Kreisler, Johannes
Ist der romantische Held der Künstler-Biographie, die Kater Murr nach Auskunft des Herausgebers zerrissen und als Löschpapier verwendet hat.
Chronologisch beginnt die fragmentarisch eingestreute Biographie Kreislers mit seiner Ankunft am Sieghartshof. Er ist aus der großherzoglichen Residenz geflohen, in der er es, angeekelt von der ihm abgeforderten Auftragskunst nach Publikumsgeschmack, nicht mehr ausgehalten hat, und will seinen Freund Meister Abraham aufsuchen, der ihn kurz zuvor mit einem Brief nach Sieghartsweiler eingeladen hat. Der etwa 30-jährige Mann, »nach dem Zuschnitt der letzten Mode schwarz gekleidet«, trifft im Park von Sieghartshof auf die Prinzessin Hedwiga und ihre Freundin Julia (64 f.). Obwohl sein Anzug selbst durchaus normal wirkt, »hatte sein Ansehen etwas seltsames, fremdartiges [sic]«, dazu sieht man ihm die Reisestrapazen deutlich an (65).
Den bis zur Lächerlichkeit steifen Hofstaat von Sieghartshof bringt er mit seiner »Herz zerschneidenden Ironie« schon bald durcheinander (77). Sein »toll verzerrtes Lächeln«, das sich oft bis zum »Possierlichen, bis zum Skurrilen« steigert, bricht immer dann aus ihm heraus, wenn er im Spannungsfeld zwischen seinem Kunstideal und seiner philiströsen Umwelt agieren muss (66).
Vor allem die Prinzessin verstört er derart, dass sie zeitweilig jeder Begegnung mit ihm ausweicht (vgl. 150). Später erzählt sie ihm, dass er sie an den wahnsinnig gewordenen Maler Leonhard Ettlinger erinnere, der sie als Kind zu ermorden versucht habe. Kreisler, der sich selbst vom Wahnsinn bedroht fühlt, begegnet diesem Maler auf einem Spaziergang als seinem Doppelgänger und flüchtet sich zu Abraham in die Fischerhütte, der einen Teil der Verwirrung mit seinen optischen Gerätschaften erklärt (vgl. 181 ff.). Statt erleichtert zu sein, ist Kreisler nun aber verärgert, »wie jeder, dem das Wunderbare, woran er geglaubt, zu Wasser gemacht wird« (183).
Er gibt den beiden jungen Frauen Gesangsunterricht. Während Hedwiga ihn, von wenigen Augenblicken der Nähe abgesehen, mit ihrer Exaltiertheit schreckt, gilt seine Sympathie von vornherein Julia, deren Spiel und Gesang seinem Kunst-Ideal entsprechen. Sie ist in der Lage, der von ihm verschmähten Gitarre »Himmelstöne« zu entlocken (65), und während ihres gemeinsamen Duetts schillern ihre Stimmen »auf den Wellen des Gesanges wie schimmernde Schwäne« und rühren die Zuhörer zu Tränen (152).
Das begehrliche Verhalten des Prinzen Hektor gegenüber Julia macht Kreisler fast rasend, und er stellt sich bereits vor, sich mit ihm zu duellieren. Dankbar nimmt er von Abraham ein Amulett an, mit dem er den »Neapolitaner« als »guter Feldherr« in die Flucht schlagen kann, ohne einen Säbel anfassen zu müssen (228 f.). Nach einem geheimnisvollen Mordanschlag – erst später stellt sich heraus, dass Hektors Adjutant versuchte, Kreisler umzubringen, und dabei selbst getötet wurde – flieht Kreisler aus Sieghartshof. Unterwegs begegnet er Pater Hilarius, der ihn mit in die Abtei Kanzheim nimmt. In einem Brief an Abraham äußert er die Hoffnung, er könne endlich an seinem »Ankerplatz« gelandet sein, eine »besonders wohltätige Ruhe« durchströme ihn seit seiner Ankunft (279). In der Abgeschiedenheit des Klosters ist er so produktiv wie nie zuvor, und der Abt versucht, ihn zum Eintritt in die Bruderschaft zu bewegen.
Bald aber schon verfolgt ihn die geheimnisvolle Geschichte um Hektor, Hedwiga, Julia und Angela in Gestalt des Paters Cyprianus bis in das Kloster. Sowohl Hilarius als auch der Abt raten ihm, das Kloster zu verlassen. Zuletzt ruft Abraham ihn mit einem Brief zurück nach Sieghartshof zu einem Fest, auf dem er die Verlobung von Julia und Ignatius verhindern will.
Mit Abrahams rückblickender Schilderung dieses Festes, das zu diesem Zeitpunkt schon »ziemlich lange her« ist (25), beginnt die zyklisch angeordnete fragmentarische Biographie. Ihr zufolge verließ Kreisler das Fest »wie ein Wahnsinniger« und durchkreuzte damit Abrahams Pläne, deren Ziel es war, die Verlobung Julias mit Prinz Ignaz zu verhindern. (26). Chronologisch endet die Biographie mit diesem Fragment, in dem Kreisler Abraham unter anderem auch zusagt, seinen Kater Murr zu sich zu nehmen (vgl. 37 f.).