »Sophiechen ist ein Prachtstück« (5/34).

In Adamsdorf, wo sie sich auf Einladung von Onkel und Tante mehrere Monate, von Januar bis September, aufhält, bekommt ihr künstlerisches Talent größere Aufgaben. Anders als ursprünglich geplant (sie sollte das Poggenpuhlsche Wappen für neue Wappenteller malen), wird sie mit der Ausmalung der protestantischen Kirche des Dorfes betraut (vgl. 10/82), was sie »stolz und glücklich« macht (10/79). In Briefen berichtet sie der Mutter von ihrem Leben in Adamsdorf (vgl. Kap. 10 und 12). Als der Onkel am Sedanstag (2. September) an Typhus erkrankt, übernimmt sie »trotz Widerspruch des Arztes« die Pflege (13/100). Nach seiner Beerdigung fährt sie mit der Mutter und den Schwestern nach Berlin, wird aber, dem Wunsch der Tante folgend, schon bald nach Adamsdorf zurückkehren. »Sophie, so äußerte sich die Tante, sei so gut und so klug und so bescheiden, daß ihre Nähe ihr ein Bedürfnis geworden sei« (14/110). Bemerkungen Josephines gegenüber der Majorin lassen annehmen, dass sie ihre »teure Sophie« vermutlich als Erbin ihres kleinen Privatvermögens einsetzen wird (14/113).

Sophie malt ›nach der Natur‹, bezieht ihre Bildmotive aus eigenen Anschauungen (vgl. z.B. 12/94, 97), und ihre brieflichen Berichte vom Fortgang ihrer Arbeit an der Adamsdorfer Kirche, von einzelnen Bildmotiven und von ihren Gesprächen mit dem Onkel darüber ergeben eine kleine Poetik des poetischen Realismus Fontanescher Prägung (vgl. 10/82; 12/92-94, 97 f.). Deren lebenspraktischer Kern wird in Leos Bemerkungen über seinen ›poetischen‹ Umgang mit seiner tristen Wirklichkeit reflektiert. Dass Therese dagegen »die Vorliebe für das Natürliche, das die moderne Kunst als ihr gutes Recht ansieht«, eher »cynisch« findet, passt ins Bild (14/109).