Habel
Zweiter Sohn Adams und Hevas und jüngerer Bruder Kains, von dem er um ihrer beider Schwester Noema willen »auf dem Felde erschlagen wurde« (IV, 115). Zum »Ersatz für Habel« wurde dem ersten Menschenpaar ein dritter Sohn, Seth, geboren (V, 1552).
In der mythischen Ordnung des Romans ist Habel eines der Urbilder des ›wahrhaften Sohnes‹ und gesegneten Bruders, der einem üblen, ›roten‹ Bruder gegenübersteht wie Sem dem Cham, Osiris dem Set, Isaak dem Ismael oder Jaakob dem Esau.
Deshalb und obwohl Habel keine Nachfahren hatte, führen sich die Jaakobsleute u.a. auf ihn, den Hirten und »Zeltbewohner« zurück (IV, 115), denn er war in ihren Augen ein Mann des wandernden Mondes, kein Mann der »ackerbauenden Sonne« wie Kain oder Esau, »deren Gesichter sind wie der Acker, wenn ihn die Sonne zerreißt, und wie die Scholle, wenn sie vor Dürre rissig wird« (IV, 102). »Ja, du bist Habel, der Mond und der Hirt«, schmeichelt Joseph dem Vater, »und alle die Deinen, wir sind Hirten und Schäfersleute und nicht Leute der ackerbauenden Sonne, wie die Bauern des Landes, die schwitzend hinter dem Pflugholze gehen und hinter dem Rindvieh des Pfluges und zu den Baalim des Landes beten« (ebd.).
Das Verhältnis zwischen Esau und Jaakob ist, wie Esau selbst weiß, »die Wiederkehr und das Gegenwärtigwerden – die zeitlose Gegenwärtigkeit – des Verhältnisses von Kain zu Habel« (IV, 135).
Auch Ruben sieht in Joseph einen ›Habel-Bruder‹, denkt aber bei aller Empörung über Josephs Bevorzugung nicht daran, dem Muster Kains zu folgen: »Was hätte ich davon? Habel läge erschlagen da, und ich wäre, was ich nicht sein will, Kajin, den ich nicht verstehe« (IV, 497). Folgerichtig betrachtet er auch die vermeintlichen Gefahren, die ihnen von Echnatôns ›Oberstem Mund‹ drohen, als gerechte Strafe: »Nun fragt uns Gott: ›Wo ist dein Bruder Habel?‹« (V, 1625)
Dass Kain seinen Bruder nicht nur wegen des verschmähten Rauchopfers (Genesis 4, 3-5), sondern auch wegen Habels Zwillingsschwester erschlagen hat, geht auf eine jüdische Sage zurück, die TM bei Gorion fand. Danach hatten beide Brüder jeweils eine Zwillingsschwester, die sie hernach heirateten; Habels Zwillingsschwester aber war »schöner denn alle Weiber«, und da »sprach Kain bei sich: Ich werde meinen Bruder totschlagen, und sein Weib wird mein werden« (Gorion I, 134 f.).