Abs, Marie
Mutter von Jakobs Abs. Siebtes Kind eines Bauern in der »griesen Gegend« in der Nähe von Eldena, geb. 1890. Witwe von Wilhelm Abs, zuletzt Inspektor des Boninschen Gutes auf der Insel Wollin. Großmutter von Marie Cresspahl. Sie kommt mit ihrem Sohn Jakob und einem Pferdegespann im letzten Kriegswinter von der Insel Wollin als Flüchtling nach Jerichow. Heinrich Cresspahl nimmt Mutter und Sohn bei sich am Ziegeleiweg auf. Sie vertritt Mutterstelle an Gesine. Geht im Herbst 1956 in den Westen. Gestorben in Hannover.
140 Sie hilft im Oktober 1945, Amalie Creutz zu begraben (vgl. auch 1235). Ihr eigenes Grab in Hannover »lebt von automatischen Bank-Überweisungen«.
302 Die Lebensgefährtin von Professor Kreslil, Jitka Kvatshkova, erinnert Gesine Cresspahl manchmal an Frau Abs: »Es ist auch vorgekommen, daß sie unseren Arm berührte und mit betrübtem Kopfschütteln unsere Müdigkeit beklagte, so daß wir zurückkommen zu Jakobs Mutter, die Cresspahls verschlafenes Kind morgens in der Finsternis an den Schulzug brachte.«
945 In ihrem Brief vom März 1968 an Gesine schreibt Leslie Danzmann: »Und du hattest die Frau Abs, das ist wohl deine Mutter geworden. Ich wollt nur, daß du einmal weißt, ich wär es auch gern gewesen. Nicht Cresspahls wegen, deinetwegen.«
994 Als Gesine und Hanna Ohlerich im Sommer 1945 an Typhus erkranken, verlässt Cresspahl »sich darauf, daß Frau Abs sie mit ihren Schrotsuppen am Leben hielt und womöglich kurierte. Es war das Gesicht von Jakobs Mutter, das ich in diesem Sommer über mir sah, hager, trocken, schmaläugig; verzweifelt, wenn wir zum Essen zu schwach waren.«
1021 Marie hat ihre Großmutter »noch gesehen, aber Frau Abs wollte allein leben, und nicht in unserer Nähe sterben; wenn da Erinnerung ist an eine Großmutter, Marie erwähnt sie nicht«.
1192 Im Winter 1945, nach Cresspahls Verhaftung, wünscht Gesine, »die beiden Abs würden nicht weiterziehen. Jakob sollte bleiben; Jakobs Mutter sollte bleiben. Sie hat mir das Essen gekocht und hat mir gezeigt wie man es machen muß mit dem Haar, sie hat mir geholfen in der Fremde. Ich weiß den Abend, an dem ich die Hände auf dem Rücken behielt, – Gesine: sagte sie, berührte leicht und höflich meine Schulter mit ihrer rauhen harten Hand; ich weiß ihr halblautes schleuniges Reden. Ich weiß ihr Gesicht; das ist lang und knochig und in den schmalen trockenen Augen schon sehr entlegen zum Alter hin, ich habe eine Mutter gehabt alle Zeit. Alle Zeit.«
1192-1199 Frau Abs »glaubte sich am falschen Ort in Jerichow, im falschen Haus obendrein«, sie fürchtet, ihr aus dem Krieg heimkehrender Mann werde sie dort nicht finden. – Rückblick auf ihre Flucht mit Jakob von der Insel Wollin. – Ihre Herkunft: Sie stammt aus der Gegend um Eldena, von einem »Hof in der griesen Gegend, das siebte Kind, die unbezahlte Magd«. Als Wilhelm Abs, »ein Studierter vom Neuklosterschen Seminar«, sie heiraten wollte, trennte sie sich »nicht im Frieden von ihrer Familie«, und obwohl sie deshalb nicht zu ihrer Familie zurückgehen kann, nimmt sie an, dass ihr Mann sie bei Eldena suchen würde. – Während Wilhelm Abs in Brasilien war, hat sie »gehorsam in Hamburg den Beruf des Kochens gelernt«, da war sie 30 Jahre alt, und als Jakob geboren wurde, war sie schon 38 Jahre.
Das Leben in Cresspahls Haus und in Jerichow aus ihrer Sicht. Um die Unterkunft zu entgelten, hält sie Cresspahls Haus in Ordnung und regelt das Verhältnis der vielen Flüchtlinge im Haus. »Die Gäste in Cresspahls Haus, sogar die Lehrerin aus Marienwerder, fügten sich der großen hageren Frau, die so still blicken, so gleichmütig bestimmt sprechen konnte, sie hatte am Ende den Hausherrn im Rücken, auch war sie vor den meisten dagewesen.« Sie zeigt Gesine und Hanna Ohlerich, wie man saubermacht und Fenster putzt. »Es gab Arbeit in Cresspahls Haus, damit war Frau Abs zufrieden. Sie konnte den Kindern die Schrammen von den Weizen-und Rapsstoppeln einsalben, die dickbeuligen Furunkel mit Ichthyol behandeln, ihnen zur Arbeit um ein Winziges dickere Kreudebrote mitgeben; die Kinder schienen manchmal ein Grund zum Bleiben.«
Nachdem sie von der geplanten Bodenreform gehört hat, möchte sie mit Jakob eine Bauernstelle gründen, aber Jakob wehrt ab. Als Cresspahl von der Möglichkeit spricht, mit ihr und Jakob zusammen zu siedeln, ist sie empört über solchen »Antrag« und darüber, dass Jakob sie von Arbeit verschonen will. Um zu beweisen, dass sie noch nicht zu alt ist, nimmt sie eine Halbtagsarbeit als Köchin im Krankenhaus an.
1215 Sie hat zeitlebens nicht an den Tod ihres Mannes glauben wollen.
1231 Nach Cresspahls Verhaftung im Oktober 1945: »Wären nicht Gesine und Hanna Ohlerich gewesen, sie hätte wohl ihre Sachen gepackt und Zuflucht gesucht, wo Jakob arbeitete, zwei Stunden von Jerichow, wo sie nicht bekannt war als Wirtschafterin eines Bürgermeisters, den hatten die Russen abgeholt.«
1235 Im Oktober 1945 helfen Jakob und seine Mutter Gesine zuliebe, Amalie Creutz zu begraben, die sich nach Vergewaltigungen durch Rotarmisten erhängt hat.
1251 Als Gesine Cresspahl am Ferienwochenende mit Amanda Williams, Naomi und Clarissa Prince im Juni 1968 einen Braten zubereiten soll, entsinnt sie sich des Kochunterrichts bei Frau Abs.
1266 Hanna Ohlerich »war gleich zu ihr übergelaufen, doch nur zu einer Person; ähnlich wie eine Mutter, von der sie Trost erwartete, Hilfe«.
1401 Das Leben in Cresspahls Haus nach dem Abzug der Flüchtlinge Ende September 1946.
1450 Gesine wünschte sich die »Frau von der Insel Wollin« als »Mutter für alle Zeit«.
1462 Aus Gehorsam gegen Frau Abs geht Gesine 1947 in die Tanzstunde.
1535 Bei der Währungsreform machen alle im Haus sich Sorgen um Frau Abs, weil sich herausstellt, dass sie den Siedlerhof, den Jakob ihr abgeschlagen hatte und den sie »bloß wünschte, um ihren Mann mit etwas empfangen zu können«, wegen der Abwertung der Kredite nur noch bis 1955 (statt bis 1966) hätte abzahlen müssen. – Die Erinnerung an ihren Mann »ertrug sie nur allein in ihrem Zimmer, blicklos betend, ohne daß Tränen ihr halfen«.
1601 Sie gehört dem altlutherischen Bekenntnis an. Einmal im Monat geht sie zum altlutherischen Gottesdienst in Gneez oder Wismar (1605).
1604 Wird zusammen mit Anita Gantlik Patin von Brüshavers Nachzügler Alexander.
1688-1689 Beantragt im Dezember 1950 einen Interzonenpaß für Bochum. Da wohnte »ein Rest Familie von Wilhelm Abs. Bei Absens schrieb man sich allerhöchstens zu Todesfällen, bei Geburten dergleichen, zwei Wochen danach; zwar war sie alt, an die gefürchtete Nachricht wollte sie so nahe wie sie vermochte.«
1690 An Silvester 1950 bittet Cresspahl sie: »Bliwen Se man bi uns, Fru Abs.« [Bleiben Sie man bei uns, Frau Abs.]
1703 Im März 1951 bekommt sie einen abschlägigen Bescheid zu ihrem Antrag auf einen Interzonenpass.
1751 Marie Cresspahl ist nach ihrer Großmutter benannt.
1829 Als Gesine zu ihrem ersten Herbstsemester 1952 nach Halle geht, bekommt sie von »Jakobs Mutter eine Bibel, mit der Inschrift auf dem Vorsatzblatt: 1947 eingetauscht für einen Hasen; Gottes Segen für G. C. in der Fremde.«
1844 Als Gesine 1953 in den Westen gehen will, redet sie eine Nacht lang mit ihrem Vater und Frau Abs. »Einer alten Frau hab ich Angst bereitet.«
1870-1871 Sie geht 1956 in den Westen. »Frau Abs fürchtete sich nun vor einem Jerichow, da kann ein Herr Rohlfs mit dem Abzeichen der Staatssicherheit sie beiseite nehmen und befragen wegen einer Gesine Cresspahl; die blieb in Hannover. [...] Wollte allein leben und sterben und ist begraben hinterm Schloß in Hannover.«
Vgl. auch 1008. 1080. 1100. 1160. 1214. 1233-1235. 1342. 1401. 1436. 1437. 1447-1448. 1474. 1479. 1481. 1490. 1526. 1530. 1533. 1560. 1585. 1596. 1600. 1603. 1613. 1619. 1653. 1689. 1742. 1868.
In »Mutmaßungen über Jakob« (1959) lautet ihr Vorname Gertrud (M 35). – Mit der Lokalisierung von Jakob Abs' Geburt »in einer Inspektorwohnung bei Crivitz« (1193) ist Johnson offenkundig ein Fehler unterlaufen. Auf einem Gut bei Crivitz war Albert Papenbrock einst Pächter. Jakob ist in Hinterpommern, in einem Dorf an der Dievenow, einem Mündungsfluss der Oder, geboren (1083 u.ö.).