Dina

Einzige Tochter Jaakobs und Leas. Abweichend von der biblischen Überlieferung datiert der Erzähler ihre Geburt vor die der beiden letzten Lea-Söhne Issakhar und Sebulun, weil sie, wenn die biblische Überlieferung zuträfe, »zur Zeit ihres Unglücks körperlich noch gar nicht reif für dieses, sondern ein Kind gewesen wäre« (IV, 152).

Die Rede ist von den Geschehnissen, die sich vier Jahre nach Jaakobs Rückkehr nach Kanaan und seiner Niederlassung vor den Toren Schekems ereignen (vgl. Genesis 34): Bei einem Weinfest verliebt sich Sichem, der Sohn des Stadtfürsten Hemor, in Jaakobs Tochter, die zwar, wie alle Lea-Kinder, nicht schön ist, von deren Jugend aber ein besonderer Reiz ausgeht, »süß, zäh, gleichsam Fäden ziehend wie Dattelhonig, und dem Sichem erging es vom Anschauen alsbald wie der Fliege an der bestrichenen Tüte: er zog die klebenden Beinchen, um zu sehen, ob er hätte loskommen können, wenn er gewollt hätte« (IV, 168).

Dina hat ein »dunkles Frätzchen«, schwarzes Haar, »lange finster-süße Augen von klebrigem Schwarz«, die zum Schielen neigen, eine »breitnüstrige Nase«, einen »ebenfalls breiten, rot aufgehöhten, schmerzlich verzerrten Mund und fast überhaupt kein Kinn.« Ihre schmalen Schultern, ihre »dunklen Füßchen mit kupfernen Knöchelspangen« und ihre »kleinen, goldbraunen Hände mit geschminkten Nägeln« bringen den Burgsohn augenblicklich um den Verstand (IV, 168 f.).

Sichem bittet seinen Vater Hemor, für ihn um Dinas Hand anzuhalten (IV, 169). Jaakob überlässt die Angelegenheit weitgehend seinen ältesten Söhnen, die hier eine Chance wittern, ihre schon gleich bei der Ankunft in Schekem gehegten Raubpläne zu verwirklichen. Sie fordern von Sichem, dass er sich beschneiden lasse (IV, 171). Nachdem Sichem die Forderung erfüllt hat und die Brüder ihm die Schwester dennoch verweigern, entführt er Dina in seinen Harem (IV, 173), schreibt aber nach einigen Tagen einen höflichen Brief, in dem er nochmals um Dinas Hand anhält (IV, 176 f.).

Nun fordern die Brüder, dass alle männlichen Einwohner der Stadt sich beschneiden lassen (IV, 178), und als auch diese Bedingung »ohne Besinnen angenommen« wird (IV, 179), fallen die Brüder über die Stadt und ihre von der Beschneidung geschwächten Männer her, metzeln sie nieder und plündern die Stadt.

Die zurückeroberte Schwester ist schwanger. Ihr Kind wird »nach der Männer Beschluß« ausgesetzt (IV, 184). Dina selbst »kümmerte hin und verschrumpfte weit vor der Zeit« (ebd.), ein Schicksal, das durch die Ereignisse nur befördert, nicht verursacht wurde. Denn Dina »war ein rechtes Kind der mesopotamischen Steppe, welcher ein früh ausbrechender und überschwenglich blütenreicher Frühling gegeben ist, dem kein lebendiger Sommer folgt« (IV, 153).

Jaakob liebt die Tochter, »wie er ein Kind der Unrechten nur zu lieben vermochte, versteckte sie vor Esau in einer Totenlade und trug, als die Zeit kam, schweres Herzeleid um sie« (IV, 153).

Manche »Lehrer und Ausdeuter« behaupten, dass Asnath, Josephs Frau, gar nicht die Tochter des Sonnenpriesters von On sei, sondern ein Findelkind, nämlich »das ausgesetzte und in einem Korbe angeschwemmte Kind von Jaakobs einst verstoßener Tochter Dina«. Der Erzähler hält das für eine »Interpolation und fromme Finte« (V, 1519).

Band IV: 146, 152-184, 246, 334, 361, 376, 379 f., 404, 498, 549. – Band V: 1519.

Vorbild für die Beschreibung der äußeren Erscheinung Dinas war vermutlich das Bild »Beduinenmädchen« von Hans Schöllhorn, vgl. die Abbildung bei Wysling (194) und Kurzke (39). –  Die Sage von Dinas Tochter Asnath fand TM in mehreren Varianten bei Gorion III (63-65, 236 f., 237-240).

Letzte Änderung: 07.11.2009  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück