Sinear

Das Land ›Sinear‹ ist das Land, in dem der Mondgott Sin verehrt wird (IV, 11). Der Begriff wird für das Zweistromland allgemein verwendet (vgl. z.B. IV, 35 f.) und bezeichnet weniger politische Zugehörigkeit zum babylonischen Reich als Zugehörigkeit zum babylonischen Kulturraum.

Die »Leute von Sinear« sind die von babylonischer Kultur geprägten Bewohner Babyloniens und Mesopotamiens von Chaldäa im Süden bis Naharina im Norden. Die wiederkehrende Wendung wird synonym mit dem (pluralisch gebrauchten) Begriff Chaldäer benutzt. Ein Muster für die wechselnde Verwendung beider Begriffe ist nicht eindeutig zu erkennen. Möglich, dass der Name ›Sinear‹ bevorzugt dann fällt, wenn es um die religiösen Kulte der Babylonier geht und darum, die Distanz des Monotheismus der Jaakobsleute zum »Götzenglauben« Babylons (IV, 251) zu markieren.

Hauptgott Sinears ist aber schon seit Abrahams Tagen nicht mehr der Mondgott Sin, sondern der Sonnengott Mardug. Dem nämlich hatte »Abrams König« Amraphel oder Chammuragasch (d.i. Hammurabi) »mächtig das Haupt erhoben und ihn erhöht [...] über alle Götter von Sinear zum Verdruß der Leute des Sin« (IV, 102), was als möglicher Grund für Abrahams »Auszug aus Sinear« (IV, 18) erwogen wird (IV, 11, 102, 426).

Die »bartlockigen Männer von Sinear« halten ihre Königsstadt Babel, die sie »Pforte Gottes« und »Band Himmels und der Erde« nennen, für »der Welt heilige[n] Mittelpunkt«, aber »Joseph hatte über diese Frage des Weltnabels nähere und wahrere Nachrichten« (IV, 35), nämlich die über Jaakobs Traum von der Himmelsleiter.

Sinear ist das Land der »Sternendiener und -deuter« (IV, 17), der »Gestirnspriester«, die sich »auf die Zeichen des Tierkreises« verstehen (IV, 26). An seinen Grenzen standen schon zu Abrahams Zeit »mit Tierkreisbildern bedeckte Grenzsteine« (IV, 15). In Jaakobs Augen ist die Sterndeuterkunst der Babylonier nicht weit entfernt vom Aulasaukaula der ›Baalsnarren‹ und »Orakellaller« Kanaans (IV, 416), weshalb er sehr im Zweifel ist, ob Eliezer, der älteste Knecht und Lehrer seines Dumuzi, gut daran getan hat, Joseph »die Künste anzuzeigen der Sterndeuter und Zauberer von Sinear« (IV, 110).

Band IV: 11, 15, 17 f., 26, 33, 35 f., 75, 102, 110, 116, 120, 132, 253, 399, 412, 419, 435, 474, 605. – Band V: 994, 1421, 1431, 1554.

Die alttestamentliche Bezeichnung ›Sinear‹ (Schinar, Schinear) wird unterschiedlich gedeutet: Als Name (a) des babylonischen Reiches (mit seiner wechselnden Ausdehnung), (b) der Stadt Babel/Babylon, (c) des mittleren Mesopotamien um und nordwestlich von Babylon, (d) des südlichen Babylonien (Chaldäa) oder auch (e) des gesamten Gebiets von Mesopotamien. Nach Jeremias I ist Sinear »nicht Gesamtbabylonien, sondern [...] nur ein Teil Babyloniens« (160), den er kartografisch wie (c) verortet (vgl. »Weltkarte« am Schluss des Buches). In der 4. Auflage 1930 (S. 172), die TM aber wohl nicht benutzt hat, konzediert er, dass ›Sinear‹ im Alten Testament auch verallgemeinernd für Babylonien insgesamt verwendet wird. – Nach Meissner (I, 8) ist Sinear der biblische Name Sumers, des südlichen Babylonien.

Letzte Änderung: 03.10.2008  |  Seitenanfang / Lexikon   |  pfeil Zurück