Himmelsleiter, Traum von der (Rampentraum)
Das große Traumgesicht Jaakobs vom »Nabelband von Himmel und Erde« (IV, 140 f.; vgl. Genesis 28, 12-15) ereignet sich während seiner Flucht von Beerscheba nach Charran, in der Nacht, die seiner demütigenden Niederlage gegen Esaus Sohn Eliphas folgt. Sein Schauplatz ist ein Hügel über dem Ort Luz (Beth-el), auf dem sich ein Gilgal, ein »heiliger Steinkreis« befindet. Hier bettet Jaakob sich, einen Stein des Gilgal als »Haupterhebung« nutzend, zur Nacht, in der ihm dann im Traum eine ganz andere, unerhörte Haupterhebung widerfährt. »Da ging es hoch her, da geschah es ihm, da ward ihm wirklich [...] das Haupt erhoben aus jeder Schmach« (IV, 141).
Am Morgen richtet er sein steinernes Kopfkissen zum Denkmal auf, gießt Öl darüber und tauft den Ort um: »Beth-el soll diese Stätte heißen und nicht Luz, denn sie ist ein Haus der Gegenwart« (IV, 144). Seither gilt dieser Ort Jaakob und den Jaakobsleuten als »die Pforte zur Herrlichkeit und das Band Himmels und der Erden« (ebd.), als der ›wahre Weltnabel‹ und »Mitte der Welt« (IV, 35).
Kurz vor seinem Tod, »begeistert vom Fieber, dem er sehr dankbar war für die Steigerung«, nennt Jaakob die Stätte auch »Esagila, das Haus der Haupterhebung« (V, 1782), reklamiert also den Namen des Marduk-Tempels zu Babel, den die Babylonier für die »Pforte Gottes« halten (IV, 35), für sein Heiligtum. Denn dort, so erinnert er sich, war ihm Gott erschienen, »oben auf der Rampe, dem Bande Himmels und der Erden, wo die Gestirnenengel auf und ab wallten mit Wohlgetön, erschien er mir in Königsgestalt, segnete mich mit dem Zeichen des Lebens und rief überschwenglichen Trost in die Harfen, denn seine gewaltige Vorliebe verhieß er mir und daß er mich wolle wachsen lassen und mich mehren zum Haufen Volks und zu zahllosen Kindern der Vorliebe« (V, 1782).
In der ›Fabel vom Namen‹, die Joseph von Eliezer lernt und gern erzählt, kann der auf die Erde verbannte Engel Semhazai erst mit Hilfe von Jaakobs traumhafter Himmelsleiter wieder in den Himmel zurückgelangen und ist sehr geniert, »daß er es nicht vermochte außer in eines Menschen Traum« (IV, 401).
Jaakobs Bezugnahme auf das babylonische ›Haus der Haupterhebung‹ kommt nicht von ungefähr: TM fand bei Jeremias I (321 f.) Hinweise darauf, dass die religionsgeschichtlichen Wurzeln von Jakobs Himmelstraum zu wesentlichen Teilen in Babylon und der Vorstellung von Babel als Nabel der Welt zu suchen sind. Dort auch Material über die mythologischen Bezüge des Himmelstraums und der Traumstätte (319-323). – Die Geschichte von Semhazai fand TM bei Gorion I (314-316).