Espe, Geraldine
Urlaubsgast in Krummhübel, Ehefrau des Rechnungsrats Espe aus Berlin. Der Förster Opitz, der die Familie am Nachbartisch in Exners Wirtshaus »Schneekoppe« sitzen sieht, fragt sich beim Anblick der »trotz ihrer neununddreißig immer noch sehr schönen Dame«, wie sie wohl zu diesem »Hutzelmännchen« gekommen sein mag (3/19). Die Kellnerin Marie klärt ihn auf: Die Rätin ist eine Frau mit ›Vergangenheit‹, sie hat vor ihrer Ehe ein Verhältnis mit einem Adeligen gehabt, aus dem auch ihre Töchter Selma und Frida stammen (vgl. 3/20). Die Eheschließung mit Espe wird also in erster Linie der Wiederherstellung ihrer gesellschaftlichen Reputation und der Legitimation ihrer Töchter gegolten haben. Ihren Mann behandelt sie mit einer gewissen Herablassung, während sie mit Leutnant Kowalski, einem Urlaubsgast, der sich den Espes angeschlossen hat, kokettiert. Opitz vermutet, dass sie mit ihm eine Affäre hat (vgl. 3/19). Als Kowalski abreist, nimmt Assessor Unverdorben seine Stelle ein, auch wenn er ihr »den auf der hohen Tatra weilenden Kowalski nicht voll ersetzen konnte« (16/128). Sie nimmt den Assessor als potentiellen Heiratskandidaten für ihre ältere Tochter Selma ins Visier. Seine menschliche Sicht auf Lehnert Menz und seine Tat berühren sie. »Denn sie war eine Frau, die, wie die meisten, die sich einer Vergangenheit rühmen dürfen, ein gutes und starkes Herz und jedenfalls eine Verachtung gegen alle Tugend- und Offiziositätsphrasen hatte.« (16/135)
Sieben Jahre später hat sie, befördert durch den gesellschaftlichen Prestigegewinn ihres Mannes, zu der Einsicht gefunden, »daß das Eheliche, bei maßvollen Ansprüchen, eigentlich angenehmer und besser als das ›ewige Gehabe‹ sei, das, bei Lichte besehen, wenig Vergnügen und bloß viel Klatschereien einbringe« (37/290 f.). Als Espe seine mitleidlos staatstragenden Ansichten über Lehnert Menz‘ Schicksal zum Besten gibt, stehen ihr freilich für einen Moment wieder »Bilder anderer Tage« vor der Seele (37/294).