Abs, Jakob
Voller Name: Jakob Wilhelm Joachim Abs (1739). Streckendispatcher bei der Deutschen Reichsbahn. Freund von Gesine Cresspahl, Vater ihrer Tochter Marie. Geboren am 25.12.1928 in Pommern, in einem Dorf an der Dievenow, gestorben im November 1956 bei einem Unfall auf den Gleisen des Stellwerkes im Hauptbahnhof Dresden. Kommt mit seiner Mutter Marie Abs und einem Pferdegespann im letzten Kriegswinter von der Insel Wollin als Flüchtling nach Jerichow. Heinrich Cresspahl nimmt die Familie bei sich am Ziegeleiweg auf. Er arbeitet mit seinen Pferden in der Landwirtschaft, gibt diese Tätigkeit nach Cresspahls Verhaftung im Oktober 1945 auf und nimmt eine Arbeit am Gaswerk von Jerichow an, um die Rolle eines Hausvorstands am Ziegeleiweg übernehmen zu können. Anfang 1947 beginnt er eine Ausbildung bei der Eisenbahn in Gneez und Schwerin, später auf der Lokführerschule in Güstrow. Lehnt dann aber die Tätigkeit als Lokomotivführer ab und wird Dispatcher. Handballspieler. Raucher. Fährt Ende Oktober 1956, nach Gesines heimlichem Besuch in Jerichow, zu ihr nach Düsseldorf, kehrt aber in die DDR zurück, verunglückt am Morgen nach der nächtlichen Interzonenfahrt, als er, wie immer, über die Gleise zu seiner Arbeit im Turm der Dispatcher gehen will.
10 An der Strecke Jerichow-Gneez »lernte Jakob die Eisenbahn. Jakob in dem schwarzen Kittel sah aus seiner Bremserkabine so geduldig auf die Gruppe der Oberschüler herunter, als wollte er Cresspahls Tochter nicht erkennen. Mit neunzehn Jahren mag er die Leute noch nach Ständen unterschieden haben.«
23 Marie Cresspahl »geht heimlich an den Kasten mit Gesines Fotografien, sie hat sich von ihrem Taschengeld ein Bild kopieren lassen, auf dem Jakob und Jöche zu sehen sind, vor der Lokomotivführerschule in Güstrow«.
24 Marie über Jakob Abs: »Mein Vater war Delegierter bei der Internationalen Fahrplankonferenz in Lissabon. Er vertrat die Deutsche Demokratische Republik« (vgl. aber 463).
121 Der alte Heinrich Cresspahl am Grab von Jakob Abs auf dem Friedhof von Jerichow: »Jakob, den kannte er noch. Zu Jakobs Grab ging er. Mit Jakob unterhielt er sich. Na, Jakob. Und du? Ja Cresspahl. Sühst, ich lieg hier zum Ansehen.«
387-388 Gesine zu Marie: »Dein Vater ist gestorben als er noch nicht einmal das Wort sterben ordentlich denken konnte. Von deinem Vater weiß ich nur das Notwendigste. Und ich trau dem nicht was ich weiß, weil es sich nicht immer in meinem Gedächtnis gezeigt hat, dann unverhofft als Einfall auftritt. Vielleicht macht das Gedächtnis aus sich so einen Satz, den Jakob gesagt hat oder vielleicht gesagt hat, gesagt haben kann. Ist der Satz einmal fertig und vorhanden, baut das Gedächtnis die anderen um ihn herum, sogar die Stimmen von ganz anderen Leuten. Davor habe ich Angst. [...] Von deinem Vater weiß ich nur was man über Tote wissen kann. Handballspieler, Sozialist, Untermieter. Nach einer Weile stellen sich die Sachen vor die Person und lassen nur einen kleinen Raum, in dem er angeblich ein Leben geführt hat. [...] Dein Vater konnte gut mit Mädchen. Er konnte gut mit alten Frauen, mit Cresspahl meistens, mit Katzen, mit allen seinen Freunden. Jakob war der einzige, mit dem Wolfgang Bartsch eine Schicht in Frieden durchhielt. [...] Mit mir konnte er wie ich mit Niemandem«.
463 In dem Gespräch mit de Rosny am 16. Dezember 1967, das für Gesine zum »Verhör« wird, begnügt de Rosny sich, was Jakob angeht, »mit Beruf und Todesfall. You are ever so thoughtful, Mr. Vice President. Bei dieser Gelegenheit kommt aber heraus, daß Jakob nie und nimmer die Deutsche Demokratische Republik bei einer Internationalen Fahrplankonferenz vertreten hat, auch nicht in Lissabon, und Marie ist enttäuscht. Sie hat es so fest geglaubt.«
478 Gesine über Marie: »Einmal wird das Kind aussehen wie ich auf den ersten Blick, aber mögen wird die Welt es auf den zweiten, und nicht einmal sie wird wissen, daß sie zurücklächelt wie Jakob.«
490 Im Februar 1953, als Gesine sich schon mit dem Gedanken trägt, in den Westen zu gehen, zeigt sie Jakob die »Mili«, das bei der Sprengung von Jerichow Nord übriggebliebene Schwimmbecken des Fliegerhorstes. »Jakob kam mir ohne Zögern nach unten nachgeklettert. Wir sind in dem Becken auf und ab gegangen, bis alle Bahnen ausgefüllt waren mit den Spuren unserer Füße. Von Jakobs Gesicht an diesem Tage bekomme ich kein Bild; ich müßte es denn erfinden. Wir waren unsichtbar, geschützt von den Wänden des Erdlochs, versteckt unter dem wirbelnden Himmel, in der sausenden Stille. Und er konnte mir nur für sich sagen, wie das Leben ist in der Fremde, nicht für mich.«
997 Im Sommer 1945 verdingt Jakob sich und seine beiden Pferde in der Landwirtschaft: »Er hatte die Absschen Pferde genommen und arbeitete in einem Dorf an der Küste für einen Anteil an der Ernte. Er kam nicht oft nach Jerichow« (vgl. auch 1018).
997-998 Über die Ankunft Jakobs und seiner Mutter Anfang 1945: »Er war fünf Jahre älter als ich. Er gehörte zu den Erwachsenen. Er hatte ein erwachsenes Gesicht, verschlossen, streng, eigensinnig. Um den Hals und Nacken hatte er einen Verband, darunter war eine Wunde von einem Tieffliegerangriff.« – Um ihm zu imponieren, behauptet die zwölfjährige Gesine, reiten zu können. Jakob lässt sie auf seinem Fuchs reiten, sie fällt herunter. »Danach ging ich Jakob ein wenig aus dem Weg.« – Später versteckt sie sich vor ihm, weil sie nach ihrer Typhuserkrankung im Sommer 1945 alle Haare verliert.
1018 Gesine zählt die Seen auf, in denen sie gebadet hat: Ihr letztes Bad im Stadtsee von Gneez nahm sie Ende Mai 1953, kurz vor ihrer Ausreise in den Westen. Dabei hat sie sich den Fuß verletzt, »und Jakob nahm mir den zerstochenen Fuß hoch wie einem jungen Pferd, und die Bewegung lief mir durch den Leib nach oben ohne einen Schmerz«. Am 20. August 1968 erinnert sie sich noch einmal an diese Situation und setzt hinzu: »Ich glaub das geschieht einem im Leben ein einziges Mal.« (1891).
1018-1019 Über den für die vierzehnjährige Gesine schmerzlichen Weggang Jakobs aus Jerichow Anfang 1947: »Jakob ging weg aus der Stadt mit Arbeit bei der Eisenbahn, wurde einmal an der Pfaffenteich-Fähre, in Schwerin, fotografiert (in Gesellschaft von Sabine Beedejahn, ev., 24 Jahre alt, verh.). Jakob ging mit Freunden fischen an Seen, brachte Eimer voll lebender Krebse mit aus mecklenburgischen Seen, und ich kannte die Seen nicht, und er ging ohne mich mit Fischern, mit Mädchen, mit Kollegen, und ich kannte fast Jakob nicht.«
1045-1046 Über Bergie Quades Geschichte mit Herrn ›Wassergahn‹ im Juli 1945, bei der Jakob als Übersetzer behilflich ist und bei den Klempnerarbeiten in der sowjetischen Kommandantur assistiert: »Jener Rotarmist, den sie so schlagfertig aufgeklärt hatte über ›Wassergahn‹, kam wieder in ihren Laden, und diesmal mit einem Jungen, einem Flüchtling aus Pommern, den Cresspahl in seinem Haus hielt. Um die siebzehn Jahre, aber kräftig in den Schultern, und er sah Bergie in die Augen, als sei er längst erwachsen, schweigsam obendrein; den konnte sie nicht abschieben, nicht wegreden.« Später lobt sie ihn »für die sachte Genauigkeit, mit der er ihre Anweisungen in Handgriffe umsetzte, wie ein Fachmann im Klempnern«.
1064 Jakob betreibt 1945 Schwarzhandel: Heinrich Cresspahl, nun Bürgermeister und genötigt, den sowjetischen Kommandanten K.A. Pontij mit Wodka zu bewirten, »mußte nicht in eigener Person den Schwarzhandel betreiben, für den er auf seinen amtlichen Anschlägen Strafen anzudrohen hatte, das besorgte Jakob für ihn. Jakob hatte sage und schreibe Markenspirituosen vorrätig, versteckt an einer nie aufgefundenen Stelle im Haus«.
1080-1085 Über die Liebesleiden der zwölfjährigen Gesine und ihre Eifersucht auf Hanna Ohlerich, die Jakob ihr nach ihrer Überzeugung vorzieht. »Jakobs Jahrgang 1928 und der eigene, es kommt immer die gleiche ärgerliche Zahl heraus. Ganze fünf Jahre.« – Von ihrem Versteck im Walnussbaum aus beobachtet sie ein Schwarzhandelsgeschäft zwischen Jakob und Vassarion: »Er hockte da wie Wassergahn, beide mit Blick auf das Obergeschoß der Villa über dem grünen Zaun, offenbar gar nicht mit Handeln beschäftigt, sondern mit Freundschaft zwischen dem deutschen und dem sowjetischen Volk. Sie sah da aber eine Faust voll blauweißer Scheine, das Alliiertengeld, keiner in Jerichow wollte das in Zahlung nehmen, Jakob steckte es in den Hemdsärmel. (In den Hemdsärmel.) Nach einer zu langen Zeit reckte Herr Wassergahn sich und stakte auf das grüne Zauntor zu, wo er hingehörte, und Jakob blieb unter dem Baum hocken.« – Hanna Ohlerich fragt ihn zu Gesines Ärger über seine Herkunft aus und danach, ob er in Mecklenburg bleiben will: »Da halten manche Leute die Luft an, bis er sagt: Wi weitn dat nich« [Wir wissen das nicht].
1097 Als Gesine Cresspahl ihre »Haare verloren hatte am Typhus im Sommer nach dem Krieg« und dauernd eine Baskenmütze trägt, läßt er sich aus Solidarität eine Glatze scheren.
1125-1127 Nach Albert Papenbrocks Verhaftung im Juli 1945 macht Jakob auf seinem Weg von Lübeck nach Jerichow einen Umweg über das Gut Alt Demwies, wo Albert Papenbrock als Verwalter eingesetzt worden ist, und holt, ohne mit ihm selbst zu sprechen, Erkundigungen über sein Leben dort ein. So »konnte er Gesine etwas von ihrem Großvater erzählen«.
1192-1193 Über die Flucht Jakobs und seiner Mutter von Wollin nach Jerichow.
1197-1198 Die Argumente, mit denen Jakob seiner Mutter den Wunsch nach einer Siedelung in Mecklenburg auszureden versucht.
1231-1239 Nach Cresspahls Verhaftung im Oktober 1945 gibt Jakob seine Arbeit in der Landwirtschaft auf und nimmt eine Beschäftigung im Jerichower Gaswerk an, um Cresspahls Rolle als Hausvorstand zu übernehmen. Er tut es nicht gerne und ist mit sich unzufrieden. Er nimmt den in Cresspahls Haus untergebrachten Flüchtlingen Miete ab. Seine Schwarzhandelsgeschäfte betreibt er weiterhin. Die ihm ärztlich verordnete Milch gibt er der Lehrerin aus Marienwerder für ihr Kind. – »Sein Gesicht war kahl geworden, er stellte gern den Blick auf Fernsicht, und doch verlor er wenig von dem vielstimmigen Gerede am Tisch. Manchmal bewegten sich seine Lippen von allein, dann schluckte er ein Lächeln trocken herunter. […] Die anderen sahen Jakob an, daß er zehn Stunden lang im Gaswerk Zement gerührt oder Kohlen geschaufelt hatte, und nahmen ihn vorerst für den Mann im Haus. Jakob war mit sich nicht zufrieden als Vorstand des Haushalts.«
1235 Nach Amalie Creutz‘ Selbstmord schneidet er die Tote von ihrer Drahtschlinge, besorgt »mit Spirituosen Marke Schlegel« einen Sarg bei Tischler Kern in Gneez und fährt sie mit seiner Mutter und Gesine »auf Swensons (Kliefoths) Gummikarren zum Neuen Friedhof«.
1236 Sein siebzehnter Geburtstag am 25.12.1945.
1254 Seine Versuche, mit Hilfe seiner Schwarzhandelspartner Vassarion und Krijgerstam etwas über Cresspahls Verbleib herauszufinden, scheitern. Vassarion und Krijgerstam »waren ihm gefällig; die Frage nach Cresspahl machte ihnen das Gesicht steif. Zu gefährlich. Ansteckend. In den Arrest der Roten Armee wollten sie nicht. Trösten ging an, Mitleid eben. Wo er war blieb Geheimnis. Als wäre er tot.«
1266 Hanna Ohlerich, ebenfalls in Jakob verliebt, sucht (zu Gesines Ärger) seine Nähe, »ging ihm an vielen Abenden hinterher auf den Hof, so daß er seine Einzelhandelsgeschäfte verschob und mit ihr zum Bruch zog«.
1275-1277 Im Sommer 1946 schickt er Gesine und Hanna Ohlerich auf Johnny Schlegels Hof als Erntehelferinnen. Dabei entdecken die beiden Mädchen zu ihrem Kummer seine Liebesbeziehung mit Anne-Dörte. »Wir gingen Anne-Dörte kein Mal nach, wir sahen sie doch auf dem Fußweg zwischen den Kiefern zur See. Manchmal waren bei der Rückkehr ihre Haare naß, Jakobs auch. Wir wußten nun, warum wir kein Bett eigens für Jakob gefunden hatten. In Jakobs Besuchsnächten lagen wir still unter dem Mondlicht von der See her, taten schlafend vor einander; keine ist von den Tränen der anderen aufgewacht, zum Sprechen im Schlaf waren wir zu müde. [...] Eine Gräfin sein wie Anne-Dörte, es stand uns nicht bevor.« – »Jakob sin Voss« steht inzwischen auf Schlegels Hof und verdient seinen Hafer als Reit- und Wagenpferd.
1280-1281 Im September 1946 verhilft Jakob Hanna Ohlerich zur Flucht in den Westen. Er besucht ihre Verwandten in Warnemünde, die über die Ostsee in den Westen fliehen wollen, und verabredet mit ihnen, dass Hanna vor Rande in ihren Kutter zusteigt.
1400-1405 Auch nach dem Auszug aller Flüchtlinge Ende September 1946 ist Jakob »nicht zufrieden mit sich als Vorstand des Haushalts«, weil er wenig über die eigensinnige Gesine vermag, die aufgehört hat, den Pastor Brüshaver zu grüßen, und auch sonst ihre eigenen Wege geht. Das »unbegreifliche Cresspahlkind« betreibt Schwarzhandelsgeschäfte auf eigene Faust und will sich von Jakob nicht in die Verwertung des Weizens hineinreden lassen, den sie im Sommer bei Johnny Schlegel verdient hat. Schließlich lässt sie sich doch auf seine Beratung ein, besteht aber darauf, jeden einzelnen Handel mitzubestimmen. Dabei lernt Jakob, sich auf ihre bessere Kenntnis der Jerichower und der in Gneez umlaufenden Gespräche und Gerüchte zu verlassen. Ihr verdankt er seine Bekanntschaft mit Jöche, einem »Freund bis zum Herbst 1956, so wurde er mit Peter Wulff zusammengebracht, so dauerhaft und unkündbar wie auf Erden möglich«.
1450 Jakob aus der Sicht der vierzehnjährigen Gesine 1947: »Da war Jakob Abs, der Sohn Abs, der nahm sie als die kleine Schwester. Die Zeit, die er nicht arbeiten mußte, hängte er an die Geschäfte, zu allererst jedoch an ein Mädchen, das war nicht zu jung für ihn, ein vor Schönheit nicht träumbares Geschöpf, Anne-Dörte hieß sie. Nicht nur zu ihr ging er weg, auch aus Jerichow schon. Sein Russisch lernte er aus einem Buch der železnodorožnych terminov [Eisenbahnbegriffe], vom Gaswerk machte er sich auf zu einer Lehre bei der Eisenbahn, die würde ihn wegfahren nach Gneez, nach Schwerin und einmal ganz weg aus Mecklenburg.«
1457 Im Frühjahr 1947 besucht er einen Umschulungskurs in Gneez.
1475 Gesine hält es für besser, Jakob nichts von ihrer Deutschlehrerin Bettina Riepschläger zu sagen, denn sie ist hübsch und blond. »Blond, das hatte die Erfahrung gelehrt, war Jakobs Farbe. Im Gegensatz zu dunkleren Tönungen.«
1477-1478 Erklärt Gesine den Begriff ›Antifaschismus‹, aber Gesine hört nicht richtig zu, sondern betrachtet Jakob: »Wie Cresspahl konnte Jakob die Augen auf Fernsicht stellen. Ihr unterlief unfehlbar wieder, daß seine Schläfen so fest aussahen, die Stirn so ohne Kante eingebogen war in den Schädel.« Seine Haare bilden kurz nach dem Scheren schon wieder einen Pelz. »Auch wurde sie nicht fertig mit der kleinen Faltenverschiebung in seinen Augenwinkeln, die sah so straff aus, so lebendig, als wüßte er von sich jede Bewegung. Dann hatte sie unordentlich zugehört.«
1479-1481 Als der (als Kriegsverbrecher gesuchte) Robert Papenbrock 1947 unverhofft in Cresspahls Haus auftaucht, hilft Jakob Gesine dabei, den ungebetenen Gast aus dem Haus zu werfen.
1513-1514 Im Mai 1948 erzählt Johnny Schlegel dem aus dem Lager zurückgekehrten Heinrich Cresspahl »vom Vorstand des Cresspahlschen Hauses, von Jakob. Der lerne auf dem Bahnhof von Gneez das Zusammenkuppeln von Güterwagen, dennoch wolle er seinen Fuchs nicht verkaufen. Ob Cresspahl da mal mit ihm reden könne von Mann zu Mann.« – Anne-Dörte ist inzwischen in den Westen nach Schleswig-Holstein gegangen und hat von dort eine Verlobungsanzeige geschickt (vgl. auch 1551 f.).
1525 Jakob besorgt bei Bürgermeister Knewer eine Lebensmittelkarte für den aus dem Lager entlassenen Cresspahl und schildert zu Hause Knewers Reaktion: »Jakob, weißt du, wenn er erzählte, konnte von einem Lachen in der Kehle überrascht werden, als täte er zu seiner Lustigkeit noch den Spaß dazu, den er dem Zuhörer machen wollte. An Jakob war sehr zu sehen, wenn er sich freute.«
1526 Der von der Haft gezeichnete Cresspahl geht mit Jakob »vorsichtig um; bei dem glaubte er sich in einer Schuld, die schwer zu entgelten war«. Aber mit ihm »konnte Cresspahl viel besser sprechen; Jakob war der geschicktere Arzt«.
1573 Gesines Erinnerung: »Von Jakob habe ich das Bewußtsein seiner Nähe, seine Stimme, seine gelassenen Bewegungen«.
1586 Kurz nachdem Gesine und Pius Pagenkopf sich angefreundet haben und als ein Paar gelten (Januar 1949), prüft Jakob den Freund seiner ›kleinen Schwester‹: »Jakob gedachte ich diesen Pius fernzuhalten (wurde ich ihm doch untreu, auch wenn er es nun einmal mit anderen Mädchen hielt). Es vergingen wenig Wochen, da sah ich Pius im Gespräch mit ihm, den vornehmen langen Jungen in höflicher Haltung vor dem untersetzten Kerl im speckigen Päckchen der Eisenbahner. Jakob hat in allen Stücken die Hand über mich gehalten.«
1601 Der »Heide« Jakob überrascht Gesine, die sich von der Kirche abgewandt hat, mit Bibelkenntnissen: »Es kann die Heidin schlecht im Frieden leben, wenn anderen Heiden das mißfällt. Seht diesen Jakob an, der eine eingeregnete Katze mitbringt ins Haus und das triefende Bündel am Nacken vor sich hält, bis er es endlich fallen läßt mit dem Befund: Naß wie ein Jonas! und erst dann merkt er Cresspahls Gesine warten und überblickt sie obenhin, müßig, als ginge ihr die Kenntnis von biblischen Walfischen ab.« Im Oktober 1948 wird Gesine im Pastorat »vorstellig um eine zweite Zulassung für den Unterricht zur Konfirmation. Auf daß sie des Einverständnisses ihrer Älteren abermals teilhaftig werde. Das gefallsüchtige Kind.« – Jakob und seine Mutter gehören den Altlutheranern an (vgl. auch 1402).
1602 Jakob besorgt dem um einen Raum für den Konfirmandenunterricht verlegenen Pastor Brüshaver einen Eisenbahnwaggon, in dem der Unterricht fortan stattfindet.
1654-1655 Nach Gesines »Badeanzug-Affäre« mit Bettina Selbich im Mai 1950 sorgt Jakob mit Jöches Hilfe dafür, dass Bettina Selbich bei Reisen in der Eisenbahn mit Schikanen bedacht wird. Zu dieser Zeit besucht er die Lokführerschule in Güstrow.
1662-1663 Sein von Gesine erhoffter Besuch zu Pfingsten 1950 bleibt aus: »Eine fotografische Ansicht schickte er, privat gefertigt, im Format einer Postkarte. Ein langer Badesteg war da zu sehen, mit Turmstuhl für Lebensretter vor dem Inselsee von Güstrow, Booten im Wasser. Grüße von einem erweiterten Lehrgang übersandte Jakob. Wenn er log, so doch lediglich zu anderer Leute Bequemlichkeit. Ein Lehrgang hat Pausen. In Pausen kann man mit einem Mädchen Boot fahren. Dafür hatte Gesine Cresspahl nun die Pfingstsonne von Jerichow ausgehalten, in ihrem besten Kleid, bloß für Feiertage, und gewonnen hatte sie lediglich Sonnenbrand an den Knien.«
1676 Beim Verhör der Schüler nach der Flugblattaktion in der Woche nach Pfingsten 1950 wird Gesine auch über Jakob Abs verhört. Der Stasi-Offizier Lehmann weiß über ihn: »Nach vorzüglichem Abschluß der Lokomotivführerschule Güstrow Meldung zu einem Lehrgang in Grundlagen der materialistischen Dialektik.«
1689-1690 Zu dem erstmals seit 1937 in Cresspahls Haus wieder begangenen Silvesterabend 1950 bringt Jakob Krebse mit. Bei den Vorbereitungen in der Küche ist Gesine abgelenkt, denn »am Fenster führte Jakob ihr eine halbe Stunde lang vor, wie ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren sich rasiert zur Feier eines Abends«. – Jakob spricht von seiner Unzufriedenheit mit seinem Beruf: »Ick smit dat hen. Disse Loks, disse utleierten Strecken, dissn Signålsalat, dor führ de Düvel« [Ich schmeiß das hin. Diese Loks, diese ausgeleierten Strecken, dieser Signalsalat, da soll der Teufel fahren].
1703 Jakobs weiterer beruflicher Weg: »Jakob hatte in der Tat nur noch ein paar Lokomotiven bewegt, war strafversetzt gewesen auf Blockstellen zwischen Gneez und Ludwigslust, diente sich inzwischen hoch auf Lehrgängen in Dresden, an der Verkehrstechnischen Hochschule«.
1752-1753 Um Gesines guten Namen zu verteidigen, schlägt Jakob sich für sie im Sommer 1951 auf der Stalinstraße in Jerichow und sitzt dafür »achtzehn Tage im Keller unterm Landgericht Gneez, wegen Körperverletzung«, während Gesine für vier Wochen zu den Niebuhrs nach Wendisch Burg geschickt wird.
1755 Gesine in einem Telefongespräch mit Anita Gantlik am 7. August, einen Tag nach der Nachricht von D.E.s Tod: »Im Augenblick ist gerade das Schlimmste, daß D.E. von Jakob doch wußte. Daß ich einzig mit dem hab leben wollen, und ihn noch bei mir habe.«
1797-1799 Nach Gesines Verhaftung im Zusammenhang mit Dieter Lockenvitz' Briefaktion spricht Jakob am 3. Januar 1952 »vor beim Volkspolizeikreisamt Gneez wegen eines Verbleibs von Cresspahls Tochter und durfte gelassen sprechen, dort aktenkundig als ein gewalttätiger Mensch« (vgl. 1753). Da er dort nichts erreicht, geht er zur Gneezer Kommandantur, wo man eine Gesine Cresspahl nicht zu kennen vorgibt. »Die Tür zum Empfangszimmer war angelehnt, Cresspahls Tochter konnte Jakob deutlich vernehmen, bis er sich verabschiedete mit dem mißmutigen Gehabe eines Bürgers, der wollte was nachsehen, nun sind ihm selber die Personalien überprüft. [...] Solange Jakob im Vorraum stand, fiel der Häftlingin Cresspahl das Atmen schwer, wegen der behandschuhten Pfote, die ihr über den Mund gelegt war.« – Als sie nach zehn Tagen »am 12. Januar abends zurückkam in Cresspahls Haus, bekam sie eine Umarmung von Jakob; wie er sich darauf verstand, als sei ihm das eine Gewohnheit mit ihr«.
1807-1811 Hält sich im Herbst 1955 in Olmütz auf, wo er »die Betriebstechnik des Dispatchens einübte«. Wohnung bei Feliks und Tonja und ihren beiden Töchtern.
1834-1835 Besucht Gesine Cresspahl in ihrem ersten Herbstsemester 1952 in Halle, um den auf sie angesetzten Stasi-Spitzel zu vertreiben. Tritt in der Sonntagsuniform der Deutschen Reichsbahn auf. »Wat min grotn Brauder is, de hett Nœgel ünne de Schauh.« [Was mein großer Bruder ist, der hat Nägel unter den Schuhen.]
1835-1836 Während eines Essens bei Pottel & Broskowsky in Halle spricht Gesine mit ihm über ihren Wunsch, in den Westen zu gehen. Er nickt dazu, bittet sie aber, den Abschied ein Vierteljahr zu überdenken.
1843-1844 Nach der Auflösung von Johnny Schlegels Kommune wird »Jakob sin Voss« im Mai 1953 getötet. Gesine zu Marie: »Es ist eine Geschichte ... wie die von Kleinkindern, die in eine Wassertonne fallen« (Regentonnengeschichten).
1845 Als Gesines Ausreisewunsch feststeht, besorgt Jakob »der Studentin Cresspahl einen Freifahrtschein zur Reise an die Universität Halle, statt über Stendal ausgeschrieben für die Strecke: Gneez-Güstrow-Pritzwalk-Berlin. [...] er hatte sich ausgedacht, daß im Juni die Morgende hell sind, Sonnenlicht tanzt in den Wäldern, die Seen blinken bei Krakow und Plau; das sollte sie zum Abschied sehen. Erst als ein Schaffner ihr den Schein mit braunem Querstrich und Reichsbahnstempel zurückgab wie einer Kollegin, ging ihr auf: Jakob hatte sie mit einer Rückfahrkarte ausgestattet.«
1866-67 Jakobs Besuch bei Gesine in Düsseldorf. »Was der Wohnung noch fehlte, als Jakob nach Düsseldorf kam, hat er verputzt, angeschraubt, verklebt, lackiert. Für Jakob leistete ich mir eine gelbseidene Bluse mit locker hängendem Kragen [...], obgleich ich wußte: es ist an ihn verschwendet; der sieht mir ins Gesicht.« Jakob lässt sich ihr Lebensumfeld zeigen, macht reserviert Bekanntschaft mit dem westlichen Lebensstil, kocht ihr heimatliches Essen.
1867-1868 Jakobs Tod: »Fährt zurück an die östliche Elbe, geht bei Morgennebel über ein Gleisfeld, das verwaltet er seit zwei Jahren, wird von Zugbewegungen erfaßt, stirbt unter dem Messer. Das Begräbnis hat Cresspahl ausgerichtet. Frau Abs und seiner Tochter gab er erst Bescheid, als Jakob unter der Erde war. Das war für die eine gesund; für die andere ein Schaden. Die eine hat versäumt, sich umzubringen. Sie wünschte erst klar Schiff zu machen, reinen Tisch. Das ist so eingerichtet, damit jemand überlebt. Als der Selbstmord mir verboten wurde [durch die Schwangerschaft], war er beinahe vergessen.«
Vgl. auch 9. 138. 315. 563. 814. 987. 1008. 1117. 1119. 1161. 1194-1196. 1214-1215. 1269. 1270-1272. 1279. 1324. 1342. 1352. 1434. 1436. 1437. 1474. 1527. 1530. 1533. 1535. 1550. 1551. 1552. 1560. 1568. 1578. 1588. 1590. 1599-1600. 1621. 1653. 1658. 1685. 1686. 1688. 1773. 1796. 1804. 1828. 1829. 1869. 1871. 1882. 1889. 1891.
Mit der Lokalisierung von Jakob Abs' Geburt »in einer Inspektorwohnung bei Crivitz« (1193) ist Johnson offenkundig ein Fehler unterlaufen, denn sie widerstreitet allen übrigen Angaben, die Jakobs Herkunft aus Hinterpommern bestätigen und seine Geburt in einem Dorf an der Dievenow, einem Mündungsfluss der Oder, verorten (1083). Bei Crivitz, einem Ort in der Nähe von Schwerin, hatte einst Albert Papenbrock ein Gut gepachtet (525). – Jakob Abs ist die Hauptfigur von Johnsons Debütroman »Mutmaßungen über Jakob« (1959).